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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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Die Familie Martini.
Ein Lebensbild aus der neuesten Zeit.
Von
Frau von W. ' - -



Erste Abtheilung.

Die Fürstin Martini saß in ihrem Zimmer am Schreibtisch;
es war um die Mittagsstunde. Ihre ganze Umgebung trug eine fast
überladene Pracht zur Schau, die das Auge mehr blendete, als ihm
wohlthat und selbst der Eigenthümern fast aufgedrungen schien, denn
ein größeres Wohlgefallen daran hätte wohl mehr Sorgfalt auf die
Anordnung des Ganzen verwendet, welches ziemlich chaotisch durch
einander stand; feiner Geschmack wenigstens machte sich nirgends gel¬
tend. Da waren Massen von Vergoldungen an den Wänden und
dem Mobiliar, Spiegel an Spiegel, Gemälde -- und mitunter
herrliche Originale -- aber in unvortheilhaftester Beleuchtung bis an
den Plafond hinauf, von welchem wiederum schwere Kronleuchter
herabhingen. Kostbare Uhren, die mit jedem Schlag das Ohr
durch irgend eine Melodie belästigten; Postamente mit Bildhauer¬
arbeit, Vasen, künstliche und natürliche Blumen, Teppiche, Marmor¬
tische, reich gestickte Ottomanen und Sessel, und was der Lurus noch
mehr auf dem kleinen Punkt zusammengeschaart hatte. Die Besitze¬
rin all dieser Herrlichkeiten war dagegen in ein ganz einfaches, weißes
Negligv gehüllt und schien bei ihrer Arbeit, die zugleich Kopf und
Hand beschäftigte, sehr von der drückenden Wärme, die im Zimmer
herrschte, belästigt, denn sie wehte sich häufig dabei mit einem gold¬
gestickten Fächer, der neben ihr lag, Kühlung zu. Unstreitig mochte
wohl ihr anormales Embonpoint viel zu ihrer Erhitzung beitragen;


"Nreuzbvtc" I8i4. II. 31
Die Familie Martini.
Ein Lebensbild aus der neuesten Zeit.
Von
Frau von W. ' - -



Erste Abtheilung.

Die Fürstin Martini saß in ihrem Zimmer am Schreibtisch;
es war um die Mittagsstunde. Ihre ganze Umgebung trug eine fast
überladene Pracht zur Schau, die das Auge mehr blendete, als ihm
wohlthat und selbst der Eigenthümern fast aufgedrungen schien, denn
ein größeres Wohlgefallen daran hätte wohl mehr Sorgfalt auf die
Anordnung des Ganzen verwendet, welches ziemlich chaotisch durch
einander stand; feiner Geschmack wenigstens machte sich nirgends gel¬
tend. Da waren Massen von Vergoldungen an den Wänden und
dem Mobiliar, Spiegel an Spiegel, Gemälde — und mitunter
herrliche Originale — aber in unvortheilhaftester Beleuchtung bis an
den Plafond hinauf, von welchem wiederum schwere Kronleuchter
herabhingen. Kostbare Uhren, die mit jedem Schlag das Ohr
durch irgend eine Melodie belästigten; Postamente mit Bildhauer¬
arbeit, Vasen, künstliche und natürliche Blumen, Teppiche, Marmor¬
tische, reich gestickte Ottomanen und Sessel, und was der Lurus noch
mehr auf dem kleinen Punkt zusammengeschaart hatte. Die Besitze¬
rin all dieser Herrlichkeiten war dagegen in ein ganz einfaches, weißes
Negligv gehüllt und schien bei ihrer Arbeit, die zugleich Kopf und
Hand beschäftigte, sehr von der drückenden Wärme, die im Zimmer
herrschte, belästigt, denn sie wehte sich häufig dabei mit einem gold¬
gestickten Fächer, der neben ihr lag, Kühlung zu. Unstreitig mochte
wohl ihr anormales Embonpoint viel zu ihrer Erhitzung beitragen;


«Nreuzbvtc» I8i4. II. 31
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[0249] Die Familie Martini. Ein Lebensbild aus der neuesten Zeit. Von Frau von W. ' - - Erste Abtheilung. Die Fürstin Martini saß in ihrem Zimmer am Schreibtisch; es war um die Mittagsstunde. Ihre ganze Umgebung trug eine fast überladene Pracht zur Schau, die das Auge mehr blendete, als ihm wohlthat und selbst der Eigenthümern fast aufgedrungen schien, denn ein größeres Wohlgefallen daran hätte wohl mehr Sorgfalt auf die Anordnung des Ganzen verwendet, welches ziemlich chaotisch durch einander stand; feiner Geschmack wenigstens machte sich nirgends gel¬ tend. Da waren Massen von Vergoldungen an den Wänden und dem Mobiliar, Spiegel an Spiegel, Gemälde — und mitunter herrliche Originale — aber in unvortheilhaftester Beleuchtung bis an den Plafond hinauf, von welchem wiederum schwere Kronleuchter herabhingen. Kostbare Uhren, die mit jedem Schlag das Ohr durch irgend eine Melodie belästigten; Postamente mit Bildhauer¬ arbeit, Vasen, künstliche und natürliche Blumen, Teppiche, Marmor¬ tische, reich gestickte Ottomanen und Sessel, und was der Lurus noch mehr auf dem kleinen Punkt zusammengeschaart hatte. Die Besitze¬ rin all dieser Herrlichkeiten war dagegen in ein ganz einfaches, weißes Negligv gehüllt und schien bei ihrer Arbeit, die zugleich Kopf und Hand beschäftigte, sehr von der drückenden Wärme, die im Zimmer herrschte, belästigt, denn sie wehte sich häufig dabei mit einem gold¬ gestickten Fächer, der neben ihr lag, Kühlung zu. Unstreitig mochte wohl ihr anormales Embonpoint viel zu ihrer Erhitzung beitragen; «Nreuzbvtc» I8i4. II. 31

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/249>, abgerufen am 29.06.2024.