Es besteht in Brüssel ein Institut der schönen Künste, welches jährlich zwei Gemäldeausstellungen auf dem Stadthause veranstaltet. Der Zahl der gewöhnlich ein¬ gesandten Arbeiten nach zu urtheilen, ist eine zweimalige Ausstellung nicht zu viel. Eine andere Frage ist, ob der Werth derselben dazu bedeutend genug ist. In der Kunst vor Allem gilt das multum non multa. Die größere Leichtigkeit, eine Arbeit abzusetzen, ermuthigt den mittelmäßigen Kopf vielleicht mehr als den echten Kunstberufenen. Dem Publikum wird mit der Vervielfältigung guter Werke mehr gedient, als mit so vielen Nahmen, welche, in Ermangelung des Bessern, die Lotterie füllen. Die schönste Zierde der seit einigen Wochen eröffneten Sammlung ist das, schon in Gent vorigen Sommer ausgestellte, Stück von Verheyden: ein junges Bauermädchen. Ein überaus glück¬ licher, sprechender Ausdruck, die blühende Farbe, die feine Zeichnung weisen diesem Bilde einen ehrenvollen Rang an. Verheyden hat fast seine ganze Kunst sich selbst zu verdanken. Obschon sein Colorit an Wappers zu streifen scheint, hat er sich, als Autodidakt, der ehedem in Paris große Schwierigkeiten, die seinem Talent entgegen¬ traten, überwand, einen unabhängigen Platz unter den belgischen Malern gesichert. Gut gehalten ist: wandernde Musiker schlafend, von De Loose. Unter den Seestücken zeichnet sich das von L. Verboeckhoven aus. Die Landschaft von P. Lauters gleicht zu sehr dem Aquarell, worin der Künstler geschätzte Arbeiten liefert. Diebesseren Land¬ schaften sind die von De Terre und Tavernier, einem französischen Maler. Ha¬ seleer zeichnet sich im edleren Genre aus, Geirnart im heiteren; sein: Kinder die Verstecken spielen, beurkundet ein treffliches Talent der Erfindung. Eine große Auf¬ merksamkeit zieht die Erstürmung von Jerusalem, eine figurenreiche Composition von Coomans auf sich. Das Bild, in einem zähen, gelben Ton gehalten, ermangelt
Brüsseler Tabletten.
I. Eine Gemäldeausstellung.
Es besteht in Brüssel ein Institut der schönen Künste, welches jährlich zwei Gemäldeausstellungen auf dem Stadthause veranstaltet. Der Zahl der gewöhnlich ein¬ gesandten Arbeiten nach zu urtheilen, ist eine zweimalige Ausstellung nicht zu viel. Eine andere Frage ist, ob der Werth derselben dazu bedeutend genug ist. In der Kunst vor Allem gilt das multum non multa. Die größere Leichtigkeit, eine Arbeit abzusetzen, ermuthigt den mittelmäßigen Kopf vielleicht mehr als den echten Kunstberufenen. Dem Publikum wird mit der Vervielfältigung guter Werke mehr gedient, als mit so vielen Nahmen, welche, in Ermangelung des Bessern, die Lotterie füllen. Die schönste Zierde der seit einigen Wochen eröffneten Sammlung ist das, schon in Gent vorigen Sommer ausgestellte, Stück von Verheyden: ein junges Bauermädchen. Ein überaus glück¬ licher, sprechender Ausdruck, die blühende Farbe, die feine Zeichnung weisen diesem Bilde einen ehrenvollen Rang an. Verheyden hat fast seine ganze Kunst sich selbst zu verdanken. Obschon sein Colorit an Wappers zu streifen scheint, hat er sich, als Autodidakt, der ehedem in Paris große Schwierigkeiten, die seinem Talent entgegen¬ traten, überwand, einen unabhängigen Platz unter den belgischen Malern gesichert. Gut gehalten ist: wandernde Musiker schlafend, von De Loose. Unter den Seestücken zeichnet sich das von L. Verboeckhoven aus. Die Landschaft von P. Lauters gleicht zu sehr dem Aquarell, worin der Künstler geschätzte Arbeiten liefert. Diebesseren Land¬ schaften sind die von De Terre und Tavernier, einem französischen Maler. Ha¬ seleer zeichnet sich im edleren Genre aus, Geirnart im heiteren; sein: Kinder die Verstecken spielen, beurkundet ein treffliches Talent der Erfindung. Eine große Auf¬ merksamkeit zieht die Erstürmung von Jerusalem, eine figurenreiche Composition von Coomans auf sich. Das Bild, in einem zähen, gelben Ton gehalten, ermangelt
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Brüsseler Tabletten.
I.
Eine Gemäldeausstellung.
Es besteht in Brüssel ein Institut der schönen Künste, welches jährlich zwei
Gemäldeausstellungen auf dem Stadthause veranstaltet. Der Zahl der gewöhnlich ein¬
gesandten Arbeiten nach zu urtheilen, ist eine zweimalige Ausstellung nicht zu viel. Eine
andere Frage ist, ob der Werth derselben dazu bedeutend genug ist. In der Kunst vor
Allem gilt das multum non multa. Die größere Leichtigkeit, eine Arbeit abzusetzen,
ermuthigt den mittelmäßigen Kopf vielleicht mehr als den echten Kunstberufenen. Dem
Publikum wird mit der Vervielfältigung guter Werke mehr gedient, als mit so vielen
Nahmen, welche, in Ermangelung des Bessern, die Lotterie füllen. Die schönste Zierde
der seit einigen Wochen eröffneten Sammlung ist das, schon in Gent vorigen Sommer
ausgestellte, Stück von Verheyden: ein junges Bauermädchen. Ein überaus glück¬
licher, sprechender Ausdruck, die blühende Farbe, die feine Zeichnung weisen diesem
Bilde einen ehrenvollen Rang an. Verheyden hat fast seine ganze Kunst sich selbst zu
verdanken. Obschon sein Colorit an Wappers zu streifen scheint, hat er sich, als
Autodidakt, der ehedem in Paris große Schwierigkeiten, die seinem Talent entgegen¬
traten, überwand, einen unabhängigen Platz unter den belgischen Malern gesichert.
Gut gehalten ist: wandernde Musiker schlafend, von De Loose. Unter den Seestücken
zeichnet sich das von L. Verboeckhoven aus. Die Landschaft von P. Lauters gleicht
zu sehr dem Aquarell, worin der Künstler geschätzte Arbeiten liefert. Diebesseren Land¬
schaften sind die von De Terre und Tavernier, einem französischen Maler. Ha¬
seleer zeichnet sich im edleren Genre aus, Geirnart im heiteren; sein: Kinder die
Verstecken spielen, beurkundet ein treffliches Talent der Erfindung. Eine große Auf¬
merksamkeit zieht die Erstürmung von Jerusalem, eine figurenreiche Composition von
Coomans auf sich. Das Bild, in einem zähen, gelben Ton gehalten, ermangelt
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Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_179382_282158/282>, abgerufen am 03.12.2024.
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