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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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vollen Komponisten -- eine Seite, von der er bisher wenig bekannt
war -- hat man ihn diesmal hier kennen gelernt. So hat er unter
Anderm unserer Singakademie eine schöne Composition von Schiller's
"Auch das Schöne muß sterben" mitgebracht und gewidmet.
"

Viel besprochen wird die von der "Kölnischen Zeitung gebrachte
Nachricht, daß ein durch seine Lebendigkeit bekannter Hegelianer, l)>.
Agathem Bmary, die Fahne dieser philosophisch-politischen Partei ver¬
lassen und mit deren Gegnern unterhandelt habe. Es wäre traurig,
wenn sich dieser neue Abfall bestätigte, aber wir glauben nicht daran,
trotzdem daß die Erklärung, die Herr Bmary darüber in den hiesigen
Zeitungen veröffentlichte, nicht geradezu auf die Sache losging und
sich dasjenige, was eigentlich darüber Licht zu geben vermag, noch
vorbehielt.

Zu Frankfurt an der Oder, wo während der eben stattfindenden
Messe der durch seine Skurrilitäten und schlechten Witze bekannte Wein¬
wirth Louis Drucker Gastrollen im Theater angekündigt hatte, kam
es in demselben vor einigen Tagen zu sehr ernsten Auftritten, indem
das Publicum die ihm dargebotenen Obscönitätcn mit einem Takt, den
wir der Masse nicht zugetraut hatten, nicht dulden wollte und den
auf die Bühne nicht gehörenden Weinwicth von den Brettern hinunter¬
Justus. warf.


III.
Aus B r e 6 l a ".

Die Censur und das Obercensurgericht. -- Bettina. -- Die Polizei gegen den
König. -- Revolutionäres Beamtenthum. -- Herr von Merckel. -- Die ge¬
kreuzte Null. -- Herr von Ebertz.

Wenn Herr Feodor West wöchentlich an die Elegante schreibt,
daß er Nichts zu schreiben weiß, so wären Sie bald um meinen Be¬
richt gekommen, weil ich zu viel weiß. In der That, Schlesien ist
jetzt ein wahres Schlaraffenland für Eorrespondenten, der Stoff läuft
auf allen Gassen umher, fertig und mundrecht, die Feder im Rücken,
man darf nur zulangen. Indem ich mir überlege, was ich Ihnen
schreiben soll, hat sich die Masse des Stoffes bald in zwei Hälften
gesondert; hier der außerordentlich zahme, der sich in Juc,i verarbeiten
läßt, und dort der zahme schlechtweg, der sich vor ver Scheere des
Censors fürchtet und deshalb emigriren muß. Ja, unsere Censur!
In ihrer Naturgeschichte gehört der Hase zum reißenden Geschlechte
der Bären, und eine unschuldige Eintagsfliege wird gemordet, weil
das Vergrößerungsglas einen Ansatz von Krallen an ihr entdeckt.
Dürfte ich mir etwas wünschen, so würde ich um eine Besitzung
bitten, die ich mit den Breslauer Censurstrichen des Zeitraums vom
5. Juni bis heute umspannen könnte. Ich glaube, ich käme besser


vollen Komponisten — eine Seite, von der er bisher wenig bekannt
war — hat man ihn diesmal hier kennen gelernt. So hat er unter
Anderm unserer Singakademie eine schöne Composition von Schiller's
„Auch das Schöne muß sterben" mitgebracht und gewidmet.
"

Viel besprochen wird die von der „Kölnischen Zeitung gebrachte
Nachricht, daß ein durch seine Lebendigkeit bekannter Hegelianer, l)>.
Agathem Bmary, die Fahne dieser philosophisch-politischen Partei ver¬
lassen und mit deren Gegnern unterhandelt habe. Es wäre traurig,
wenn sich dieser neue Abfall bestätigte, aber wir glauben nicht daran,
trotzdem daß die Erklärung, die Herr Bmary darüber in den hiesigen
Zeitungen veröffentlichte, nicht geradezu auf die Sache losging und
sich dasjenige, was eigentlich darüber Licht zu geben vermag, noch
vorbehielt.

Zu Frankfurt an der Oder, wo während der eben stattfindenden
Messe der durch seine Skurrilitäten und schlechten Witze bekannte Wein¬
wirth Louis Drucker Gastrollen im Theater angekündigt hatte, kam
es in demselben vor einigen Tagen zu sehr ernsten Auftritten, indem
das Publicum die ihm dargebotenen Obscönitätcn mit einem Takt, den
wir der Masse nicht zugetraut hatten, nicht dulden wollte und den
auf die Bühne nicht gehörenden Weinwicth von den Brettern hinunter¬
Justus. warf.


III.
Aus B r e 6 l a ».

Die Censur und das Obercensurgericht. — Bettina. — Die Polizei gegen den
König. — Revolutionäres Beamtenthum. — Herr von Merckel. — Die ge¬
kreuzte Null. — Herr von Ebertz.

Wenn Herr Feodor West wöchentlich an die Elegante schreibt,
daß er Nichts zu schreiben weiß, so wären Sie bald um meinen Be¬
richt gekommen, weil ich zu viel weiß. In der That, Schlesien ist
jetzt ein wahres Schlaraffenland für Eorrespondenten, der Stoff läuft
auf allen Gassen umher, fertig und mundrecht, die Feder im Rücken,
man darf nur zulangen. Indem ich mir überlege, was ich Ihnen
schreiben soll, hat sich die Masse des Stoffes bald in zwei Hälften
gesondert; hier der außerordentlich zahme, der sich in Juc,i verarbeiten
läßt, und dort der zahme schlechtweg, der sich vor ver Scheere des
Censors fürchtet und deshalb emigriren muß. Ja, unsere Censur!
In ihrer Naturgeschichte gehört der Hase zum reißenden Geschlechte
der Bären, und eine unschuldige Eintagsfliege wird gemordet, weil
das Vergrößerungsglas einen Ansatz von Krallen an ihr entdeckt.
Dürfte ich mir etwas wünschen, so würde ich um eine Besitzung
bitten, die ich mit den Breslauer Censurstrichen des Zeitraums vom
5. Juni bis heute umspannen könnte. Ich glaube, ich käme besser


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/192>, abgerufen am 22.12.2024.