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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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A u ö Berlin.
1.

Schluß der Kunstausstellung. -- Lessing, Veit und ihre Ahnen. -- Krüger in
Le. Petersburg; russische Noblesse. -- Preis eines Gemäldes. -- Karl Beck's
Gedichte- -- Englische, italienische und spanische Gesellschaft. -- Der Verein
zum Wohl der arbeitenden Classen.

Die Kunstausstellung wird heute geschlossen, nachdem sie zwei
Monate lang ohne große Theilnahme von Seiten des Publicums ge¬
öffnet war. Erst in den letzten Tagen steigerte sich dieselbe einiger¬
maßen, doch soll im Ganzen der Ertrag der Ausstellung -- bei einem
Eintrittsgelde von fünf Silbergroschen -- diesmal 4--5000 Thaler
weniger betragen, als in früheren Jahren. Es liefert dies einen
neuen Beweis von der großen Sparsamkeit unseres Publicums, das
der Kunstausstellung entzog, was es der GewerbeauSstellung zugewandt
hatte. Unter den zuletzt noch auf die Erstere gekommenen Bildern
zeichnete sich besonders ein historisches Gemälde von Lesstng aus: Kai¬
ser Heinrich V., über den der Kirchenbann ausgesprochen, wird von
den Mönchen eines Klosters, dessen Gastrecht er anspricht, zurückge¬
wiesen. Abermals ist es der Conflict der römischen Hierarchie mit der
Freiheit, den der seines edeln Großoheims würdige Neffe zum Gegen¬
stand seiner Charakterauffassung und Seelenmalerei gemacht hat. Seine
Bilder sind redende Denkmale derselben religiösen Freiheit, die Gott¬
hold Ephraim Lessing so beredt vertheidigt hat. Wie verschieden sind
doch die beiden Wege, welche zwei ausgezeichnete Maler unserer Zeit,
die mit zwei hervorragenden einander innigst befreundeten Geistern des
vorig"" Jahrhunderts in naher verwandtschaftlicher Berührung stehen,
eingeschlagen! Man vergleiche nur Lessing's Arbeiten mit denen
Veit's in Frankfurt a. M., der ein Enkel Moses Mendels¬
sohn's ist und der sich aus dem Städel'schen Museum nach Sach¬
senhauser zurückzog, weil er die Ausstellung Lessing'scher Bilder mit
seiner römischen Betrachtung der Dinge nicht in Einklang zu bringen
vermochte!

Ein Maler, weder mit dem einen noch mit dem andern der
eben genannten Meist-r die geringste Aehnlichkeit, aber nichts desto
weniger eine große Berühmtheit erlangt hat, der gewiß einer der be¬
sten Gcschichrsmaler geworden wäre, wenn ihn nicht die nie ruhenden
Bestellungen zum Pferde- und Porträtmaler gemacht hatten, Hr. Pro¬
fessor Krüger nämlich, ist jetzt nach Petersburg gereist, um die Ge¬
mälde auszuführen, die Horace. Vernet ungemalt gelassen hat. In
Petersburg sind die Künstler bekanntlich sehr hoch geehrt, aber gewöhn¬
lich bleibt es auch bei der bloßen Ehre, die in diesem Breitengrade


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A u ö Berlin.
1.

Schluß der Kunstausstellung. — Lessing, Veit und ihre Ahnen. — Krüger in
Le. Petersburg; russische Noblesse. — Preis eines Gemäldes. — Karl Beck's
Gedichte- — Englische, italienische und spanische Gesellschaft. — Der Verein
zum Wohl der arbeitenden Classen.

Die Kunstausstellung wird heute geschlossen, nachdem sie zwei
Monate lang ohne große Theilnahme von Seiten des Publicums ge¬
öffnet war. Erst in den letzten Tagen steigerte sich dieselbe einiger¬
maßen, doch soll im Ganzen der Ertrag der Ausstellung — bei einem
Eintrittsgelde von fünf Silbergroschen — diesmal 4—5000 Thaler
weniger betragen, als in früheren Jahren. Es liefert dies einen
neuen Beweis von der großen Sparsamkeit unseres Publicums, das
der Kunstausstellung entzog, was es der GewerbeauSstellung zugewandt
hatte. Unter den zuletzt noch auf die Erstere gekommenen Bildern
zeichnete sich besonders ein historisches Gemälde von Lesstng aus: Kai¬
ser Heinrich V., über den der Kirchenbann ausgesprochen, wird von
den Mönchen eines Klosters, dessen Gastrecht er anspricht, zurückge¬
wiesen. Abermals ist es der Conflict der römischen Hierarchie mit der
Freiheit, den der seines edeln Großoheims würdige Neffe zum Gegen¬
stand seiner Charakterauffassung und Seelenmalerei gemacht hat. Seine
Bilder sind redende Denkmale derselben religiösen Freiheit, die Gott¬
hold Ephraim Lessing so beredt vertheidigt hat. Wie verschieden sind
doch die beiden Wege, welche zwei ausgezeichnete Maler unserer Zeit,
die mit zwei hervorragenden einander innigst befreundeten Geistern des
vorig«» Jahrhunderts in naher verwandtschaftlicher Berührung stehen,
eingeschlagen! Man vergleiche nur Lessing's Arbeiten mit denen
Veit's in Frankfurt a. M., der ein Enkel Moses Mendels¬
sohn's ist und der sich aus dem Städel'schen Museum nach Sach¬
senhauser zurückzog, weil er die Ausstellung Lessing'scher Bilder mit
seiner römischen Betrachtung der Dinge nicht in Einklang zu bringen
vermochte!

Ein Maler, weder mit dem einen noch mit dem andern der
eben genannten Meist-r die geringste Aehnlichkeit, aber nichts desto
weniger eine große Berühmtheit erlangt hat, der gewiß einer der be¬
sten Gcschichrsmaler geworden wäre, wenn ihn nicht die nie ruhenden
Bestellungen zum Pferde- und Porträtmaler gemacht hatten, Hr. Pro¬
fessor Krüger nämlich, ist jetzt nach Petersburg gereist, um die Ge¬
mälde auszuführen, die Horace. Vernet ungemalt gelassen hat. In
Petersburg sind die Künstler bekanntlich sehr hoch geehrt, aber gewöhn¬
lich bleibt es auch bei der bloßen Ehre, die in diesem Breitengrade


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[0423] I? A u ö Berlin. 1. Schluß der Kunstausstellung. — Lessing, Veit und ihre Ahnen. — Krüger in Le. Petersburg; russische Noblesse. — Preis eines Gemäldes. — Karl Beck's Gedichte- — Englische, italienische und spanische Gesellschaft. — Der Verein zum Wohl der arbeitenden Classen. Die Kunstausstellung wird heute geschlossen, nachdem sie zwei Monate lang ohne große Theilnahme von Seiten des Publicums ge¬ öffnet war. Erst in den letzten Tagen steigerte sich dieselbe einiger¬ maßen, doch soll im Ganzen der Ertrag der Ausstellung — bei einem Eintrittsgelde von fünf Silbergroschen — diesmal 4—5000 Thaler weniger betragen, als in früheren Jahren. Es liefert dies einen neuen Beweis von der großen Sparsamkeit unseres Publicums, das der Kunstausstellung entzog, was es der GewerbeauSstellung zugewandt hatte. Unter den zuletzt noch auf die Erstere gekommenen Bildern zeichnete sich besonders ein historisches Gemälde von Lesstng aus: Kai¬ ser Heinrich V., über den der Kirchenbann ausgesprochen, wird von den Mönchen eines Klosters, dessen Gastrecht er anspricht, zurückge¬ wiesen. Abermals ist es der Conflict der römischen Hierarchie mit der Freiheit, den der seines edeln Großoheims würdige Neffe zum Gegen¬ stand seiner Charakterauffassung und Seelenmalerei gemacht hat. Seine Bilder sind redende Denkmale derselben religiösen Freiheit, die Gott¬ hold Ephraim Lessing so beredt vertheidigt hat. Wie verschieden sind doch die beiden Wege, welche zwei ausgezeichnete Maler unserer Zeit, die mit zwei hervorragenden einander innigst befreundeten Geistern des vorig«» Jahrhunderts in naher verwandtschaftlicher Berührung stehen, eingeschlagen! Man vergleiche nur Lessing's Arbeiten mit denen Veit's in Frankfurt a. M., der ein Enkel Moses Mendels¬ sohn's ist und der sich aus dem Städel'schen Museum nach Sach¬ senhauser zurückzog, weil er die Ausstellung Lessing'scher Bilder mit seiner römischen Betrachtung der Dinge nicht in Einklang zu bringen vermochte! Ein Maler, weder mit dem einen noch mit dem andern der eben genannten Meist-r die geringste Aehnlichkeit, aber nichts desto weniger eine große Berühmtheit erlangt hat, der gewiß einer der be¬ sten Gcschichrsmaler geworden wäre, wenn ihn nicht die nie ruhenden Bestellungen zum Pferde- und Porträtmaler gemacht hatten, Hr. Pro¬ fessor Krüger nämlich, ist jetzt nach Petersburg gereist, um die Ge¬ mälde auszuführen, die Horace. Vernet ungemalt gelassen hat. In Petersburg sind die Künstler bekanntlich sehr hoch geehrt, aber gewöhn¬ lich bleibt es auch bei der bloßen Ehre, die in diesem Breitengrade 53»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/423>, abgerufen am 04.12.2024.