Von Leuten, die sich mehr auf die Hör- ner nehmen, als sie leisten können, pflegt man zu sagen, daß sie vermessen oder zu verwägen sind. Und das läuft dann manchmal schlecht ab. Denn wer sich in Gefahr begiebt, kömmt gemeiniglich darin- nen um.
Ja! lieber Vater, da haben sie wohl Recht, sagte Lorchen, Wilhelm ist abscheu- lich vermessen. Er klettert auf die steilsten Leitern: kriecht unter den Dächern nach den Sperlingsnestern herum, geht über die schmälesten Brücken, und will alles kön- nen. Wenn er nur nicht einmal unglück- lich ist.
V. Wenn ein Kind oder ein großer Mensch vermessen ist, so denkt er nicht dar-
an,
XLVIII. Die beſtrafte Vermeſſenheit.
Von Leuten, die ſich mehr auf die Hoͤr- ner nehmen, als ſie leiſten koͤnnen, pflegt man zu ſagen, daß ſie vermeſſen oder zu verwaͤgen ſind. Und das laͤuft dann manchmal ſchlecht ab. Denn wer ſich in Gefahr begiebt, koͤmmt gemeiniglich darin- nen um.
Ja! lieber Vater, da haben ſie wohl Recht, ſagte Lorchen, Wilhelm iſt abſcheu- lich vermeſſen. Er klettert auf die ſteilſten Leitern: kriecht unter den Daͤchern nach den Sperlingsneſtern herum, geht uͤber die ſchmaͤleſten Bruͤcken, und will alles koͤn- nen. Wenn er nur nicht einmal ungluͤck- lich iſt.
V. Wenn ein Kind oder ein großer Menſch vermeſſen iſt, ſo denkt er nicht dar-
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XLVIII.
Die beſtrafte Vermeſſenheit.
Von Leuten, die ſich mehr auf die Hoͤr-
ner nehmen, als ſie leiſten koͤnnen,
pflegt man zu ſagen, daß ſie vermeſſen oder
zu verwaͤgen ſind. Und das laͤuft dann
manchmal ſchlecht ab. Denn wer ſich in
Gefahr begiebt, koͤmmt gemeiniglich darin-
nen um.
Ja! lieber Vater, da haben ſie wohl
Recht, ſagte Lorchen, Wilhelm iſt abſcheu-
lich vermeſſen. Er klettert auf die ſteilſten
Leitern: kriecht unter den Daͤchern nach den
Sperlingsneſtern herum, geht uͤber die
ſchmaͤleſten Bruͤcken, und will alles koͤn-
nen. Wenn er nur nicht einmal ungluͤck-
lich iſt.
V. Wenn ein Kind oder ein großer
Menſch vermeſſen iſt, ſo denkt er nicht dar-
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Goeze, Johann August Ephraim: Zeitvertreib und Unterricht für Kinder vom dritten bis zehnten Jahr in kleinen Geschichten. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goetze_zeitvertreib01_1783/252>, abgerufen am 16.07.2024.
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