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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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Plaudereien,

Das Brüsseler Theater war dieser Tage der Schauplatz eines Heftigen
Kampfes. Eine junge Sängerin -- Demoiselle Kurtz -- wurde von der Ad¬
ministration für die diesjährige Theatersaison engagirt. Dem. Kurtz ist eine
Deutsche, die noch nie die Bühne betreten hatte, welche aber ihre Gesangesaus¬
bildung in Paris bet mehren guten Meistern gemacht Hat. Ein junges achtzehn¬
jähriges Mädchen, von Hoher, schlanker Gestalt, mit einer frischen, klangvollen
Stimme, in Paris gebildet, würde für jedes deutsche Theater ein willkomme¬
ner Fund sein. Aus französischen Bühnen, wo die Leidenschaft outrirt werden
muß, um Eingang in das Herz der Zuschauer zu erobern, ist das Spiel und
der Gesang eines unverdorbenen deutschen Mädchens zu decent. Dem. Kurtz>
die Tochter einer achtbaren Familie, die aus ihrem elterlichen Hause zum Er¬
stenmale auf die Bühne tritt, versteht noch die unglückliche Kunst der franzosi--
fchenTheaterheldinnennicht,mit den Augen so zu spielen,daß jeder Lieutenant im
Parterre, und jeder Geck in den Logen glaubt, sie wende sich ganz allein an
ihn. Die Administration, welche dieses fühlte, wollte nach den ersten beiden
Debütrvllen den Contrakt rückgängig machen. Nach der französischen Theater¬
ordnung ist es Aämlich Gebrauch, daß jedes neu engagirte Mitglied drei De¬
bütrollen giebt, und daß der mit ihr abgeschlossene Contrakt erst dann seine
Gültigkeit erhält, wenn es bei dem dritten Debüt von dem Publikum acceptirt
worden ist. , Um nun die dritte Probevorstellung der Dem. Kurtz entschieden zu
stürzen, soll--wie wenigstens im Publikum erzählt wurde--die Administration
selbst Personen aufgestellt Haben, welche durch Zischen und Pfeifen die neue
Sängerin empfangen und begleiten sollten. Andererseits Hatten viele in Brüssel
wohnende Deutsche sich vorgenommen, die Ehre ihrer Landsmännin zu retten.


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Plaudereien,

Das Brüsseler Theater war dieser Tage der Schauplatz eines Heftigen
Kampfes. Eine junge Sängerin — Demoiselle Kurtz — wurde von der Ad¬
ministration für die diesjährige Theatersaison engagirt. Dem. Kurtz ist eine
Deutsche, die noch nie die Bühne betreten hatte, welche aber ihre Gesangesaus¬
bildung in Paris bet mehren guten Meistern gemacht Hat. Ein junges achtzehn¬
jähriges Mädchen, von Hoher, schlanker Gestalt, mit einer frischen, klangvollen
Stimme, in Paris gebildet, würde für jedes deutsche Theater ein willkomme¬
ner Fund sein. Aus französischen Bühnen, wo die Leidenschaft outrirt werden
muß, um Eingang in das Herz der Zuschauer zu erobern, ist das Spiel und
der Gesang eines unverdorbenen deutschen Mädchens zu decent. Dem. Kurtz>
die Tochter einer achtbaren Familie, die aus ihrem elterlichen Hause zum Er¬
stenmale auf die Bühne tritt, versteht noch die unglückliche Kunst der franzosi--
fchenTheaterheldinnennicht,mit den Augen so zu spielen,daß jeder Lieutenant im
Parterre, und jeder Geck in den Logen glaubt, sie wende sich ganz allein an
ihn. Die Administration, welche dieses fühlte, wollte nach den ersten beiden
Debütrvllen den Contrakt rückgängig machen. Nach der französischen Theater¬
ordnung ist es Aämlich Gebrauch, daß jedes neu engagirte Mitglied drei De¬
bütrollen giebt, und daß der mit ihr abgeschlossene Contrakt erst dann seine
Gültigkeit erhält, wenn es bei dem dritten Debüt von dem Publikum acceptirt
worden ist. , Um nun die dritte Probevorstellung der Dem. Kurtz entschieden zu
stürzen, soll—wie wenigstens im Publikum erzählt wurde—die Administration
selbst Personen aufgestellt Haben, welche durch Zischen und Pfeifen die neue
Sängerin empfangen und begleiten sollten. Andererseits Hatten viele in Brüssel
wohnende Deutsche sich vorgenommen, die Ehre ihrer Landsmännin zu retten.


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[0667] T a g e due Plaudereien, Das Brüsseler Theater war dieser Tage der Schauplatz eines Heftigen Kampfes. Eine junge Sängerin — Demoiselle Kurtz — wurde von der Ad¬ ministration für die diesjährige Theatersaison engagirt. Dem. Kurtz ist eine Deutsche, die noch nie die Bühne betreten hatte, welche aber ihre Gesangesaus¬ bildung in Paris bet mehren guten Meistern gemacht Hat. Ein junges achtzehn¬ jähriges Mädchen, von Hoher, schlanker Gestalt, mit einer frischen, klangvollen Stimme, in Paris gebildet, würde für jedes deutsche Theater ein willkomme¬ ner Fund sein. Aus französischen Bühnen, wo die Leidenschaft outrirt werden muß, um Eingang in das Herz der Zuschauer zu erobern, ist das Spiel und der Gesang eines unverdorbenen deutschen Mädchens zu decent. Dem. Kurtz> die Tochter einer achtbaren Familie, die aus ihrem elterlichen Hause zum Er¬ stenmale auf die Bühne tritt, versteht noch die unglückliche Kunst der franzosi-- fchenTheaterheldinnennicht,mit den Augen so zu spielen,daß jeder Lieutenant im Parterre, und jeder Geck in den Logen glaubt, sie wende sich ganz allein an ihn. Die Administration, welche dieses fühlte, wollte nach den ersten beiden Debütrvllen den Contrakt rückgängig machen. Nach der französischen Theater¬ ordnung ist es Aämlich Gebrauch, daß jedes neu engagirte Mitglied drei De¬ bütrollen giebt, und daß der mit ihr abgeschlossene Contrakt erst dann seine Gültigkeit erhält, wenn es bei dem dritten Debüt von dem Publikum acceptirt worden ist. , Um nun die dritte Probevorstellung der Dem. Kurtz entschieden zu stürzen, soll—wie wenigstens im Publikum erzählt wurde—die Administration selbst Personen aufgestellt Haben, welche durch Zischen und Pfeifen die neue Sängerin empfangen und begleiten sollten. Andererseits Hatten viele in Brüssel wohnende Deutsche sich vorgenommen, die Ehre ihrer Landsmännin zu retten. 63*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/667>, abgerufen am 22.12.2024.