Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

Bild:
<< vorherige Seite

sichtigung finden werden. Aus Stuttgart schreibt man "us, es sei die Rede, den
dort lebenden Schriftsteller Bührlen zum'interimistischen Redakteur zu machen.
Wir wissen nicht, ob wir diesem Gerüchte Glauben schenken sollen.




Dumas, Schillci! und das Chaeivari.

Ein neues Drama in fünf Akten von Alerander Dumas ist im rilci^t-e rr-,n-
o-ti- zur!Aufführung!,'gekommen; es führt den Titel Lorenzino, und der Verfas¬
ser hat darin den Schiller auf eine unverschämte Weise geplündert. Aber diesmal hat
die deutsche^Poesie ihren Anwalt gefunden, der sich entrüstet und zornig unserer
annimmt. Und wer ist dieser Edle? Der Charivari, kein anderer als der bos¬
hafte journalistische Harlekin! Der Charivari nimmt sich der Deutschen an, er
will dem Alexander Dumas die deutsche Beute aus den Zähnen reißen -- welche
rührende Ehrlichkeit; zuletzt lassen sie uns dennoch unsern freien deutschen Rhein.
Was wird die oberdeutsche Zeitung sagen? Folgendes ist die Stelle des Charivari: Es
ist von einer Scene deö fünften Aktes die Rede, und >es heißt: Dieses Alles ist
sehr schön, und verdient applaudirt zu werden, was auch geschehen ist. Unglückli¬
cherweise existirt ein - gewisses Trauerspiel von Schiller, dieVerschwörung des Fiesco,
und in einem gewissen ersten Akte ist eine gewisse neunte Scene zwischen einem ge¬
wissen Mohren und einem gewissen Lavagna -- nur daß dort der Mohr keck, ori¬
ginell und anderer poetischer Natur ist, als der gewisse Scoromoncolo des Herrn
Dumas.




Eine Theaterncschlchtc.

Die Theater-Reglements verfallen dadurch, daß sie alle Fälle voraussehen wol¬
le", um einem bösen Willen der Künstler zuvorzukommen, zuweilen am Ende in'S
Lächerliche. Zum Beweis mag folgender Borfall dienen, der sich letzthin in Nea¬
pel ereignet hat. Mlle. Hallcz, eine sehr ausgezeichnete französische Sängerin, die
für den Augenblick am Theater San Carlo in Neapel engagirt ist, sollte letzthin
in einer großen Benefiz-Vorstellung singen. Von einer plötzlichen Heiserkeit befal¬
len, beeilt sie sich dieß und die Unmöglichkeit zu singen dem Direktor des Morgens
anzuzeigen. Sofort wird der Theatcrarzt zu der schönen Kranken gesandt, um ih¬
ren Gcsundhcits-Zustand zu constatiren. Nach feinem Besuche schickt der gelehrte
Neapolitaner dem Theater-Direktor einen ausführlichen Bericht, aus dem hervor-
geht, daß die Sängerin zwar kein Fieber habe, aber doch an einem sehr bedeuten¬
den Halsweh leide. Nach dem Reglement des neapolitanischen Theaters giebt es
für den Künstler keine andre Entschuldigung um nicht aufzutreten, als das Fieber.


sichtigung finden werden. Aus Stuttgart schreibt man »us, es sei die Rede, den
dort lebenden Schriftsteller Bührlen zum'interimistischen Redakteur zu machen.
Wir wissen nicht, ob wir diesem Gerüchte Glauben schenken sollen.




Dumas, Schillci! und das Chaeivari.

Ein neues Drama in fünf Akten von Alerander Dumas ist im rilci^t-e rr-,n-
o-ti- zur!Aufführung!,'gekommen; es führt den Titel Lorenzino, und der Verfas¬
ser hat darin den Schiller auf eine unverschämte Weise geplündert. Aber diesmal hat
die deutsche^Poesie ihren Anwalt gefunden, der sich entrüstet und zornig unserer
annimmt. Und wer ist dieser Edle? Der Charivari, kein anderer als der bos¬
hafte journalistische Harlekin! Der Charivari nimmt sich der Deutschen an, er
will dem Alexander Dumas die deutsche Beute aus den Zähnen reißen — welche
rührende Ehrlichkeit; zuletzt lassen sie uns dennoch unsern freien deutschen Rhein.
Was wird die oberdeutsche Zeitung sagen? Folgendes ist die Stelle des Charivari: Es
ist von einer Scene deö fünften Aktes die Rede, und >es heißt: Dieses Alles ist
sehr schön, und verdient applaudirt zu werden, was auch geschehen ist. Unglückli¬
cherweise existirt ein - gewisses Trauerspiel von Schiller, dieVerschwörung des Fiesco,
und in einem gewissen ersten Akte ist eine gewisse neunte Scene zwischen einem ge¬
wissen Mohren und einem gewissen Lavagna — nur daß dort der Mohr keck, ori¬
ginell und anderer poetischer Natur ist, als der gewisse Scoromoncolo des Herrn
Dumas.




