reren Jahren prophezeiht, und immer gibt es neue Hindernisse, die den alten Fritz nicht in die Oeffentlichkeit lassen. Erst hieß es, man fürchte die Censur. Der berühmte Fritz war bekanntlich nicht sehr christlich- germanisch, und Preußen wäre in das Dilemma gekommen, entweder seinen größten Mann, oder seinen jetzigen religiös-romantischen Nim¬ bus verläugnen zu müssen. Allein auch da ließe sich helfen. Einiges könnte ein schöpferisch begabter Censor umgießen, Anderes ließe sich durch den Umstand entschuldigen, daß Friedrich es nicht als König, sondern als Kronprinz, also gewissermaßen mit noch "beschränkten Un- terthanenverstande" geschrieben. Jetzt ist man auf eine neue Klippe ge¬ stoßen. Man hat plötzlich entdeckt, daß Friedrich der Große in der Orthographie und Grammatik seines Französisch und auch in anderen Dingen mehr Böcke, als seine Armee in allen Schlachten Feinde ge¬ schossen hat. Also wieder ein Dilemma. Soll man den angebeteten Fritz als einen ungeschulten, ungebildeten, autodidaktischen Menschen erscheinen lassen? Wird die Berliner Intelligenz so viel Pietät besiz- zen, um sich nicht über die Unwissenheit des berühmten Königs zu moquiren? Oder soll man selber die Impietät begehen und, wie Schlegel angerathen hat, dem Helden sein Gewand sauber ausbür¬ sten und Manschetten anziehen, d. h. ihn sauber corrigiren und einen eleganteren Styl schreiben lassen? Wir möchten doch lieber vorschla¬ gen, den Fritz mit Haut und Haar zu geben. Man sollte bedenken, daß Napoleon auch ein schlechter Sprachmeister gewesen wäre und die Orthographie mit der Willkür eines orientalischen Despoten mißhan¬ delt hat. Friedrich hat ja auch andere Böcke geschossen, als stylistische, und ist doch Friedrich. .
IV. D e v e w ig e I " d c.
Im Jahre 1834 erwartete ganz Deutschland mit Herzpochen die Ankunft der Cholera. Im Jahre 1844 erwartet man mit ähn¬ lichem Herzpochen die Ankunft des ewigen Juden. Die Anstalten zu seinem Empfange sind dieselben; als man für die Cholera sich rü¬ stete, wurden in den Spitälern neue Betten aufgestellt, mehr Kran¬ kenwärter engagirt, Bauchpflaster geschmiert u. s. w. Nun man für den ewigen Juden sich rüstet, da werden in den Druckereien neue Pressen in Bereitschaft gehalten, mehr Uebersetzer engagirt, Papierbal¬ len geglättet. Wo wird der ewige Jude zuerst ausbrechen? In Leip¬ zig stehen die Druckermngen der Deutschen Allgemeinen Zeitung von früh bis Abends auf dem Nicolaithurm und sehen nach der Frank¬ furter Straße, ob er kommt. Die Kollmann'sche Buchhandlung hat schon vor mehreren Wochen Commissäre nach Paris geschickt, um die große Erscheinung an Ort und Stelle zu studiren und mit dem be-
reren Jahren prophezeiht, und immer gibt es neue Hindernisse, die den alten Fritz nicht in die Oeffentlichkeit lassen. Erst hieß es, man fürchte die Censur. Der berühmte Fritz war bekanntlich nicht sehr christlich- germanisch, und Preußen wäre in das Dilemma gekommen, entweder seinen größten Mann, oder seinen jetzigen religiös-romantischen Nim¬ bus verläugnen zu müssen. Allein auch da ließe sich helfen. Einiges könnte ein schöpferisch begabter Censor umgießen, Anderes ließe sich durch den Umstand entschuldigen, daß Friedrich es nicht als König, sondern als Kronprinz, also gewissermaßen mit noch „beschränkten Un- terthanenverstande" geschrieben. Jetzt ist man auf eine neue Klippe ge¬ stoßen. Man hat plötzlich entdeckt, daß Friedrich der Große in der Orthographie und Grammatik seines Französisch und auch in anderen Dingen mehr Böcke, als seine Armee in allen Schlachten Feinde ge¬ schossen hat. Also wieder ein Dilemma. Soll man den angebeteten Fritz als einen ungeschulten, ungebildeten, autodidaktischen Menschen erscheinen lassen? Wird die Berliner Intelligenz so viel Pietät besiz- zen, um sich nicht über die Unwissenheit des berühmten Königs zu moquiren? Oder soll man selber die Impietät begehen und, wie Schlegel angerathen hat, dem Helden sein Gewand sauber ausbür¬ sten und Manschetten anziehen, d. h. ihn sauber corrigiren und einen eleganteren Styl schreiben lassen? Wir möchten doch lieber vorschla¬ gen, den Fritz mit Haut und Haar zu geben. Man sollte bedenken, daß Napoleon auch ein schlechter Sprachmeister gewesen wäre und die Orthographie mit der Willkür eines orientalischen Despoten mißhan¬ delt hat. Friedrich hat ja auch andere Böcke geschossen, als stylistische, und ist doch Friedrich. .
