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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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i.
Aus Mailand.

Deutsche Reisende. -- Stieglitz "ut Kühne. -- Rossini. -- Beethoven und Kanne. --
Die Scene in Mauern. -- Die Juden.

Seit der Krönung Kaiser Ferdinand's I. erinnere ich mich nicht, so viele
Deutsche hier gesehen zu haben, wie in den letzten Monaten; die Zahl dersel¬
ben vermehrt sich mit jedem Jahre nach dem Verhältnisse, in welchem der
hiesige Handel immer mehr und mehr seine Richtung gegen Deutschland nimmt.
Auf materiellem Gebiet hat Oesterreich hier eine große Eroberung gemacht
und ich glaube nicht, daß der Zollverein die kleinern Staaten Deutschlands
so eng mit Preußen verbunden hat, wie die Handelsverhältnisse der Lombardei
sie an Oesterreich knüpfen. Es ist zu bedauern, daß diese Verhältnisse noch
nicht eine geschickte deutsche Feder fanden, welche sie Deutschland klar und
übersichtlich bekannt machte: das ist die Schattenseite der deutschen reisenden
Schriftsteller, daß sie überall nur Jagd auf gelehrte oder poetische Ausbeute
machen: praktische Belehrung muß man immer nur in den Reisebüchern der
Engländer und Franzosen suchen. Es heißt, daß Stieglitz ein größeres Werk
über die Lombardei und Venedig herausgeben werde. Nun -- Sie kennen
Stieglitz: die Praxis wird aus diesem Buche sich nicht satt essen. Von Küh¬
ne's Sospiri habe ich einige Bruchstücke in verstümmelter Uebersetzung in zwei
italienischen Journalen gesunden: das'Buch selbst bekam ich nicht zu Gesicht.
Eine 'ganze Colonie junger deutscher Sängerinnen bereiten sich jetzt hier vor,
um später die italienische Sangesmethode aus deutschen Bühnen triumphiren


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i.
Aus Mailand.

Deutsche Reisende. — Stieglitz »ut Kühne. — Rossini. — Beethoven und Kanne. —
Die Scene in Mauern. — Die Juden.

Seit der Krönung Kaiser Ferdinand's I. erinnere ich mich nicht, so viele
Deutsche hier gesehen zu haben, wie in den letzten Monaten; die Zahl dersel¬
ben vermehrt sich mit jedem Jahre nach dem Verhältnisse, in welchem der
hiesige Handel immer mehr und mehr seine Richtung gegen Deutschland nimmt.
Auf materiellem Gebiet hat Oesterreich hier eine große Eroberung gemacht
und ich glaube nicht, daß der Zollverein die kleinern Staaten Deutschlands
so eng mit Preußen verbunden hat, wie die Handelsverhältnisse der Lombardei
sie an Oesterreich knüpfen. Es ist zu bedauern, daß diese Verhältnisse noch
nicht eine geschickte deutsche Feder fanden, welche sie Deutschland klar und
übersichtlich bekannt machte: das ist die Schattenseite der deutschen reisenden
Schriftsteller, daß sie überall nur Jagd auf gelehrte oder poetische Ausbeute
machen: praktische Belehrung muß man immer nur in den Reisebüchern der
Engländer und Franzosen suchen. Es heißt, daß Stieglitz ein größeres Werk
über die Lombardei und Venedig herausgeben werde. Nun — Sie kennen
Stieglitz: die Praxis wird aus diesem Buche sich nicht satt essen. Von Küh¬
ne's Sospiri habe ich einige Bruchstücke in verstümmelter Uebersetzung in zwei
italienischen Journalen gesunden: das'Buch selbst bekam ich nicht zu Gesicht.
Eine 'ganze Colonie junger deutscher Sängerinnen bereiten sich jetzt hier vor,
um später die italienische Sangesmethode aus deutschen Bühnen triumphiren


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[0296] T a g e b u ach. i. Aus Mailand. Deutsche Reisende. — Stieglitz »ut Kühne. — Rossini. — Beethoven und Kanne. — Die Scene in Mauern. — Die Juden. Seit der Krönung Kaiser Ferdinand's I. erinnere ich mich nicht, so viele Deutsche hier gesehen zu haben, wie in den letzten Monaten; die Zahl dersel¬ ben vermehrt sich mit jedem Jahre nach dem Verhältnisse, in welchem der hiesige Handel immer mehr und mehr seine Richtung gegen Deutschland nimmt. Auf materiellem Gebiet hat Oesterreich hier eine große Eroberung gemacht und ich glaube nicht, daß der Zollverein die kleinern Staaten Deutschlands so eng mit Preußen verbunden hat, wie die Handelsverhältnisse der Lombardei sie an Oesterreich knüpfen. Es ist zu bedauern, daß diese Verhältnisse noch nicht eine geschickte deutsche Feder fanden, welche sie Deutschland klar und übersichtlich bekannt machte: das ist die Schattenseite der deutschen reisenden Schriftsteller, daß sie überall nur Jagd auf gelehrte oder poetische Ausbeute machen: praktische Belehrung muß man immer nur in den Reisebüchern der Engländer und Franzosen suchen. Es heißt, daß Stieglitz ein größeres Werk über die Lombardei und Venedig herausgeben werde. Nun — Sie kennen Stieglitz: die Praxis wird aus diesem Buche sich nicht satt essen. Von Küh¬ ne's Sospiri habe ich einige Bruchstücke in verstümmelter Uebersetzung in zwei italienischen Journalen gesunden: das'Buch selbst bekam ich nicht zu Gesicht. Eine 'ganze Colonie junger deutscher Sängerinnen bereiten sich jetzt hier vor, um später die italienische Sangesmethode aus deutschen Bühnen triumphiren

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/296>, abgerufen am 23.07.2024.