Jch danke Deiner Liebe, Wilhelm, daß Du das Wort so aufgefangen hast. Ja Du hast recht: Mir wäre besser, ich gienge. Der Vorschlag, den Du zu einer Rükkehr zu euch thust, gefällt mir nicht ganz, wenigstens möcht ich noch gern einen Umweg machen, besonders da wir anhaltenden Frost und gute Wege zu hoffen haben. Auch ist mir's sehr lieb daß Du kommen willst, mich abzuholen, ver- zieh nur noch vierzehn Tage, und erwarte noch ei- nen Brief von mir mit dem weitern. Es ist nö- thig, daß nichts gepflükt werde, eh es reif ist. Und vierzehn Tage auf oder ab thun viel. Meiner Mutter sollst Du sagen: daß sie für ihren Sohn beten soll und daß ich sie um Vergebung bitte, we- gen all des Verdrusses, den ich ihr gemacht habe. Das war nun mein Schiksal, die zu betrüben, de- nen ich Freude schuldig war. Leb wohl, mein Theuerster. Allen Segen des Himmels über Dich! Leb wohl!
An
am 20. Dec.
Jch danke Deiner Liebe, Wilhelm, daß Du das Wort ſo aufgefangen haſt. Ja Du haſt recht: Mir waͤre beſſer, ich gienge. Der Vorſchlag, den Du zu einer Ruͤkkehr zu euch thuſt, gefaͤllt mir nicht ganz, wenigſtens moͤcht ich noch gern einen Umweg machen, beſonders da wir anhaltenden Froſt und gute Wege zu hoffen haben. Auch iſt mir’s ſehr lieb daß Du kommen willſt, mich abzuholen, ver- zieh nur noch vierzehn Tage, und erwarte noch ei- nen Brief von mir mit dem weitern. Es iſt noͤ- thig, daß nichts gepfluͤkt werde, eh es reif iſt. Und vierzehn Tage auf oder ab thun viel. Meiner Mutter ſollſt Du ſagen: daß ſie fuͤr ihren Sohn beten ſoll und daß ich ſie um Vergebung bitte, we- gen all des Verdruſſes, den ich ihr gemacht habe. Das war nun mein Schikſal, die zu betruͤben, de- nen ich Freude ſchuldig war. Leb wohl, mein Theuerſter. Allen Segen des Himmels uͤber Dich! Leb wohl!
An
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am 20. Dec.
Jch danke Deiner Liebe, Wilhelm, daß Du das
Wort ſo aufgefangen haſt. Ja Du haſt recht:
Mir waͤre beſſer, ich gienge. Der Vorſchlag, den
Du zu einer Ruͤkkehr zu euch thuſt, gefaͤllt mir
nicht ganz, wenigſtens moͤcht ich noch gern einen
Umweg machen, beſonders da wir anhaltenden Froſt
und gute Wege zu hoffen haben. Auch iſt mir’s
ſehr lieb daß Du kommen willſt, mich abzuholen, ver-
zieh nur noch vierzehn Tage, und erwarte noch ei-
nen Brief von mir mit dem weitern. Es iſt noͤ-
thig, daß nichts gepfluͤkt werde, eh es reif iſt. Und
vierzehn Tage auf oder ab thun viel. Meiner
Mutter ſollſt Du ſagen: daß ſie fuͤr ihren Sohn
beten ſoll und daß ich ſie um Vergebung bitte, we-
gen all des Verdruſſes, den ich ihr gemacht habe.
Das war nun mein Schikſal, die zu betruͤben, de-
nen ich Freude ſchuldig war. Leb wohl, mein
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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Leiden des jungen Werthers. Bd. 2. Leipzig, 1774, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_werther02_1774/68>, abgerufen am 22.02.2025.
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