IV. D e v e w ig e I » d c.
Im Jahre 1834 erwartete ganz Deutschland mit Herzpochen die Ankunft der Cholera. Im Jahre 1844 erwartet man mit ähn¬ lichem Herzpochen die Ankunft des ewigen Juden. Die Anstalten zu seinem Empfange sind dieselben; als man für die Cholera sich rü¬ stete, wurden in den Spitälern neue Betten aufgestellt, mehr Kran¬ kenwärter engagirt, Bauchpflaster geschmiert u. s. w. Nun man für den ewigen Juden sich rüstet, da werden in den Druckereien neue Pressen in Bereitschaft gehalten, mehr Uebersetzer engagirt, Papierbal¬ len geglättet. Wo wird der ewige Jude zuerst ausbrechen? In Leip¬ zig stehen die Druckermngen der Deutschen Allgemeinen Zeitung von früh bis Abends auf dem Nicolaithurm und sehen nach der Frank¬ furter Straße, ob er kommt. Die Kollmann'sche Buchhandlung hat schon vor mehreren Wochen Commissäre nach Paris geschickt, um die große Erscheinung an Ort und Stelle zu studiren und mit dem be-
<TEI><text><body><div><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0837"corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/180550"/><pxml:id="ID_2123"prev="#ID_2122"> reren Jahren prophezeiht, und immer gibt es neue Hindernisse, die den<lb/>
alten Fritz nicht in die Oeffentlichkeit lassen. Erst hieß es, man fürchte<lb/>
die Censur. Der berühmte Fritz war bekanntlich nicht sehr christlich-<lb/>
germanisch, und Preußen wäre in das Dilemma gekommen, entweder<lb/>
seinen größten Mann, oder seinen jetzigen religiös-romantischen Nim¬<lb/>
bus verläugnen zu müssen. Allein auch da ließe sich helfen. Einiges<lb/>
könnte ein schöpferisch begabter Censor umgießen, Anderes ließe sich<lb/>
durch den Umstand entschuldigen, daß Friedrich es nicht als König,<lb/>
sondern als Kronprinz, also gewissermaßen mit noch „beschränkten Un-<lb/>
terthanenverstande" geschrieben. Jetzt ist man auf eine neue Klippe ge¬<lb/>
stoßen. Man hat plötzlich entdeckt, daß Friedrich der Große in der<lb/>
Orthographie und Grammatik seines Französisch und auch in anderen<lb/>
Dingen mehr Böcke, als seine Armee in allen Schlachten Feinde ge¬<lb/>
schossen hat. Also wieder ein Dilemma. Soll man den angebeteten<lb/>
Fritz als einen ungeschulten, ungebildeten, autodidaktischen Menschen<lb/>
erscheinen lassen? Wird die Berliner Intelligenz so viel Pietät besiz-<lb/>
zen, um sich nicht über die Unwissenheit des berühmten Königs zu<lb/>
moquiren? Oder soll man selber die Impietät begehen und, wie<lb/>
Schlegel angerathen hat, dem Helden sein Gewand sauber ausbür¬<lb/>
sten und Manschetten anziehen, d. h. ihn sauber corrigiren und einen<lb/>
eleganteren Styl schreiben lassen? Wir möchten doch lieber vorschla¬<lb/>
gen, den Fritz mit Haut und Haar zu geben. Man sollte bedenken,<lb/>
daß Napoleon auch ein schlechter Sprachmeister gewesen wäre und die<lb/>
Orthographie mit der Willkür eines orientalischen Despoten mißhan¬<lb/>
delt hat. Friedrich hat ja auch andere Böcke geschossen, als stylistische,<lb/>
und ist doch Friedrich. .</p><lb/></div><divn="2"><head> IV.<lb/>
D e v e w ig e I » d c.</head><lb/><pxml:id="ID_2124"next="#ID_2125"> Im Jahre 1834 erwartete ganz Deutschland mit Herzpochen<lb/>
die Ankunft der Cholera. Im Jahre 1844 erwartet man mit ähn¬<lb/>
lichem Herzpochen die Ankunft des ewigen Juden. Die Anstalten<lb/>
zu seinem Empfange sind dieselben; als man für die Cholera sich rü¬<lb/>
stete, wurden in den Spitälern neue Betten aufgestellt, mehr Kran¬<lb/>
kenwärter engagirt, Bauchpflaster geschmiert u. s. w. Nun man für<lb/>
den ewigen Juden sich rüstet, da werden in den Druckereien neue<lb/>
