Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

vcugehaltencm Krummsiab ernst und würdig seine Grund? auseinan¬
dersetzt. 'Auf den Gesichtern der Reisigen, deren Zug sich in der Ferne
verliert, ist der gerechte Unwille über den unerhörten Vorfall zu lesen-,
die Vordern sprengen so nah als möglich heran, müssen hier aber auf
die zurückweisende Geberde des Herrschers halten. Die Schaar der
Mönche drängt sich ebenfalls um ihr Oberhaupt, trotzend auf ihr Recht
schauen sie ruhig demselben zu. Ein Paar davon, worunter der
Pförtne, drücken Mitleiden mit der Lage des hohen Hauptes aus, wo¬
gegen einige Andere ihre höhnische Schadenfreude schlecht verbergen
können. -- Das ist die Scene; über Anordnung und Malerei darf
ich Nichts hinzusetzen, es sei denn das Urtheil aller Kenner; Lessing
hat in dieser Beziehung alle seine frühern Werke bei Weitem über¬
treffen. Die Belgomanie in der Malerei muß ganzlich aufhören, wenn
dies deutsche Kunstwerk mit unbefangenem Auge betrachtet wird. Die
Wahl des Gegenstandes charakterisirt durchaus den geistreichen, fein¬
fühlenden Künstler. Als er vor zwei Jahren mit seinem "Huß vor
dem Concil" hervortrat, versäumte der beleidigte Clerus nicht, aus den
Figuren der Richter jenes Märtyrers arge Gehässigkeit gegen ihre
unantastbare Corporation herauszulesen. Jetzt führt er ihnen dieselbe
Grundidee in ganz anderm Gewände vor, und seine strenghistorische
Darstellung macht von vornherein jeden Angriff zu Schanden. So
steht er auf der Höhe der Zeit, so ist er einer der wirksamsten Käm¬
pfer für Aufklärung und Fortschritt. Die specielle Kritik wird dies
anerkennen, und ausführlichen Besprechungen sehen wir entgegen bei
Gelegenheit der Ausstellung zu Berlin. Später wird es die Galerie
des Consul Wagner daselbst zieren, der es vor der Vollendung ange¬
kauft hatte.


Notizen.

Das slavische Cabinet de Lectüre in Wien. -- Ein gefährliche6 Gcsckicbtsstu-
dium. -- Ein Abenteuer in Warschau. -- Meier. Josef Rank. -- Die
Reaction und die Jesuiren. -- E. Dukter. -- Entgegnung.

-- Man erinnert sich noch dessen, was wir über ein slavisches
Cabinet de Lectüre im Hause des russischen Gesandten in Wien er¬
zählten. Uns kam die Nachricht aus nur zu glaubwürdiger Quelle,
nämlich durch einen sehr bekannten und talentvollen slavischen Litew¬
ken in Wien, der in jener "Gefälligkeit" des russischen Gesandten we¬
der ein Arg sah, noch ein besonderes Gewicht darauf legte. Jetzt be¬
hauptet ein Preßburger Correspondent in der Deutschen Allge¬
meinen (derselbe, der regelmäßig und, scheinbar im deutschen In¬
teresse, gegen die Magyaren donnert) in der Nummer vom 8. Ocrober
jene Nachricht in den,, Grenzboten" für eine Mystifikation, eine Sinn-


vcugehaltencm Krummsiab ernst und würdig seine Grund? auseinan¬
dersetzt. 'Auf den Gesichtern der Reisigen, deren Zug sich in der Ferne
verliert, ist der gerechte Unwille über den unerhörten Vorfall zu lesen-,
die Vordern sprengen so nah als möglich heran, müssen hier aber auf
die zurückweisende Geberde des Herrschers halten. Die Schaar der
Mönche drängt sich ebenfalls um ihr Oberhaupt, trotzend auf ihr Recht
schauen sie ruhig demselben zu. Ein Paar davon, worunter der
Pförtne, drücken Mitleiden mit der Lage des hohen Hauptes aus, wo¬
gegen einige Andere ihre höhnische Schadenfreude schlecht verbergen
können. — Das ist die Scene; über Anordnung und Malerei darf
ich Nichts hinzusetzen, es sei denn das Urtheil aller Kenner; Lessing
hat in dieser Beziehung alle seine frühern Werke bei Weitem über¬
treffen. Die Belgomanie in der Malerei muß ganzlich aufhören, wenn
dies deutsche Kunstwerk mit unbefangenem Auge betrachtet wird. Die
Wahl des Gegenstandes charakterisirt durchaus den geistreichen, fein¬
fühlenden Künstler. Als er vor zwei Jahren mit seinem „Huß vor
dem Concil" hervortrat, versäumte der beleidigte Clerus nicht, aus den
Figuren der Richter jenes Märtyrers arge Gehässigkeit gegen ihre
unantastbare Corporation herauszulesen. Jetzt führt er ihnen dieselbe
Grundidee in ganz anderm Gewände vor, und seine strenghistorische
Darstellung macht von vornherein jeden Angriff zu Schanden. So
steht er auf der Höhe der Zeit, so ist er einer der wirksamsten Käm¬
pfer für Aufklärung und Fortschritt. Die specielle Kritik wird dies
anerkennen, und ausführlichen Besprechungen sehen wir entgegen bei
Gelegenheit der Ausstellung zu Berlin. Später wird es die Galerie
des Consul Wagner daselbst zieren, der es vor der Vollendung ange¬
kauft hatte.


