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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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III.
Therese n"d ihre kritische" Freunde.
(Eingesendet.)

Unter den literarisch bekannten Personen, welche in Hamburg
leben, wird eine Dame von Rang gegenwartig viel genannt: Frau
von Nach eracht, die Tochter des russischen Gesandten, von Struve,
in Hamburg. Sie schreibt unter dem Namen Therese. Eine der
letzten Nummern der Jllustrirten Zeitung, brachte das wohl gelungene
Porträt dieser Schriftstellerin und eine Analyse ihres literarischen Cha¬
rakters. Diese Kritik ist so überschwänglich ausgefallen, daß man wohl
sieht, ihr Verfasser hat mit anderen Augen, als denen eines Kritikers,
geschaut. Zur Herstellung einer richtigeren Würdigung des literari¬
schen Charakters der Frau von Bacheracht dürften daher einige Worte
hier am geeigneten Platze sein. Ihr erstes Auftreten fällt in jene
Epoche des weiblichen Lebens, die sich, als der Uebergang aus der rei¬
feren Zugend in das nahende Alter, bei den Frauen sehr häufig durch
einen tieferen Ernst auszeichnet. Im Rückblick auf eine vielfach be¬
wegte Jugend, auf ein buntes Gemisch von glänzenden Erinnerungen,
die ihr das Leben in diplomatischen Kreisen, am Petersburger Hose
und an deutschen Höfen gab, gebannt in die Verhältnisse einer schlich¬
ten Bürgerstadt, die für ihren lebhaften, nach Abwechselung dürsten¬
den Geist zu poesielos erscheinen muß ; jung noch an Geist und Kör¬
per; im Verkehr endlich mit Schriftstellern und Schriftstellerinnen, lag
der Gedanke nahe, ihre Zeit ebenfalls mit poetischen Arbeiten auszu¬
füllen. Therese ließ sich von ihrem alten Freunde Strombeet in Braun¬
schweig in die literarische Welt einführen. Ihre "Briefe aus dem
Süden" waren mit einem Vorwort ihres literarischen Protectors be¬
gleitet, das sich ganz dazu eignete, die Aufmerksamkeit des Publicums
auf sie zu ziehen, aber auch zugleich die Schwächen und Mängel der
Verfasserin scharf bezeichnete. Strombeet sprach ihr ein gutes Judi-
cium ab und wollte überhaupt die Ansichten der Verfasserin in keiner
Weife vertreten. Aufgemuntert durch den Erfolg ihres ersten Buchs,
wandte sich Frau von Bacheracht entschieden der Literatur zu. Gutz-
kow's Bekanntschaft, die sie wahrend der Anwesenheit desselben in
Hamburg machte, konnte sie in diesem Entschluß nur bestärken. Gutz-
kow nahm die Stelle Strombeet's ein; nur in anderer Weise. Daß
das junge Deutschland selbst in der Kritik galant sein konnte, bewies
der Verfasser Wally's in seinen verschiedenen Besprechungen über die
literarische Bedeutsamkeit dieser Frau. Wie giltig Gutzkow's kritisches
Urtheil auch sonst sein mag, hier hat es sich doch offenbar irre leiten
lassen durch die Keckheit und das äußere polirte Wesen, mit welchem
Therese auftrat. Wenn diese in der illustrirten Zeitung neben Georges
Sand gestellt, ja sogar über dieselbe erhoben wird; wenn die Kölnische


