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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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Französisch und Deutsch. ,
, von I. Kuranda. Vorlesungen, gehalten im ^ux-Il"" zu Brüssel



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Die Sprachen.

Allbekannt ist die Fabel, die ein griechischer Schriftsteller erzählt:
Als Zeus den Menschen erschuf, hing er ihm einen Quersack über die
Schulter. In den vordem auf die Brust herabhängenden Theil legte
er die Fehler seines Nebenmenschen; in den aus dem Rücken sich befin¬
denden Theil legte, er die eigenen Fehler desselben. Daher käme es, daß
der, Mensch die Fehler seines Nächsten stets vor Augen habe; seine eige¬
nen Fehler aber nicht sehen könne.
'

Was jener Grieche von dem Menschen im Einzelnen sagte, das läßt
sich wohl auf die Völker im Ganzen anwenden. Es giebt Völker, die
dreißig Millionen Augen haben für die Fehler der benachbarten Nation,
die, aber auf sechzig Millionen Augen blind sind, für die Fehler deseige-
MN Charakters und Lebens.

Die Weltgeschichte, ist reich an Beispielen dieser Art, und die Lite¬
raturgeschichte folgt hierin getreulich den Schritten ihrer Mutter. -

So sehen wir namentlich die ftanzösische und deutsche Literatur, statt in
schwesterlicher Eintracht mit einander zu leben, sich eifersüchtig einander
gegenüber stehen, und wie , Maria Stuart und Elisabeth in Schillers



,, Ich muß darauf aufmerksam machen, daß diese Vorlesungen vor einem
Publikum gehalten wurden, welches größtentheils aus nichtdeutschen bestund.
Vieles, was man bei deutschen Hörern als bekannt vorauszusetzen'berechtigt
ist, mußte hier provädcutisch behandelt werden. Diesen Standpunkt, möge
' man bei diesen Vortragen nicht außer Acht lassen. ' > > > ''"'!-,
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Französisch und Deutsch. ,
, von I. Kuranda. Vorlesungen, gehalten im ^ux-Il»» zu Brüssel



- Z.
Die Sprachen.

Allbekannt ist die Fabel, die ein griechischer Schriftsteller erzählt:
Als Zeus den Menschen erschuf, hing er ihm einen Quersack über die
Schulter. In den vordem auf die Brust herabhängenden Theil legte
er die Fehler seines Nebenmenschen; in den aus dem Rücken sich befin¬
denden Theil legte, er die eigenen Fehler desselben. Daher käme es, daß
der, Mensch die Fehler seines Nächsten stets vor Augen habe; seine eige¬
nen Fehler aber nicht sehen könne.
'

Was jener Grieche von dem Menschen im Einzelnen sagte, das läßt
sich wohl auf die Völker im Ganzen anwenden. Es giebt Völker, die
dreißig Millionen Augen haben für die Fehler der benachbarten Nation,
die, aber auf sechzig Millionen Augen blind sind, für die Fehler deseige-
MN Charakters und Lebens.

Die Weltgeschichte, ist reich an Beispielen dieser Art, und die Lite¬
raturgeschichte folgt hierin getreulich den Schritten ihrer Mutter. -

So sehen wir namentlich die ftanzösische und deutsche Literatur, statt in
schwesterlicher Eintracht mit einander zu leben, sich eifersüchtig einander
gegenüber stehen, und wie , Maria Stuart und Elisabeth in Schillers



,, Ich muß darauf aufmerksam machen, daß diese Vorlesungen vor einem
Publikum gehalten wurden, welches größtentheils aus nichtdeutschen bestund.
Vieles, was man bei deutschen Hörern als bekannt vorauszusetzen'berechtigt
ist, mußte hier provädcutisch behandelt werden. Diesen Standpunkt, möge
' man bei diesen Vortragen nicht außer Acht lassen. ' > > > ''"'!-,
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[0011] Französisch und Deutsch. , , von I. Kuranda. Vorlesungen, gehalten im ^ux-Il»» zu Brüssel - Z. Die Sprachen. Allbekannt ist die Fabel, die ein griechischer Schriftsteller erzählt: Als Zeus den Menschen erschuf, hing er ihm einen Quersack über die Schulter. In den vordem auf die Brust herabhängenden Theil legte er die Fehler seines Nebenmenschen; in den aus dem Rücken sich befin¬ denden Theil legte, er die eigenen Fehler desselben. Daher käme es, daß der, Mensch die Fehler seines Nächsten stets vor Augen habe; seine eige¬ nen Fehler aber nicht sehen könne. ' Was jener Grieche von dem Menschen im Einzelnen sagte, das läßt sich wohl auf die Völker im Ganzen anwenden. Es giebt Völker, die dreißig Millionen Augen haben für die Fehler der benachbarten Nation, die, aber auf sechzig Millionen Augen blind sind, für die Fehler deseige- MN Charakters und Lebens. Die Weltgeschichte, ist reich an Beispielen dieser Art, und die Lite¬ raturgeschichte folgt hierin getreulich den Schritten ihrer Mutter. - So sehen wir namentlich die ftanzösische und deutsche Literatur, statt in schwesterlicher Eintracht mit einander zu leben, sich eifersüchtig einander gegenüber stehen, und wie , Maria Stuart und Elisabeth in Schillers ,, Ich muß darauf aufmerksam machen, daß diese Vorlesungen vor einem Publikum gehalten wurden, welches größtentheils aus nichtdeutschen bestund. Vieles, was man bei deutschen Hörern als bekannt vorauszusetzen'berechtigt ist, mußte hier provädcutisch behandelt werden. Diesen Standpunkt, möge ' man bei diesen Vortragen nicht außer Acht lassen. ' > > > ''"'!-, '' 1

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/11>, abgerufen am 27.06.2024.