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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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Nur dies und das dürft ihr nicht lerne" denken --
Sonst bleibt man euch ja väterlichst gewogen."

Nur der Geist hat rechten Werth, und Alles durch ihn:

"Des Mensche" echte Kost ist Gottes Wort,
Weißt du nach Brot, nach Futter nur zu streben --
Schau, wie gemüthlich liegt der Ochse dort
Im Gras und kaut. Geh, lege dich daneben-"

Man sieht, des Dichters Seele ist ganz transparent vom Geist; alle andere
Realität ist nur trüber Schein und gemeines Futter gegen den Glanz der
Wahrheit. Wäre der Verfasser nicht so klar und spekulativ, wir würden sa¬
ge", er sei des Geistes trunken. Wir räumen gern ein, daß seine abstracto
Weltanschauung, auf dem Gebiete, wo er uns heute begegnet, manches poeti¬
sche Samenkorn ausgehen lassen könne, weil seine Didaktik kein Formeln von
Sprüchen, sondern ein eigentliches Producircn von Gedanken ist. Doch kön¬
nen wir im Ganzen das Urtheil nicht zurückhalten, daß wir dem Geiste
mehr vertrauen würden, wenn er nicht so viel von sich selber redete.


Th. Seht.


Heinrich Merz.

Dr. Heinrich Merz, einer der kräftigste" und geistvollsten Schriftsteller,
welche in letzterer Zeit aufgetaucht sind, ist von Cotta für das Kunstblatt ge¬
wonnen worden. Ob er als wirklicher Redakteur dieses Blatt, welches jetzt
ohne Nennung eines solchen erscheint, --die Herrn Kugler und Förster sind nur
als Mitwirkende genannt -- unterzeichnen wird, wissen wir noch nicht anzu¬
geben. Jedenfalls wird er von nun an in Stuttgart wohnen, wo er nach
einer im geistigen Interesse des erwähnten Blattes zurückgelegten Reise nach
London und Paris vor einigen Wochen angekommen ist. Wir machen unsere
Leser auf eine Reihe von Briefen über die Münchener Kunst und
Künstler aufmerksam, welche die Grenzboten aus der Feder dieses scharfsin¬
nigen Psychologen und Kunstkritikers in ihren nächsten Nummern bringen
werden, und welche Vieles muthig aussprechen, womit man bisher hinter dem
Berge gehalten hat. Hr. Merz ist Schwabe, Protestant und Theologe; dies
muß man wissen, um die Individualität dieses Schriftstellers gehörig zu
verstehen.




Nur dies und das dürft ihr nicht lerne» denken —
Sonst bleibt man euch ja väterlichst gewogen."

Nur der Geist hat rechten Werth, und Alles durch ihn:

„Des Mensche» echte Kost ist Gottes Wort,
Weißt du nach Brot, nach Futter nur zu streben —
Schau, wie gemüthlich liegt der Ochse dort
Im Gras und kaut. Geh, lege dich daneben-"

Man sieht, des Dichters Seele ist ganz transparent vom Geist; alle andere
Realität ist nur trüber Schein und gemeines Futter gegen den Glanz der
Wahrheit. Wäre der Verfasser nicht so klar und spekulativ, wir würden sa¬
ge», er sei des Geistes trunken. Wir räumen gern ein, daß seine abstracto
Weltanschauung, auf dem Gebiete, wo er uns heute begegnet, manches poeti¬
sche Samenkorn ausgehen lassen könne, weil seine Didaktik kein Formeln von
Sprüchen, sondern ein eigentliches Producircn von Gedanken ist. Doch kön¬
nen wir im Ganzen das Urtheil nicht zurückhalten, daß wir dem Geiste
mehr vertrauen würden, wenn er nicht so viel von sich selber redete.


Th. Seht.


Heinrich Merz.

Dr. Heinrich Merz, einer der kräftigste» und geistvollsten Schriftsteller,
welche in letzterer Zeit aufgetaucht sind, ist von Cotta für das Kunstblatt ge¬
wonnen worden. Ob er als wirklicher Redakteur dieses Blatt, welches jetzt
ohne Nennung eines solchen erscheint, —die Herrn Kugler und Förster sind nur
als Mitwirkende genannt — unterzeichnen wird, wissen wir noch nicht anzu¬
geben. Jedenfalls wird er von nun an in Stuttgart wohnen, wo er nach
einer im geistigen Interesse des erwähnten Blattes zurückgelegten Reise nach
London und Paris vor einigen Wochen angekommen ist. Wir machen unsere
Leser auf eine Reihe von Briefen über die Münchener Kunst und
Künstler aufmerksam, welche die Grenzboten aus der Feder dieses scharfsin¬
nigen Psychologen und Kunstkritikers in ihren nächsten Nummern bringen
werden, und welche Vieles muthig aussprechen, womit man bisher hinter dem
Berge gehalten hat. Hr. Merz ist Schwabe, Protestant und Theologe; dies
muß man wissen, um die Individualität dieses Schriftstellers gehörig zu
verstehen.




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[0493] Nur dies und das dürft ihr nicht lerne» denken — Sonst bleibt man euch ja väterlichst gewogen." Nur der Geist hat rechten Werth, und Alles durch ihn: „Des Mensche» echte Kost ist Gottes Wort, Weißt du nach Brot, nach Futter nur zu streben — Schau, wie gemüthlich liegt der Ochse dort Im Gras und kaut. Geh, lege dich daneben-" Man sieht, des Dichters Seele ist ganz transparent vom Geist; alle andere Realität ist nur trüber Schein und gemeines Futter gegen den Glanz der Wahrheit. Wäre der Verfasser nicht so klar und spekulativ, wir würden sa¬ ge», er sei des Geistes trunken. Wir räumen gern ein, daß seine abstracto Weltanschauung, auf dem Gebiete, wo er uns heute begegnet, manches poeti¬ sche Samenkorn ausgehen lassen könne, weil seine Didaktik kein Formeln von Sprüchen, sondern ein eigentliches Producircn von Gedanken ist. Doch kön¬ nen wir im Ganzen das Urtheil nicht zurückhalten, daß wir dem Geiste mehr vertrauen würden, wenn er nicht so viel von sich selber redete. Th. Seht. Heinrich Merz. Dr. Heinrich Merz, einer der kräftigste» und geistvollsten Schriftsteller, welche in letzterer Zeit aufgetaucht sind, ist von Cotta für das Kunstblatt ge¬ wonnen worden. Ob er als wirklicher Redakteur dieses Blatt, welches jetzt ohne Nennung eines solchen erscheint, —die Herrn Kugler und Förster sind nur als Mitwirkende genannt — unterzeichnen wird, wissen wir noch nicht anzu¬ geben. Jedenfalls wird er von nun an in Stuttgart wohnen, wo er nach einer im geistigen Interesse des erwähnten Blattes zurückgelegten Reise nach London und Paris vor einigen Wochen angekommen ist. Wir machen unsere Leser auf eine Reihe von Briefen über die Münchener Kunst und Künstler aufmerksam, welche die Grenzboten aus der Feder dieses scharfsin¬ nigen Psychologen und Kunstkritikers in ihren nächsten Nummern bringen werden, und welche Vieles muthig aussprechen, womit man bisher hinter dem Berge gehalten hat. Hr. Merz ist Schwabe, Protestant und Theologe; dies muß man wissen, um die Individualität dieses Schriftstellers gehörig zu verstehen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/493>, abgerufen am 26.06.2024.