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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band.

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Gin Ausflug nach Skandinavien
von
Eduard Boas.



II.

Kalmar. -- Die Scheeren. -- Nach Stockholm.

Ziemlich gut und ruhig verging die Nacht, doch um drei Uhr
weckien mich Kanonenschüsse -- wir waren auf der Rhede von Kal¬
mar. Ich sprang vom Lager und eilte aufs Deck, wo eben keine
warme Luft wehte. Mein Freund und Gefährte, der Däne, sagte
mir herzlich Lebewohl und stieg in's Boot, das ihn zum Lande brin¬
gen sollte. Dort drüben lag, hart an den Meereswogen, vom kalten
Morgennebel umwallt, die Stadt mit ihren blutrothen Häusern und
mit der grauen Kuppelkirche, einer Moschee ähnlich. Etwas entfern¬
ter zeigte sich das alte Schloß. Hierher berief Margaretha, die nor¬
dische Semiramis, im Jahre 1397 die Stände der drei skandinavi¬
schen Reiche, denn sie hatte die Kronen von Dänemark, Schweden
und Norwegen auf ihrem Haupte vereinigt. Hier schmolz sie die
widerstrebenden Elemente zu Einer Monarchie zusammen und gab
ein feierliches Gesetz, die kalmarische Union, das sich auf drei Haupt¬
pfeiler stützte. Erstens: der König wird gewählt; -- zweitens: er
bewohnt abwechselnd alle Lande seiner Herrschaft; -- drittens: un¬
angetastet bleiben jedem Reiche sein Senat, seine Rechte und sein ur¬
sprüngliches Gesetz. Durch diese Union büßte Skandinavien Glück
und Freiheit ein. Schon Margaretha verletzte alle Punkte derselben,
und nach ihrem Tode wälzten sich langwierige Kriege über den Staat.

Roth ging die Sonne hinter Oeland auf, als unser Schiff wie¬
der in Gang kam, und vor ihren Strahlen zogen die Dünste in
ganzen Ballen sort -- Kalmar zeigte sich in vollster Morgenhelle.


Wrcnzbotcn 184i. II. 22
Gin Ausflug nach Skandinavien
von
Eduard Boas.



II.

Kalmar. — Die Scheeren. — Nach Stockholm.

Ziemlich gut und ruhig verging die Nacht, doch um drei Uhr
weckien mich Kanonenschüsse — wir waren auf der Rhede von Kal¬
mar. Ich sprang vom Lager und eilte aufs Deck, wo eben keine
warme Luft wehte. Mein Freund und Gefährte, der Däne, sagte
mir herzlich Lebewohl und stieg in's Boot, das ihn zum Lande brin¬
gen sollte. Dort drüben lag, hart an den Meereswogen, vom kalten
Morgennebel umwallt, die Stadt mit ihren blutrothen Häusern und
mit der grauen Kuppelkirche, einer Moschee ähnlich. Etwas entfern¬
ter zeigte sich das alte Schloß. Hierher berief Margaretha, die nor¬
dische Semiramis, im Jahre 1397 die Stände der drei skandinavi¬
schen Reiche, denn sie hatte die Kronen von Dänemark, Schweden
und Norwegen auf ihrem Haupte vereinigt. Hier schmolz sie die
widerstrebenden Elemente zu Einer Monarchie zusammen und gab
ein feierliches Gesetz, die kalmarische Union, das sich auf drei Haupt¬
pfeiler stützte. Erstens: der König wird gewählt; — zweitens: er
bewohnt abwechselnd alle Lande seiner Herrschaft; — drittens: un¬
angetastet bleiben jedem Reiche sein Senat, seine Rechte und sein ur¬
sprüngliches Gesetz. Durch diese Union büßte Skandinavien Glück
und Freiheit ein. Schon Margaretha verletzte alle Punkte derselben,
und nach ihrem Tode wälzten sich langwierige Kriege über den Staat.

Roth ging die Sonne hinter Oeland auf, als unser Schiff wie¬
der in Gang kam, und vor ihren Strahlen zogen die Dünste in
ganzen Ballen sort — Kalmar zeigte sich in vollster Morgenhelle.


Wrcnzbotcn 184i. II. 22
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[0177] Gin Ausflug nach Skandinavien von Eduard Boas. II. Kalmar. — Die Scheeren. — Nach Stockholm. Ziemlich gut und ruhig verging die Nacht, doch um drei Uhr weckien mich Kanonenschüsse — wir waren auf der Rhede von Kal¬ mar. Ich sprang vom Lager und eilte aufs Deck, wo eben keine warme Luft wehte. Mein Freund und Gefährte, der Däne, sagte mir herzlich Lebewohl und stieg in's Boot, das ihn zum Lande brin¬ gen sollte. Dort drüben lag, hart an den Meereswogen, vom kalten Morgennebel umwallt, die Stadt mit ihren blutrothen Häusern und mit der grauen Kuppelkirche, einer Moschee ähnlich. Etwas entfern¬ ter zeigte sich das alte Schloß. Hierher berief Margaretha, die nor¬ dische Semiramis, im Jahre 1397 die Stände der drei skandinavi¬ schen Reiche, denn sie hatte die Kronen von Dänemark, Schweden und Norwegen auf ihrem Haupte vereinigt. Hier schmolz sie die widerstrebenden Elemente zu Einer Monarchie zusammen und gab ein feierliches Gesetz, die kalmarische Union, das sich auf drei Haupt¬ pfeiler stützte. Erstens: der König wird gewählt; — zweitens: er bewohnt abwechselnd alle Lande seiner Herrschaft; — drittens: un¬ angetastet bleiben jedem Reiche sein Senat, seine Rechte und sein ur¬ sprüngliches Gesetz. Durch diese Union büßte Skandinavien Glück und Freiheit ein. Schon Margaretha verletzte alle Punkte derselben, und nach ihrem Tode wälzten sich langwierige Kriege über den Staat. Roth ging die Sonne hinter Oeland auf, als unser Schiff wie¬ der in Gang kam, und vor ihren Strahlen zogen die Dünste in ganzen Ballen sort — Kalmar zeigte sich in vollster Morgenhelle. Wrcnzbotcn 184i. II. 22

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_180558/177>, abgerufen am 29.06.2024.