Pressen in Bereitschaft gehalten, mehr Uebersetzer engagirt, Papierbal¬<lb/>
len geglättet. Wo wird der ewige Jude zuerst ausbrechen? In Leip¬<lb/>
zig stehen die Druckermngen der Deutschen Allgemeinen Zeitung von<lb/>
früh bis Abends auf dem Nicolaithurm und sehen nach der Frank¬<lb/>
furter Straße, ob er kommt. Die Kollmann'sche Buchhandlung hat<lb/>
schon vor mehreren Wochen Commissäre nach Paris geschickt, um die<lb/>
große Erscheinung an Ort und Stelle zu studiren und mit dem be-</p><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[0837]
reren Jahren prophezeiht, und immer gibt es neue Hindernisse, die den
alten Fritz nicht in die Oeffentlichkeit lassen. Erst hieß es, man fürchte
die Censur. Der berühmte Fritz war bekanntlich nicht sehr christlich-
germanisch, und Preußen wäre in das Dilemma gekommen, entweder
seinen größten Mann, oder seinen jetzigen religiös-romantischen Nim¬
bus verläugnen zu müssen. Allein auch da ließe sich helfen. Einiges
könnte ein schöpferisch begabter Censor umgießen, Anderes ließe sich
durch den Umstand entschuldigen, daß Friedrich es nicht als König,
sondern als Kronprinz, also gewissermaßen mit noch „beschränkten Un-
terthanenverstande" geschrieben. Jetzt ist man auf eine neue Klippe ge¬
stoßen. Man hat plötzlich entdeckt, daß Friedrich der Große in der
Orthographie und Grammatik seines Französisch und auch in anderen
Dingen mehr Böcke, als seine Armee in allen Schlachten Feinde ge¬
schossen hat. Also wieder ein Dilemma. Soll man den angebeteten
Fritz als einen ungeschulten, ungebildeten, autodidaktischen Menschen
erscheinen lassen? Wird die Berliner Intelligenz so viel Pietät besiz-
zen, um sich nicht über die Unwissenheit des berühmten Königs zu
moquiren? Oder soll man selber die Impietät begehen und, wie
Schlegel angerathen hat, dem Helden sein Gewand sauber ausbür¬
sten und Manschetten anziehen, d. h. ihn sauber corrigiren und einen
eleganteren Styl schreiben lassen? Wir möchten doch lieber vorschla¬
gen, den Fritz mit Haut und Haar zu geben. Man sollte bedenken,
daß Napoleon auch ein schlechter Sprachmeister gewesen wäre und die
Orthographie mit der Willkür eines orientalischen Despoten mißhan¬
delt hat. Friedrich hat ja auch andere Böcke geschossen, als stylistische,
und ist doch Friedrich. .
IV.
D e v e w ig e I » d c.
Im Jahre 1834 erwartete ganz Deutschland mit Herzpochen
die Ankunft der Cholera. Im Jahre 1844 erwartet man mit ähn¬
lichem Herzpochen die Ankunft des ewigen Juden. Die Anstalten
zu seinem Empfange sind dieselben; als man für die Cholera sich rü¬
stete, wurden in den Spitälern neue Betten aufgestellt, mehr Kran¬
kenwärter engagirt, Bauchpflaster geschmiert u. s. w. Nun man für
den ewigen Juden sich rüstet, da werden in den Druckereien neue
Pressen in Bereitschaft gehalten, mehr Uebersetzer engagirt, Papierbal¬
len geglättet. Wo wird der ewige Jude zuerst ausbrechen? In Leip¬
zig stehen die Druckermngen der Deutschen Allgemeinen Zeitung von
früh bis Abends auf dem Nicolaithurm und sehen nach der Frank¬
furter Straße, ob er kommt. Die Kollmann'sche Buchhandlung hat
schon vor mehreren Wochen Commissäre nach Paris geschickt, um die
große Erscheinung an Ort und Stelle zu studiren und mit dem be-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:
Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.
Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;
Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/837>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.