Eine Theaterncschlchtc.

Die Theater-Reglements verfallen dadurch, daß sie alle Fälle voraussehen wol¬
le», um einem bösen Willen der Künstler zuvorzukommen, zuweilen am Ende in'S
Lächerliche. Zum Beweis mag folgender Borfall dienen, der sich letzthin in Nea¬
pel ereignet hat. Mlle. Hallcz, eine sehr ausgezeichnete französische Sängerin, die
für den Augenblick am Theater San Carlo in Neapel engagirt ist, sollte letzthin
in einer großen Benefiz-Vorstellung singen. Von einer plötzlichen Heiserkeit befal¬
len, beeilt sie sich dieß und die Unmöglichkeit zu singen dem Direktor des Morgens
anzuzeigen. Sofort wird der Theatcrarzt zu der schönen Kranken gesandt, um ih¬
ren Gcsundhcits-Zustand zu constatiren. Nach feinem Besuche schickt der gelehrte
Neapolitaner dem Theater-Direktor einen ausführlichen Bericht, aus dem hervor-
geht, daß die Sängerin zwar kein Fieber habe, aber doch an einem sehr bedeuten¬
den Halsweh leide. Nach dem Reglement des neapolitanischen Theaters giebt es
für den Künstler keine andre Entschuldigung um nicht aufzutreten, als das Fieber.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0262" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/267476"/>
            <p xml:id="ID_1065" prev="#ID_1064"> sichtigung finden werden. Aus Stuttgart schreibt man »us, es sei die Rede, den<lb/>
dort lebenden Schriftsteller Bührlen zum'interimistischen Redakteur zu machen.<lb/>
Wir wissen nicht, ob wir diesem Gerüchte Glauben schenken sollen.</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Dumas, Schillci! und das Chaeivari.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_1066"> Ein neues Drama in fünf Akten von Alerander Dumas ist im rilci^t-e rr-,n-<lb/>
o-ti- zur!Aufführung!,'gekommen; es führt den Titel Lorenzino, und der Verfas¬<lb/>
ser hat darin den Schiller auf eine unverschämte Weise geplündert. Aber diesmal hat<lb/>
die deutsche^Poesie ihren Anwalt gefunden, der sich entrüstet und zornig unserer<lb/>
annimmt. Und wer ist dieser Edle? Der Charivari, kein anderer als der bos¬<lb/>
hafte journalistische Harlekin! Der Charivari nimmt sich der Deutschen an, er<lb/>
will dem Alexander Dumas die deutsche Beute aus den Zähnen reißen &#x2014; welche<lb/>
rührende Ehrlichkeit; zuletzt lassen sie uns dennoch unsern freien deutschen Rhein.<lb/>
Was wird die oberdeutsche Zeitung sagen? Folgendes ist die Stelle des Charivari: Es<lb/>
ist von einer Scene deö fünften Aktes die Rede, und &gt;es heißt: Dieses Alles ist<lb/>
sehr schön, und verdient applaudirt zu werden, was auch geschehen ist. Unglückli¬<lb/>
cherweise existirt ein - gewisses Trauerspiel von Schiller, dieVerschwörung des Fiesco,<lb/>
und in einem gewissen ersten Akte ist eine gewisse neunte Scene zwischen einem ge¬<lb/>
wissen Mohren und einem gewissen Lavagna &#x2014; nur daß dort der Mohr keck, ori¬<lb/>
ginell und anderer poetischer Natur ist, als der gewisse Scoromoncolo des Herrn<lb/>
Dumas.</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Eine Theaterncschlchtc.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_1067" next="#ID_1068"> Die Theater-Reglements verfallen dadurch, daß sie alle Fälle voraussehen wol¬<lb/>
le», um einem bösen Willen der Künstler zuvorzukommen, zuweilen am Ende in'S<lb/>
Lächerliche. Zum Beweis mag folgender Borfall dienen, der sich letzthin in Nea¬<lb/>
pel ereignet hat. Mlle. Hallcz, eine sehr ausgezeichnete französische Sängerin, die<lb/>