Notizen.

Das slavische Cabinet de Lectüre in Wien. — Ein gefährliche6 Gcsckicbtsstu-
dium. — Ein Abenteuer in Warschau. — Meier. Josef Rank. — Die
Reaction und die Jesuiren. — E. Dukter. — Entgegnung.

— Man erinnert sich noch dessen, was wir über ein slavisches
Cabinet de Lectüre im Hause des russischen Gesandten in Wien er¬
zählten. Uns kam die Nachricht aus nur zu glaubwürdiger Quelle,
nämlich durch einen sehr bekannten und talentvollen slavischen Litew¬
ken in Wien, der in jener „Gefälligkeit" des russischen Gesandten we¬
der ein Arg sah, noch ein besonderes Gewicht darauf legte. Jetzt be¬
hauptet ein Preßburger Correspondent in der Deutschen Allge¬
meinen (derselbe, der regelmäßig und, scheinbar im deutschen In¬
teresse, gegen die Magyaren donnert) in der Nummer vom 8. Ocrober
jene Nachricht in den,, Grenzboten" für eine Mystifikation, eine Sinn-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0192" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/181376"/>
            <p xml:id="ID_532" prev="#ID_531"> vcugehaltencm Krummsiab ernst und würdig seine Grund? auseinan¬<lb/>
dersetzt. 'Auf den Gesichtern der Reisigen, deren Zug sich in der Ferne<lb/>
verliert, ist der gerechte Unwille über den unerhörten Vorfall zu lesen-,<lb/>
die Vordern sprengen so nah als möglich heran, müssen hier aber auf<lb/>
die zurückweisende Geberde des Herrschers halten. Die Schaar der<lb/>
Mönche drängt sich ebenfalls um ihr Oberhaupt, trotzend auf ihr Recht<lb/>
schauen sie ruhig demselben zu. Ein Paar davon, worunter der<lb/>
Pförtne, drücken Mitleiden mit der Lage des hohen Hauptes aus, wo¬<lb/>
gegen einige Andere ihre höhnische Schadenfreude schlecht verbergen<lb/>
können. &#x2014; Das ist die Scene; über Anordnung und Malerei darf<lb/>
ich Nichts hinzusetzen, es sei denn das Urtheil aller Kenner; Lessing<lb/>
hat in dieser Beziehung alle seine frühern Werke bei Weitem über¬<lb/>
treffen. Die Belgomanie in der Malerei muß ganzlich aufhören, wenn<lb/>
dies deutsche Kunstwerk mit unbefangenem Auge betrachtet wird. Die<lb/>
Wahl des Gegenstandes charakterisirt durchaus den geistreichen, fein¬<lb/>
fühlenden Künstler. Als er vor zwei Jahren mit seinem &#x201E;Huß vor<lb/>
dem Concil" hervortrat, versäumte der beleidigte Clerus nicht, aus den<lb/>
Figuren der Richter jenes Märtyrers arge Gehässigkeit gegen ihre<lb/>
unantastbare Corporation herauszulesen. Jetzt führt er ihnen dieselbe<lb/>
Grundidee in ganz anderm Gewände vor, und seine strenghistorische<lb/>
Darstellung macht von vornherein jeden Angriff zu Schanden. So<lb/>
steht er auf der Höhe der Zeit, so ist er einer der wirksamsten Käm¬<lb/>
pfer für Aufklärung und Fortschritt. Die specielle Kritik wird dies<lb/>
anerkennen, und ausführlichen Besprechungen sehen wir entgegen bei<lb/>
Gelegenheit der Ausstellung zu Berlin. Später wird es die Galerie<lb/>
des Consul Wagner daselbst zieren, der es vor der Vollendung ange¬<lb/>
kauft hatte.</p><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Notizen.</head><lb/>
            <note type="argument"> Das slavische Cabinet de Lectüre in Wien. &#x2014; Ein gefährliche6 Gcsckicbtsstu-<lb/>
dium. &#x2014; Ein Abenteuer in Warschau. &#x2014; Meier.   Josef Rank. &#x2014; Die<lb/>
Reaction und die Jesuiren. &#x2014; E. Dukter. &#x2014; Entgegnung.</note><lb/>
            <p xml:id="ID_533" next="#ID_534"> &#x2014; Man erinnert sich noch dessen, was wir über ein slavisches<lb/>
