Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.Beigeschmack Nicht frei ist. Alles Geistige hat hier einen hartnäcki¬ Als Theaterncuigkeit von Belang melde ich Ihnen zunächst das IV. Der Christusrock in Trier. Der Rock Christi, der so viel Tausende (Menschen und Thaler) Beigeschmack Nicht frei ist. Alles Geistige hat hier einen hartnäcki¬ Als Theaterncuigkeit von Belang melde ich Ihnen zunächst das IV. Der Christusrock in Trier. Der Rock Christi, der so viel Tausende (Menschen und Thaler) <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0049" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/181233"/> <p xml:id="ID_86" prev="#ID_85"> Beigeschmack Nicht frei ist. Alles Geistige hat hier einen hartnäcki¬<lb/> gen Kampf mit dem mercantilischen und nicht mercantilischen Phili-<lb/> sterthum zu bestehen. Und nun erst das literarische Wirken einer<lb/> Frau, die, von ihrem Genius gedrängt, aus dem harmlosen Frieden<lb/> ihres häuslichen und geselligen Kreises hinaustritt vor die Oeffentlich-<lb/> keit, kritische Unwetter mit obligaten Donnerschlägen nicht scheut, selbst<lb/> wohl den gespenstigen Klepper der Tagesliteratur besteigt und bald<lb/> darauf wieder eine größere Production in die so oft verfälschte Waag¬<lb/> schale der literarischen Themis wirft. Viel Heroismus muß einer<lb/> Frauenseele angeboren sein, die Solches unternimmt!</p><lb/> <p xml:id="ID_87"> Als Theaterncuigkeit von Belang melde ich Ihnen zunächst das<lb/> Baison'sche Gastspiel, welches mit seinem in den meisten Theilen<lb/> — wozu jedoch die große Scene mit der Mutter im vierten Acte<lb/> nicht gehört — vortrefflichen Hamlet begonnen wurde und vermuth¬<lb/> lich den ganzen Winter hindurch fortgesetzt werden wird. Den Freun¬<lb/> den des höheren Dramas stehen also seltene Genüsse bevor, denn die¬<lb/> ses würdigste Feld für die Thätigkeit unseres ersten Kunstinstitutes<lb/> mußte, seit Hendrich's Abgang, durch den Mangel eines ersten Lieb¬<lb/> habers und jugendlichen Helden, theilweise nothgedrungen, brach lie¬<lb/> gen. — Heute Abend ist die erste Vorstellung vom Moritz von Sach¬<lb/> sen. Baison gibt die Titelrolle. — Die französischen Hofschauspieler<lb/> von Berlin haben im Stadttheater vielen Beifall, aber wenig Pub-<lb/> licum für ihre Leistungen gefunden und versuchen ihr Glück jetzt auf<lb/> der Thaliabühne, wo Scholz von Wien gestern ein im Ganzen sehr<lb/> glückliches Gastspiel beschloß, und Gern vom Berliner Hoftheater<lb/> das seinige beginnen wird.</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> IV.<lb/> Der Christusrock in Trier.</head><lb/> <p xml:id="ID_88" next="#ID_89"> Der Rock Christi, der so viel Tausende (Menschen und Thaler)<lb/> nach der frommen Stadt Trier zieht, hat seine wunderthätige Kraft<lb/> an der Gräfin Droste-Vischering, einer Nichte des bekannten Erzbi-<lb/> schofs von Köln, bewahrt. Sie kam aus Krücken hin und ging<lb/> gesund und grade fort; ihr Oheim will die Thatsache actenmäßig con-<lb/> statiren lassen, was im Grunde unnöthig ist, da der gläubige Kinder¬<lb/> sinn keine gerichtlichen Beweise braucht und die Geistlichkeit, die den<lb/> heiligen Rock ausgestellt hat, schon vorher von der göttlichen Kraft<lb/> der Reliquie überzeugt war. Einen schweren Vorwurf aber müssen<lb/> wir eben dieser Geistlichkeit machen. Wie, Ihr habt ein Heilmittel,<lb/> welches mehr vermag durch einfache Berührung als alle Weisheit der<lb/> Aerzte durch Nachtwachen, Sinnen und Forschen und Anstrengung<lb/> jeglicher Art, — und statt der leidenden Menschheit damit beizuspringen,<lb/> stellt Ihr es alle hundert Jahre ein einziges Mal aus! Warum leert</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0049]
Beigeschmack Nicht frei ist. Alles Geistige hat hier einen hartnäcki¬
gen Kampf mit dem mercantilischen und nicht mercantilischen Phili-
sterthum zu bestehen. Und nun erst das literarische Wirken einer
Frau, die, von ihrem Genius gedrängt, aus dem harmlosen Frieden
ihres häuslichen und geselligen Kreises hinaustritt vor die Oeffentlich-
keit, kritische Unwetter mit obligaten Donnerschlägen nicht scheut, selbst
wohl den gespenstigen Klepper der Tagesliteratur besteigt und bald
darauf wieder eine größere Production in die so oft verfälschte Waag¬
schale der literarischen Themis wirft. Viel Heroismus muß einer
Frauenseele angeboren sein, die Solches unternimmt!
Als Theaterncuigkeit von Belang melde ich Ihnen zunächst das
Baison'sche Gastspiel, welches mit seinem in den meisten Theilen
— wozu jedoch die große Scene mit der Mutter im vierten Acte
nicht gehört — vortrefflichen Hamlet begonnen wurde und vermuth¬
lich den ganzen Winter hindurch fortgesetzt werden wird. Den Freun¬
den des höheren Dramas stehen also seltene Genüsse bevor, denn die¬
ses würdigste Feld für die Thätigkeit unseres ersten Kunstinstitutes
mußte, seit Hendrich's Abgang, durch den Mangel eines ersten Lieb¬
habers und jugendlichen Helden, theilweise nothgedrungen, brach lie¬
gen. — Heute Abend ist die erste Vorstellung vom Moritz von Sach¬
sen. Baison gibt die Titelrolle. — Die französischen Hofschauspieler
von Berlin haben im Stadttheater vielen Beifall, aber wenig Pub-
licum für ihre Leistungen gefunden und versuchen ihr Glück jetzt auf
der Thaliabühne, wo Scholz von Wien gestern ein im Ganzen sehr
glückliches Gastspiel beschloß, und Gern vom Berliner Hoftheater
das seinige beginnen wird.
IV.
Der Christusrock in Trier.
Der Rock Christi, der so viel Tausende (Menschen und Thaler)
nach der frommen Stadt Trier zieht, hat seine wunderthätige Kraft
an der Gräfin Droste-Vischering, einer Nichte des bekannten Erzbi-
schofs von Köln, bewahrt. Sie kam aus Krücken hin und ging
gesund und grade fort; ihr Oheim will die Thatsache actenmäßig con-
statiren lassen, was im Grunde unnöthig ist, da der gläubige Kinder¬
sinn keine gerichtlichen Beweise braucht und die Geistlichkeit, die den
heiligen Rock ausgestellt hat, schon vorher von der göttlichen Kraft
der Reliquie überzeugt war. Einen schweren Vorwurf aber müssen
wir eben dieser Geistlichkeit machen. Wie, Ihr habt ein Heilmittel,
welches mehr vermag durch einfache Berührung als alle Weisheit der
Aerzte durch Nachtwachen, Sinnen und Forschen und Anstrengung
jeglicher Art, — und statt der leidenden Menschheit damit beizuspringen,
stellt Ihr es alle hundert Jahre ein einziges Mal aus! Warum leert
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |