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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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zu können, zurück. Vor vier Tagen kommt jedoch hier ein neues
Stück zur Aufführung, welches den Titel führt: Gewohnheiten und
Rücksichten, oder die beiden Supplicanten, Lustspiel in vier Aufzügen
von Heinrich Schmidt. -- Die hiesige "Pannonia" schreibt in ih¬
rer Weise eine scharfe Kritik; das Blatt kommt nach Wien, und Dein-
hardstein erkennt aus der Jnhaltsanzeige seinen Motesens in abscheu¬
licher Verballhornung. Die Namen hatte man zum Theil verändert,
andere jedoch (wie den des jungen Hell horn), ohne sich zu geniren,
beibehalten. Und dieser ganze Streich, um einige Gulden Honorar zu
ersparen. Man ist neugierig, ob Herr Deinhardstein die Sache fal¬
len lassen, oder sie gerichtlich verfolgen wird. Um des Princips, um
des Beispiels willens sollte er Letzteres thun.----


in.
III.
Aus Berlin.

Das Overccnsurgericht und Karl Beck's Gedickte. -- Böckh und die Ausschwei¬
fungen der Philosophie. -- Die Bauer'sele Literaturzeitung. -- Die Brüder
Sckomvurgk. -- Rellstav. -- Die Hoppsfrage oder wie zwei Höfe um einen
Schauspieler processircn. -- Joel Jacovy.

Seit langer Zeit hat kein Erkenntniß des Obercensurgerichts so¬
viel von sich reden gemacht, als dasjenige, welches unsere Blätter
vor einigen Tagen in Bezug auf die hier gedruckten Gedichte von
Karl Beck publizirr haben. Erst durch dieses Erkenntniß nämlich ist
festgestellt worden, daß die den Schriften über zwanzig Bogen bewil¬
ligte Censurfreihcit nicht etwas rein Illusorisches, ja sogar eine ge¬
fährliche Versuchung sei, indem, falls nicht der Autor oder der Ver¬
leger selbst die Strenge des Censors übe, hinterdrein wegen irgend
einer kleinen Freiheit, die sich der Erstere genommen, das ganze Buch
consiscirr werde. Durch jenes Erkenntniß vom 29. Octbr. hat nun
das Obercensurgericht erklärt, daß es ein Widerspruch in sich selbst
sein würde, wenn Schriften über zwanzig Bogen zwar von der Cen¬
sur befreit wären, wegen jedes Verstoßes gegen die Censurgesetze aber
der Gefahr ausgesetzt blieben, unterdrückt und vernichtet zu werden.
Zwei Gedichte sind freilich gleichwohl in der Sammlung unterdrückt
und der Vernichtung überliefert worden, doch soll Fiscus wenigstens
die Kosten für die ihm verschaffte kleine Genugthuung tragen und
zwar weil das eine Gedicht früher schon unter sächsischer und das an¬
dere unter preußischer Censur gedruckt worden. Hiernach ist also auch
anerkannt, daß die deutschen Regierungen solidarisch für die Irrthümer,
die sich ihre respectiven Censoren zu Schulden kommen lassen, verant¬
wortlich sind, was, wenn es consequent und auch bei Irrthümern im
entgegengesetzten Sinne durchgeführt würde, zu manchen seltsamen


zu können, zurück. Vor vier Tagen kommt jedoch hier ein neues
Stück zur Aufführung, welches den Titel führt: Gewohnheiten und
Rücksichten, oder die beiden Supplicanten, Lustspiel in vier Aufzügen
von Heinrich Schmidt. — Die hiesige „Pannonia" schreibt in ih¬
rer Weise eine scharfe Kritik; das Blatt kommt nach Wien, und Dein-
hardstein erkennt aus der Jnhaltsanzeige seinen Motesens in abscheu¬
licher Verballhornung. Die Namen hatte man zum Theil verändert,
andere jedoch (wie den des jungen Hell horn), ohne sich zu geniren,
beibehalten. Und dieser ganze Streich, um einige Gulden Honorar zu
ersparen. Man ist neugierig, ob Herr Deinhardstein die Sache fal¬
len lassen, oder sie gerichtlich verfolgen wird. Um des Princips, um
des Beispiels willens sollte er Letzteres thun.——


in.
III.
Aus Berlin.

Das Overccnsurgericht und Karl Beck's Gedickte. — Böckh und die Ausschwei¬
fungen der Philosophie. — Die Bauer'sele Literaturzeitung. — Die Brüder
Sckomvurgk. — Rellstav. — Die Hoppsfrage oder wie zwei Höfe um einen
Schauspieler processircn. — Joel Jacovy.

Seit langer Zeit hat kein Erkenntniß des Obercensurgerichts so¬
viel von sich reden gemacht, als dasjenige, welches unsere Blätter
vor einigen Tagen in Bezug auf die hier gedruckten Gedichte von
Karl Beck publizirr haben. Erst durch dieses Erkenntniß nämlich ist
festgestellt worden, daß die den Schriften über zwanzig Bogen bewil¬
ligte Censurfreihcit nicht etwas rein Illusorisches, ja sogar eine ge¬
fährliche Versuchung sei, indem, falls nicht der Autor oder der Ver¬
leger selbst die Strenge des Censors übe, hinterdrein wegen irgend
einer kleinen Freiheit, die sich der Erstere genommen, das ganze Buch
consiscirr werde. Durch jenes Erkenntniß vom 29. Octbr. hat nun
das Obercensurgericht erklärt, daß es ein Widerspruch in sich selbst
sein würde, wenn Schriften über zwanzig Bogen zwar von der Cen¬
sur befreit wären, wegen jedes Verstoßes gegen die Censurgesetze aber
der Gefahr ausgesetzt blieben, unterdrückt und vernichtet zu werden.
Zwei Gedichte sind freilich gleichwohl in der Sammlung unterdrückt
und der Vernichtung überliefert worden, doch soll Fiscus wenigstens
die Kosten für die ihm verschaffte kleine Genugthuung tragen und
zwar weil das eine Gedicht früher schon unter sächsischer und das an¬
dere unter preußischer Censur gedruckt worden. Hiernach ist also auch
anerkannt, daß die deutschen Regierungen solidarisch für die Irrthümer,
die sich ihre respectiven Censoren zu Schulden kommen lassen, verant¬
wortlich sind, was, wenn es consequent und auch bei Irrthümern im
entgegengesetzten Sinne durchgeführt würde, zu manchen seltsamen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/379>, abgerufen am 27.07.2024.