III.
Therese n»d ihre kritische« Freunde.
(Eingesendet.)

Unter den literarisch bekannten Personen, welche in Hamburg
leben, wird eine Dame von Rang gegenwartig viel genannt: Frau
von Nach eracht, die Tochter des russischen Gesandten, von Struve,
in Hamburg. Sie schreibt unter dem Namen Therese. Eine der
letzten Nummern der Jllustrirten Zeitung, brachte das wohl gelungene
Porträt dieser Schriftstellerin und eine Analyse ihres literarischen Cha¬
rakters. Diese Kritik ist so überschwänglich ausgefallen, daß man wohl
sieht, ihr Verfasser hat mit anderen Augen, als denen eines Kritikers,
geschaut. Zur Herstellung einer richtigeren Würdigung des literari¬
schen Charakters der Frau von Bacheracht dürften daher einige Worte
hier am geeigneten Platze sein. Ihr erstes Auftreten fällt in jene
Epoche des weiblichen Lebens, die sich, als der Uebergang aus der rei¬
feren Zugend in das nahende Alter, bei den Frauen sehr häufig durch
einen tieferen Ernst auszeichnet. Im Rückblick auf eine vielfach be¬
wegte Jugend, auf ein buntes Gemisch von glänzenden Erinnerungen,
die ihr das Leben in diplomatischen Kreisen, am Petersburger Hose
und an deutschen Höfen gab, gebannt in die Verhältnisse einer schlich¬
ten Bürgerstadt, die für ihren lebhaften, nach Abwechselung dürsten¬
den Geist zu poesielos erscheinen muß ; jung noch an Geist und Kör¬
per; im Verkehr endlich mit Schriftstellern und Schriftstellerinnen, lag
der Gedanke nahe, ihre Zeit ebenfalls mit poetischen Arbeiten auszu¬
füllen. Therese ließ sich von ihrem alten Freunde Strombeet in Braun¬
schweig in die literarische Welt einführen. Ihre „Briefe aus dem
Süden" waren mit einem Vorwort ihres literarischen Protectors be¬
gleitet, das sich ganz dazu eignete, die Aufmerksamkeit des Publicums
auf sie zu ziehen, aber auch zugleich die Schwächen und Mängel der
Verfasserin scharf bezeichnete. Strombeet sprach ihr ein gutes Judi-
cium ab und wollte überhaupt die Ansichten der Verfasserin in keiner
Weife vertreten. Aufgemuntert durch den Erfolg ihres ersten Buchs,
wandte sich Frau von Bacheracht entschieden der Literatur zu. Gutz-
kow's Bekanntschaft, die sie wahrend der Anwesenheit desselben in
Hamburg machte, konnte sie in diesem Entschluß nur bestärken. Gutz-
kow nahm die Stelle Strombeet's ein; nur in anderer Weise. Daß
das junge Deutschland selbst in der Kritik galant sein konnte, bewies
der Verfasser Wally's in seinen verschiedenen Besprechungen über die
literarische Bedeutsamkeit dieser Frau. Wie giltig Gutzkow's kritisches
Urtheil auch sonst sein mag, hier hat es sich doch offenbar irre leiten
lassen durch die Keckheit und das äußere polirte Wesen, mit welchem
Therese auftrat. Wenn diese in der illustrirten Zeitung neben Georges
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[0618] III. Therese n»d ihre kritische« Freunde. (Eingesendet.) Unter den literarisch bekannten Personen, welche in Hamburg leben, wird eine Dame von Rang gegenwartig viel genannt: Frau von Nach eracht, die Tochter des russischen Gesandten, von Struve, in Hamburg. Sie schreibt unter dem Namen Therese. Eine der letzten Nummern der Jllustrirten Zeitung, brachte das wohl gelungene Porträt dieser Schriftstellerin und eine Analyse ihres literarischen Cha¬ rakters. Diese Kritik ist so überschwänglich ausgefallen, daß man wohl sieht, ihr Verfasser hat mit anderen Augen, als denen eines Kritikers, geschaut. Zur Herstellung einer richtigeren Würdigung des literari¬ schen Charakters der Frau von Bacheracht dürften daher einige Worte hier am geeigneten Platze sein. Ihr erstes Auftreten fällt in jene Epoche des weiblichen Lebens, die sich, als der Uebergang aus der rei¬ feren Zugend in das nahende Alter, bei den Frauen sehr häufig durch einen tieferen Ernst auszeichnet. Im Rückblick auf eine vielfach be¬ wegte Jugend, auf ein buntes Gemisch von glänzenden Erinnerungen, die ihr das Leben in diplomatischen Kreisen, am Petersburger Hose und an deutschen Höfen gab, gebannt in die Verhältnisse einer schlich¬ ten Bürgerstadt, die für ihren lebhaften, nach Abwechselung dürsten¬ den Geist zu poesielos erscheinen muß ; jung noch an Geist und Kör¬ per; im Verkehr endlich mit Schriftstellern und Schriftstellerinnen, lag der Gedanke nahe, ihre Zeit ebenfalls mit poetischen Arbeiten auszu¬ füllen. Therese ließ sich von ihrem alten Freunde Strombeet in Braun¬ schweig in die literarische Welt einführen. Ihre „Briefe aus dem Süden" waren mit einem Vorwort ihres literarischen Protectors be¬ gleitet, das sich ganz dazu eignete, die Aufmerksamkeit des Publicums auf sie zu ziehen, aber auch zugleich die Schwächen und Mängel der Verfasserin scharf bezeichnete. Strombeet sprach ihr ein gutes Judi- cium ab und wollte überhaupt die Ansichten der Verfasserin in keiner Weife vertreten. Aufgemuntert durch den Erfolg ihres ersten Buchs, wandte sich Frau von Bacheracht entschieden der Literatur zu. Gutz- kow's Bekanntschaft, die sie wahrend der Anwesenheit desselben in Hamburg machte, konnte sie in diesem Entschluß nur bestärken. Gutz- kow nahm die Stelle Strombeet's ein; nur in anderer Weise. Daß das junge Deutschland selbst in der Kritik galant sein konnte, bewies der Verfasser Wally's in seinen verschiedenen Besprechungen über die literarische Bedeutsamkeit dieser Frau. Wie giltig Gutzkow's kritisches Urtheil auch sonst sein mag, hier hat es sich doch offenbar irre leiten lassen durch die Keckheit und das äußere polirte Wesen, mit welchem Therese auftrat. Wenn diese in der illustrirten Zeitung neben Georges Sand gestellt, ja sogar über dieselbe erhoben wird; wenn die Kölnische

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/618>, abgerufen am 03.07.2024.