Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809.Fünftes Kapitel. So peitschte Luciane den Lebensrausch im Fuͤnftes Kapitel. So peitſchte Luciane den Lebensrauſch im <TEI> <text> <body> <pb n="[71]" facs="#f0074"/> <div n="1"> <head><hi rendition="#g">Fuͤnftes Kapitel</hi>.<lb/></head> <milestone unit="section" rendition="#hr"/> <p>So peitſchte Luciane den Lebensrauſch im<lb/> geſelligen Strudel immer vor ſich her. Ihr<lb/> Hofſtaat vermehrte ſich taͤglich, theils weil<lb/> ihr Treiben ſo manchen anregte und anzog,<lb/> theils weil ſie ſich andre durch Gefaͤlligkeit und<lb/> Wohlthun zu verbinden wußte. Mittheilend<lb/> war ſie im hoͤchſten Grade: denn da ihr durch<lb/> die Neigung der Tante und des Braͤutigams<lb/> ſo viel Schoͤnes und Koͤſtliches auf einmal<lb/> zugefloſſen war; ſo ſchien ſie nichts eigenes<lb/> zu beſitzen, und den Werth der Dinge nicht<lb/> zu kennen, die ſich um ſie gehaͤuft hatten.<lb/> So zauderte ſie nicht einen Augenblick<lb/> einen koſtbaren Shawl abzunehmen und<lb/> ihn einem Frauenzimmer umzuhaͤngen, das<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [[71]/0074]
Fuͤnftes Kapitel.
So peitſchte Luciane den Lebensrauſch im
geſelligen Strudel immer vor ſich her. Ihr
Hofſtaat vermehrte ſich taͤglich, theils weil
ihr Treiben ſo manchen anregte und anzog,
theils weil ſie ſich andre durch Gefaͤlligkeit und
Wohlthun zu verbinden wußte. Mittheilend
war ſie im hoͤchſten Grade: denn da ihr durch
die Neigung der Tante und des Braͤutigams
ſo viel Schoͤnes und Koͤſtliches auf einmal
zugefloſſen war; ſo ſchien ſie nichts eigenes
zu beſitzen, und den Werth der Dinge nicht
zu kennen, die ſich um ſie gehaͤuft hatten.
So zauderte ſie nicht einen Augenblick
einen koſtbaren Shawl abzunehmen und
ihn einem Frauenzimmer umzuhaͤngen, das
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Zitationshilfe: | Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. [71]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/74>, abgerufen am 03.03.2025. |