für den Augenblick am Theater San Carlo in Neapel engagirt ist, sollte letzthin<lb/>
in einer großen Benefiz-Vorstellung singen. Von einer plötzlichen Heiserkeit befal¬<lb/>
len, beeilt sie sich dieß und die Unmöglichkeit zu singen dem Direktor des Morgens<lb/>
anzuzeigen. Sofort wird der Theatcrarzt zu der schönen Kranken gesandt, um ih¬<lb/>
ren Gcsundhcits-Zustand zu constatiren. Nach feinem Besuche schickt der gelehrte<lb/>
Neapolitaner dem Theater-Direktor einen ausführlichen Bericht, aus dem hervor-<lb/>
geht, daß die Sängerin zwar kein Fieber habe, aber doch an einem sehr bedeuten¬<lb/>
den Halsweh leide. Nach dem Reglement des neapolitanischen Theaters giebt es<lb/>
für den Künstler keine andre Entschuldigung um nicht aufzutreten, als das Fieber.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0262] sichtigung finden werden. Aus Stuttgart schreibt man »us, es sei die Rede, den dort lebenden Schriftsteller Bührlen zum'interimistischen Redakteur zu machen. Wir wissen nicht, ob wir diesem Gerüchte Glauben schenken sollen. Dumas, Schillci! und das Chaeivari. Ein neues Drama in fünf Akten von Alerander Dumas ist im rilci^t-e rr-,n- o-ti- zur!Aufführung!,'gekommen; es führt den Titel Lorenzino, und der Verfas¬ ser hat darin den Schiller auf eine unverschämte Weise geplündert. Aber diesmal hat die deutsche^Poesie ihren Anwalt gefunden, der sich entrüstet und zornig unserer annimmt. Und wer ist dieser Edle? Der Charivari, kein anderer als der bos¬ hafte journalistische Harlekin! Der Charivari nimmt sich der Deutschen an, er will dem Alexander Dumas die deutsche Beute aus den Zähnen reißen — welche rührende Ehrlichkeit; zuletzt lassen sie uns dennoch unsern freien deutschen Rhein. Was wird die oberdeutsche Zeitung sagen? Folgendes ist die Stelle des Charivari: Es ist von einer Scene deö fünften Aktes die Rede, und >es heißt: Dieses Alles ist sehr schön, und verdient applaudirt zu werden, was auch geschehen ist. Unglückli¬ cherweise existirt ein - gewisses Trauerspiel von Schiller, dieVerschwörung des Fiesco, und in einem gewissen ersten Akte ist eine gewisse neunte Scene zwischen einem ge¬ wissen Mohren und einem gewissen Lavagna — nur daß dort der Mohr keck, ori¬ ginell und anderer poetischer Natur ist, als der gewisse Scoromoncolo des Herrn Dumas. Eine Theaterncschlchtc. Die Theater-Reglements verfallen dadurch, daß sie alle Fälle voraussehen wol¬ le», um einem bösen Willen der Künstler zuvorzukommen, zuweilen am Ende in'S Lächerliche. Zum Beweis mag folgender Borfall dienen, der sich letzthin in Nea¬ pel ereignet hat. Mlle. Hallcz, eine sehr ausgezeichnete französische Sängerin, die für den Augenblick am Theater San Carlo in Neapel engagirt ist, sollte letzthin in einer großen Benefiz-Vorstellung singen. Von einer plötzlichen Heiserkeit befal¬ len, beeilt sie sich dieß und die Unmöglichkeit zu singen dem Direktor des Morgens anzuzeigen. Sofort wird der Theatcrarzt zu der schönen Kranken gesandt, um ih¬ ren Gcsundhcits-Zustand zu constatiren. Nach feinem Besuche schickt der gelehrte Neapolitaner dem Theater-Direktor einen ausführlichen Bericht, aus dem hervor- geht, daß die Sängerin zwar kein Fieber habe, aber doch an einem sehr bedeuten¬ den Halsweh leide. Nach dem Reglement des neapolitanischen Theaters giebt es für den Künstler keine andre Entschuldigung um nicht aufzutreten, als das Fieber.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/262
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/262>, abgerufen am 27.06.2024.