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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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Die Berliner Ktmstansstellung im Fahre
Von
Wa" S n y d e r ö.



I.

Die Mode und die Industrie. -- Falsches Mäcenatcnthum. -- Die Künstler und
die Kritik. -- Der Äunstrichter in der Wolfischen Zeitung. -- Historienmaler.
-- Religiöse Gemälde; Ar" Scheffer. -- Steindruck, Schadow, Wach, Koh¬
ler, Marterstcig, Baumann u. s. w. u. s. w.

Die diesjährige Ausstellung übertrifft bei Weitem die von 1842,
welche doch das Bedeutendste gewesen war, was seit 1832 auf dem
Gebiete der Kunst geleistet worden. Ehe ich aber mit meinem Ur¬
theil hervortrete, muß ich einige einleitende Bemerkungen vorausschicken.

Daß die Kunst in unserm Zeitalter mehr als je nach Brod geht,
muß ich auch hier und immer wieder von Neuem erwähnen. Der
Mode hatte sie sich längst in die Arme geworfen; aber die Industrie
geht ihr erst seit kurzer Zeit mit größtentheils schauderhaften Illustra¬
tionen zur Hand. Von oben herab geschieht Wenig oder Nichts für
die Kunst. Man verschwendet Millionen für jämmerliche Bauten,
die sich immer und ewig auf einer und derselben Stelle herumdrehen,
sich mit der Nachahmung des alten Hergebrachten begnügen und
für das viele Geld nicht einmal versuchen, originell zu werden. Man
wirft das Geld zu Hunderttausenden an Sänger und Tänzerinnen
weg, man gibt dem Militär Helme und Waffenröcke, aber die
Kunst klopft, ein bleiches Weib, an die Thüren und fleht um das
tägliche Brod. Läßt der König sich und seine Gemahlin porträtiren,
so wird dazu der Hofmaler aus München verschrieben; soll Begas
einen Auftrag erhalten, so muß der arme Schelling sitzen. Sollen
irgendwo Fresken gemalt werden, so ist ja Cornelius da; er kann
es eben so wenig wie jeder Andere, warum sollte ihm nicht der
kleine Verdienst zugewendet werden? Ich weiß nur ein Land, wo


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Die Berliner Ktmstansstellung im Fahre
Von
Wa» S n y d e r ö.



I.

Die Mode und die Industrie. — Falsches Mäcenatcnthum. — Die Künstler und
die Kritik. — Der Äunstrichter in der Wolfischen Zeitung. — Historienmaler.
— Religiöse Gemälde; Ar» Scheffer. — Steindruck, Schadow, Wach, Koh¬
ler, Marterstcig, Baumann u. s. w. u. s. w.

Die diesjährige Ausstellung übertrifft bei Weitem die von 1842,
welche doch das Bedeutendste gewesen war, was seit 1832 auf dem
Gebiete der Kunst geleistet worden. Ehe ich aber mit meinem Ur¬
theil hervortrete, muß ich einige einleitende Bemerkungen vorausschicken.

Daß die Kunst in unserm Zeitalter mehr als je nach Brod geht,
muß ich auch hier und immer wieder von Neuem erwähnen. Der
Mode hatte sie sich längst in die Arme geworfen; aber die Industrie
geht ihr erst seit kurzer Zeit mit größtentheils schauderhaften Illustra¬
tionen zur Hand. Von oben herab geschieht Wenig oder Nichts für
die Kunst. Man verschwendet Millionen für jämmerliche Bauten,
die sich immer und ewig auf einer und derselben Stelle herumdrehen,
sich mit der Nachahmung des alten Hergebrachten begnügen und
für das viele Geld nicht einmal versuchen, originell zu werden. Man
wirft das Geld zu Hunderttausenden an Sänger und Tänzerinnen
weg, man gibt dem Militär Helme und Waffenröcke, aber die
Kunst klopft, ein bleiches Weib, an die Thüren und fleht um das
tägliche Brod. Läßt der König sich und seine Gemahlin porträtiren,
so wird dazu der Hofmaler aus München verschrieben; soll Begas
einen Auftrag erhalten, so muß der arme Schelling sitzen. Sollen
irgendwo Fresken gemalt werden, so ist ja Cornelius da; er kann
es eben so wenig wie jeder Andere, warum sollte ihm nicht der
kleine Verdienst zugewendet werden? Ich weiß nur ein Land, wo


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[0351] Die Berliner Ktmstansstellung im Fahre Von Wa» S n y d e r ö. I. Die Mode und die Industrie. — Falsches Mäcenatcnthum. — Die Künstler und die Kritik. — Der Äunstrichter in der Wolfischen Zeitung. — Historienmaler. — Religiöse Gemälde; Ar» Scheffer. — Steindruck, Schadow, Wach, Koh¬ ler, Marterstcig, Baumann u. s. w. u. s. w. Die diesjährige Ausstellung übertrifft bei Weitem die von 1842, welche doch das Bedeutendste gewesen war, was seit 1832 auf dem Gebiete der Kunst geleistet worden. Ehe ich aber mit meinem Ur¬ theil hervortrete, muß ich einige einleitende Bemerkungen vorausschicken. Daß die Kunst in unserm Zeitalter mehr als je nach Brod geht, muß ich auch hier und immer wieder von Neuem erwähnen. Der Mode hatte sie sich längst in die Arme geworfen; aber die Industrie geht ihr erst seit kurzer Zeit mit größtentheils schauderhaften Illustra¬ tionen zur Hand. Von oben herab geschieht Wenig oder Nichts für die Kunst. Man verschwendet Millionen für jämmerliche Bauten, die sich immer und ewig auf einer und derselben Stelle herumdrehen, sich mit der Nachahmung des alten Hergebrachten begnügen und für das viele Geld nicht einmal versuchen, originell zu werden. Man wirft das Geld zu Hunderttausenden an Sänger und Tänzerinnen weg, man gibt dem Militär Helme und Waffenröcke, aber die Kunst klopft, ein bleiches Weib, an die Thüren und fleht um das tägliche Brod. Läßt der König sich und seine Gemahlin porträtiren, so wird dazu der Hofmaler aus München verschrieben; soll Begas einen Auftrag erhalten, so muß der arme Schelling sitzen. Sollen irgendwo Fresken gemalt werden, so ist ja Cornelius da; er kann es eben so wenig wie jeder Andere, warum sollte ihm nicht der kleine Verdienst zugewendet werden? Ich weiß nur ein Land, wo 44»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/351>, abgerufen am 04.12.2024.