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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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Aufzeichnungen eines österreichischen Militärs,*)
herausgegeben von
Stephan Thurm.



i.

Der absolvirte Student und der Bauerbursche als Rekruten. -- Der freund¬
schaftliche Korporal und die erste Nacht in der Kaserne. -- Afsentirung; die
ersten Erfahrungen- -- Der Aimmercommandant. -- Das "Er". -- Der Un-
terrichr und die Prüfung. -- Uebelstände.

M^eine in vielfacher Hinsicht mühsamen Studien waren beendet.
Mit den auf unseren Schulen erworbenen Wissenschaften, die der
Jugend mit aller erdenklichen Vorsicht tropfenweise eingegeben werden,
fütterte ich den Geist zweier hochgcbornen unartigen Sprößlinge ge¬
gen reciproke körperliche Abfütterung und sonstige Emolumente. Meine
Subsistenz war nur temporär, sie mußte stabilirt werden. Ich wollte
mich daher in irgend ein Amt eindrängen und meine politische Lauf¬
bahn als Abschreiber beginnen. Da es mir jedoch an Bekanntschaft
mangelte und ich mit meiner Verwandtschaft nicht hervortreten durfte,
so wurde ich von mehreren Stellen in diesem Ansinnen mit dem trif¬
tigen Bescheide: "Der Bittsteller wird mit seinem Gesuche aus Un¬
zulänglichkeit der gesetzlichen Erfordernisse abgewiesen", etwas unlieb¬
sam gestört, und ich mußte daher, da ich durchaus kein schlechteres
Brod als das kaiserliche essen wollte, mit dem Commisbrod vorlieb
nehmen.

Aufrichtig gesagt, fühlte ich in mir nicht die mindeste Qualität
oder Ahnung, einst den gefallenen großen Mann und kleinen Cor¬
pora! zu ersetzen. Ich habe seit meiner Kindheit die Soldaten nie



*) Wir haben absichtlich an der Ausdrucksweise dieser Aufzeichnungen we¬
nig geändert und manchen österreichischen Provinzialismus, manches überflüs¬
sige Fremdwort beibehalten, weil sie für den Bildungsgang in Oesterreich bezcich-
nendsind. Der stylistische Werth dieserAufzeichnungen istvielleicht ihr geringster;
aber die Details, die in denselben geschildert werden, werfen ein so lebensvol¬
les licht auf die Zustände der Heeresmacht eines der größten Stte Euro¬
aan
Die Red. pas, wie es wohl noch nie geschehen ist.
'
Grenzboten 1844. II. ^
Aufzeichnungen eines österreichischen Militärs,*)
herausgegeben von
Stephan Thurm.



i.

Der absolvirte Student und der Bauerbursche als Rekruten. — Der freund¬
schaftliche Korporal und die erste Nacht in der Kaserne. — Afsentirung; die
ersten Erfahrungen- — Der Aimmercommandant. — Das „Er". — Der Un-
terrichr und die Prüfung. — Uebelstände.

M^eine in vielfacher Hinsicht mühsamen Studien waren beendet.
Mit den auf unseren Schulen erworbenen Wissenschaften, die der
Jugend mit aller erdenklichen Vorsicht tropfenweise eingegeben werden,
fütterte ich den Geist zweier hochgcbornen unartigen Sprößlinge ge¬
gen reciproke körperliche Abfütterung und sonstige Emolumente. Meine
Subsistenz war nur temporär, sie mußte stabilirt werden. Ich wollte
mich daher in irgend ein Amt eindrängen und meine politische Lauf¬
bahn als Abschreiber beginnen. Da es mir jedoch an Bekanntschaft
mangelte und ich mit meiner Verwandtschaft nicht hervortreten durfte,
so wurde ich von mehreren Stellen in diesem Ansinnen mit dem trif¬
tigen Bescheide: „Der Bittsteller wird mit seinem Gesuche aus Un¬
zulänglichkeit der gesetzlichen Erfordernisse abgewiesen", etwas unlieb¬
sam gestört, und ich mußte daher, da ich durchaus kein schlechteres
Brod als das kaiserliche essen wollte, mit dem Commisbrod vorlieb
nehmen.

Aufrichtig gesagt, fühlte ich in mir nicht die mindeste Qualität
oder Ahnung, einst den gefallenen großen Mann und kleinen Cor¬
pora! zu ersetzen. Ich habe seit meiner Kindheit die Soldaten nie



*) Wir haben absichtlich an der Ausdrucksweise dieser Aufzeichnungen we¬
nig geändert und manchen österreichischen Provinzialismus, manches überflüs¬
sige Fremdwort beibehalten, weil sie für den Bildungsgang in Oesterreich bezcich-
nendsind. Der stylistische Werth dieserAufzeichnungen istvielleicht ihr geringster;
aber die Details, die in denselben geschildert werden, werfen ein so lebensvol¬
les licht auf die Zustände der Heeresmacht eines der größten Stte Euro¬
aan
Die Red. pas, wie es wohl noch nie geschehen ist.
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Grenzboten 1844. II. ^
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[0009] Aufzeichnungen eines österreichischen Militärs,*) herausgegeben von Stephan Thurm. i. Der absolvirte Student und der Bauerbursche als Rekruten. — Der freund¬ schaftliche Korporal und die erste Nacht in der Kaserne. — Afsentirung; die ersten Erfahrungen- — Der Aimmercommandant. — Das „Er". — Der Un- terrichr und die Prüfung. — Uebelstände. M^eine in vielfacher Hinsicht mühsamen Studien waren beendet. Mit den auf unseren Schulen erworbenen Wissenschaften, die der Jugend mit aller erdenklichen Vorsicht tropfenweise eingegeben werden, fütterte ich den Geist zweier hochgcbornen unartigen Sprößlinge ge¬ gen reciproke körperliche Abfütterung und sonstige Emolumente. Meine Subsistenz war nur temporär, sie mußte stabilirt werden. Ich wollte mich daher in irgend ein Amt eindrängen und meine politische Lauf¬ bahn als Abschreiber beginnen. Da es mir jedoch an Bekanntschaft mangelte und ich mit meiner Verwandtschaft nicht hervortreten durfte, so wurde ich von mehreren Stellen in diesem Ansinnen mit dem trif¬ tigen Bescheide: „Der Bittsteller wird mit seinem Gesuche aus Un¬ zulänglichkeit der gesetzlichen Erfordernisse abgewiesen", etwas unlieb¬ sam gestört, und ich mußte daher, da ich durchaus kein schlechteres Brod als das kaiserliche essen wollte, mit dem Commisbrod vorlieb nehmen. Aufrichtig gesagt, fühlte ich in mir nicht die mindeste Qualität oder Ahnung, einst den gefallenen großen Mann und kleinen Cor¬ pora! zu ersetzen. Ich habe seit meiner Kindheit die Soldaten nie *) Wir haben absichtlich an der Ausdrucksweise dieser Aufzeichnungen we¬ nig geändert und manchen österreichischen Provinzialismus, manches überflüs¬ sige Fremdwort beibehalten, weil sie für den Bildungsgang in Oesterreich bezcich- nendsind. Der stylistische Werth dieserAufzeichnungen istvielleicht ihr geringster; aber die Details, die in denselben geschildert werden, werfen ein so lebensvol¬ les licht auf die Zustände der Heeresmacht eines der größten Stte Euro¬ aan Die Red. pas, wie es wohl noch nie geschehen ist. ' Grenzboten 1844. II. ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/9>, abgerufen am 29.06.2024.