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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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werth ...... aber habe ich etwa deshalb den verehrten Herren Direkto¬
ren meine Feder contractlich überlassen, muß ich deshalb in die hier
gegenwärtig wieder stark anschwellende Reihe jener gehorsamst ergebe¬
nen Theaterklatsch-Fabrikanten treten, die ohne Gesinnung, Ueber¬
zeugung und eigentliches Interesse in Sachen der Kunst ihr kredit¬
loses Pensum in diesem oder jenem Journal ableiern, ihre Schreib¬
kiele statt in gewöhnliche Gallapselflüssigkett, in schmutzigen, klebrigen
Syrup tauchen, in jeder Zeile sechs Katzenbuckel und drei Kratzfüße
machen, die Schauspieler im Tadel nicht anfassen, sondern nur be¬
tüpfelt, sanftmüthig kitzeln, so daß man immer nicht recht weiß, ob
der scribere schmeicheln oder unhöflich sein will. Ueber solche Leute,
und schwatzten sie den horriblcsten Unsinn in Theaterdingen, beklagt
man sich nicht. Gott bewahre! Lebt auch im Innern die Verach¬
tung, oder besser die richtige Werthschäizung - - man muß nur, wie
ich vor Kurzem einmal, einen der Herren Theateroirectoren in vor-
sündfluthlicher Grobheit und Rücksichtslosigkeit sich über Hamburgische
Kritik aussprechen hören unter einem oder sechs Augen -- acht
waren schon zu viel ^ drückt man ihnen leutseligst die Hand, klopft
ihnen auf die Schulter, füllt ihnen die Taschen mit Ertrafreibillets
und handelt am Ende, gedenkt man hier der allgemeinen praktischen
Directionsklugheit, grundgeschcidt. Dies zugegeben, erwarte ich von
den ehrenwerthen Leitern des Hamburger Kunsttempcls nicht minder,
daß sie von einem Magister Katzenbuckel und Allerweltsfccund den
freien, unabhängigen Mann zu unterscheiden wissen, der, wie er mit
freudigstem Eifer alles Gute, Tüchtige, Ausgezeichnete eines Kunst-
institutes über die engen Localgrenzen hinaus zur öffentlichen Kennt¬
niß bringt, sich nicht minder für verpflichtet hält, wenn es die Um¬
stände bedingen, auch einmal Unangenehmes zu schreiben. Konnte
ich dafür, wenn Fama in einer allgemein besprochenen, sogar von
politischen Zeitungen erörterten Theatcrangelegenheit so Ungeheuer¬
liches plauderte? ^ Wahrheit oder Lüge, die Behauptung an und für
sich, vielfach gehört, war nicht die meine, also wird eine etwa bei
Ihnen eingelaufene "Erklärung" nur als gegen Madame Fama ge¬
richtet zu betrachten sein.


v.
Die Politik des Tages.

Auf den Grenzen stehen die Boten, und sie werfen einen Blick
über die Nachbarländer unwillkürlich, wenn der Donner des groben
Geschützes der Flotten und Landheere in ihre Ohren dröhnt. Den
Deutschen verrostet das Schwert in der Scheide und der Huf ver¬
fault an dem Fuße des Streitrosses. Anders im Lande der Franken,
wo die kampflustige Jugend unter Anführung der Fürstensöhne das


werth ...... aber habe ich etwa deshalb den verehrten Herren Direkto¬
ren meine Feder contractlich überlassen, muß ich deshalb in die hier
gegenwärtig wieder stark anschwellende Reihe jener gehorsamst ergebe¬
nen Theaterklatsch-Fabrikanten treten, die ohne Gesinnung, Ueber¬
zeugung und eigentliches Interesse in Sachen der Kunst ihr kredit¬
loses Pensum in diesem oder jenem Journal ableiern, ihre Schreib¬
kiele statt in gewöhnliche Gallapselflüssigkett, in schmutzigen, klebrigen
Syrup tauchen, in jeder Zeile sechs Katzenbuckel und drei Kratzfüße
machen, die Schauspieler im Tadel nicht anfassen, sondern nur be¬
tüpfelt, sanftmüthig kitzeln, so daß man immer nicht recht weiß, ob
der scribere schmeicheln oder unhöflich sein will. Ueber solche Leute,
und schwatzten sie den horriblcsten Unsinn in Theaterdingen, beklagt
man sich nicht. Gott bewahre! Lebt auch im Innern die Verach¬
tung, oder besser die richtige Werthschäizung - - man muß nur, wie
ich vor Kurzem einmal, einen der Herren Theateroirectoren in vor-
sündfluthlicher Grobheit und Rücksichtslosigkeit sich über Hamburgische
Kritik aussprechen hören unter einem oder sechs Augen — acht
waren schon zu viel ^ drückt man ihnen leutseligst die Hand, klopft
ihnen auf die Schulter, füllt ihnen die Taschen mit Ertrafreibillets
und handelt am Ende, gedenkt man hier der allgemeinen praktischen
Directionsklugheit, grundgeschcidt. Dies zugegeben, erwarte ich von
den ehrenwerthen Leitern des Hamburger Kunsttempcls nicht minder,
daß sie von einem Magister Katzenbuckel und Allerweltsfccund den
freien, unabhängigen Mann zu unterscheiden wissen, der, wie er mit
freudigstem Eifer alles Gute, Tüchtige, Ausgezeichnete eines Kunst-
institutes über die engen Localgrenzen hinaus zur öffentlichen Kennt¬
niß bringt, sich nicht minder für verpflichtet hält, wenn es die Um¬
stände bedingen, auch einmal Unangenehmes zu schreiben. Konnte
ich dafür, wenn Fama in einer allgemein besprochenen, sogar von
politischen Zeitungen erörterten Theatcrangelegenheit so Ungeheuer¬
liches plauderte? ^ Wahrheit oder Lüge, die Behauptung an und für
sich, vielfach gehört, war nicht die meine, also wird eine etwa bei
Ihnen eingelaufene „Erklärung" nur als gegen Madame Fama ge¬
richtet zu betrachten sein.


v.
Die Politik des Tages.

Auf den Grenzen stehen die Boten, und sie werfen einen Blick
über die Nachbarländer unwillkürlich, wenn der Donner des groben
Geschützes der Flotten und Landheere in ihre Ohren dröhnt. Den
Deutschen verrostet das Schwert in der Scheide und der Huf ver¬
fault an dem Fuße des Streitrosses. Anders im Lande der Franken,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/573>, abgerufen am 29.06.2024.