Cabinet de Lectüre im Hause des russischen Gesandten in Wien er¬<lb/>
zählten. Uns kam die Nachricht aus nur zu glaubwürdiger Quelle,<lb/>
nämlich durch einen sehr bekannten und talentvollen slavischen Litew¬<lb/>
ken in Wien, der in jener &#x201E;Gefälligkeit" des russischen Gesandten we¬<lb/>
der ein Arg sah, noch ein besonderes Gewicht darauf legte. Jetzt be¬<lb/>
hauptet ein Preßburger Correspondent in der Deutschen Allge¬<lb/>
meinen (derselbe, der regelmäßig und, scheinbar im deutschen In¬<lb/>
teresse, gegen die Magyaren donnert) in der Nummer vom 8. Ocrober<lb/>
jene Nachricht in den,, Grenzboten" für eine Mystifikation, eine Sinn-</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0192] vcugehaltencm Krummsiab ernst und würdig seine Grund? auseinan¬ dersetzt. 'Auf den Gesichtern der Reisigen, deren Zug sich in der Ferne verliert, ist der gerechte Unwille über den unerhörten Vorfall zu lesen-, die Vordern sprengen so nah als möglich heran, müssen hier aber auf die zurückweisende Geberde des Herrschers halten. Die Schaar der Mönche drängt sich ebenfalls um ihr Oberhaupt, trotzend auf ihr Recht schauen sie ruhig demselben zu. Ein Paar davon, worunter der Pförtne, drücken Mitleiden mit der Lage des hohen Hauptes aus, wo¬ gegen einige Andere ihre höhnische Schadenfreude schlecht verbergen können. — Das ist die Scene; über Anordnung und Malerei darf ich Nichts hinzusetzen, es sei denn das Urtheil aller Kenner; Lessing hat in dieser Beziehung alle seine frühern Werke bei Weitem über¬ treffen. Die Belgomanie in der Malerei muß ganzlich aufhören, wenn dies deutsche Kunstwerk mit unbefangenem Auge betrachtet wird. Die Wahl des Gegenstandes charakterisirt durchaus den geistreichen, fein¬ fühlenden Künstler. Als er vor zwei Jahren mit seinem „Huß vor dem Concil" hervortrat, versäumte der beleidigte Clerus nicht, aus den Figuren der Richter jenes Märtyrers arge Gehässigkeit gegen ihre unantastbare Corporation herauszulesen. Jetzt führt er ihnen dieselbe Grundidee in ganz anderm Gewände vor, und seine strenghistorische Darstellung macht von vornherein jeden Angriff zu Schanden. So steht er auf der Höhe der Zeit, so ist er einer der wirksamsten Käm¬ pfer für Aufklärung und Fortschritt. Die specielle Kritik wird dies anerkennen, und ausführlichen Besprechungen sehen wir entgegen bei Gelegenheit der Ausstellung zu Berlin. Später wird es die Galerie des Consul Wagner daselbst zieren, der es vor der Vollendung ange¬ kauft hatte. Notizen. Das slavische Cabinet de Lectüre in Wien. — Ein gefährliche6 Gcsckicbtsstu- dium. — Ein Abenteuer in Warschau. — Meier. Josef Rank. — Die Reaction und die Jesuiren. — E. Dukter. — Entgegnung. — Man erinnert sich noch dessen, was wir über ein slavisches Cabinet de Lectüre im Hause des russischen Gesandten in Wien er¬ zählten. Uns kam die Nachricht aus nur zu glaubwürdiger Quelle, nämlich durch einen sehr bekannten und talentvollen slavischen Litew¬ ken in Wien, der in jener „Gefälligkeit" des russischen Gesandten we¬ der ein Arg sah, noch ein besonderes Gewicht darauf legte. Jetzt be¬ hauptet ein Preßburger Correspondent in der Deutschen Allge¬ meinen (derselbe, der regelmäßig und, scheinbar im deutschen In¬ teresse, gegen die Magyaren donnert) in der Nummer vom 8. Ocrober jene Nachricht in den,, Grenzboten" für eine Mystifikation, eine Sinn-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/192
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/192>, abgerufen am 04.12.2024.