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Goethe, Johann Wolfgang von: Versuch die Metamorphose der Pflanzen zu erklären. Gotha, 1790.

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§. 113.

Betrachten wir eine Pflanze in sofern sie ihre
Lebenskraft äussert, so sehen wir dieses auf
eine doppelte Art geschehen, zuerst, durch das
Wachsthum indem sie Stengel und Blätter hervor-
bringt, und sodann durch die Fortpflanzung,
welche in dem Blüthen- und Fruchtbau vollendet
wird. Beschauen wir das Wachsthum näher,
so sehen wir, dass, indem die Pflanze sich von
Knoten zu Knoten, von Blatt zu Blatt fortsezt,
indem sie sprosst, gleichfalls eine Fortpflanzung
geschehe, die sich von der Fortpflanzung durch
Blüthe und Frucht, welche auf einmal geschiehet,
darinn unterscheidet, dass sie successiv ist, dass
sie sich in einer Folge einzelner Entwicke-
lungen zeigt. Diese sprossende, nach und nach
sich äussernde Kraft ist mit jener, welche auf
einmal eine grosse Fortpflanzung entwickelt,
auf das genauste verwandt. Man kann unter
verschiedenen Umständen eine Pflanze nöthigen,
dass sie immerfort sprosse, man kann dagegen
den Blüthenstand beschleunigen. Jenes geschieht,
wenn rohere Säfte der Pflanze in einem grösseren
Masse zudringen; dieses, wenn die geistigeren
Kräfte in derselben überwiegen.


§. 114.

§. 113.

Betrachten wir eine Pflanze in ſofern ſie ihre
Lebenskraft äuſsert, ſo ſehen wir dieſes auf
eine doppelte Art geſchehen, zuerſt, durch das
Wachsthum indem ſie Stengel und Blätter hervor-
bringt, und ſodann durch die Fortpflanzung,
welche in dem Blüthen- und Fruchtbau vollendet
wird. Beſchauen wir das Wachsthum näher,
ſo ſehen wir, daſs, indem die Pflanze ſich von
Knoten zu Knoten, von Blatt zu Blatt fortſezt,
indem ſie ſproſst, gleichfalls eine Fortpflanzung
geſchehe, die ſich von der Fortpflanzung durch
Blüthe und Frucht, welche auf einmal geſchiehet,
darinn unterſcheidet, daſs ſie ſucceſſiv iſt, daſs
ſie ſich in einer Folge einzelner Entwicke-
lungen zeigt. Dieſe ſproſsende, nach und nach
ſich äuſsernde Kraft iſt mit jener, welche auf
einmal eine groſse Fortpflanzung entwickelt,
auf das genauſte verwandt. Man kann unter
verſchiedenen Umſtänden eine Pflanze nöthigen,
daſs ſie immerfort ſproſse, man kann dagegen
den Blüthenſtand beſchleunigen. Jenes geſchieht,
wenn rohere Säfte der Pflanze in einem gröſseren
Maſse zudringen; dieſes, wenn die geiſtigeren
Kräfte in derſelben überwiegen.


§. 114.
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[80/0095] §. 113. Betrachten wir eine Pflanze in ſofern ſie ihre Lebenskraft äuſsert, ſo ſehen wir dieſes auf eine doppelte Art geſchehen, zuerſt, durch das Wachsthum indem ſie Stengel und Blätter hervor- bringt, und ſodann durch die Fortpflanzung, welche in dem Blüthen- und Fruchtbau vollendet wird. Beſchauen wir das Wachsthum näher, ſo ſehen wir, daſs, indem die Pflanze ſich von Knoten zu Knoten, von Blatt zu Blatt fortſezt, indem ſie ſproſst, gleichfalls eine Fortpflanzung geſchehe, die ſich von der Fortpflanzung durch Blüthe und Frucht, welche auf einmal geſchiehet, darinn unterſcheidet, daſs ſie ſucceſſiv iſt, daſs ſie ſich in einer Folge einzelner Entwicke- lungen zeigt. Dieſe ſproſsende, nach und nach ſich äuſsernde Kraft iſt mit jener, welche auf einmal eine groſse Fortpflanzung entwickelt, auf das genauſte verwandt. Man kann unter verſchiedenen Umſtänden eine Pflanze nöthigen, daſs ſie immerfort ſproſse, man kann dagegen den Blüthenſtand beſchleunigen. Jenes geſchieht, wenn rohere Säfte der Pflanze in einem gröſseren Maſse zudringen; dieſes, wenn die geiſtigeren Kräfte in derſelben überwiegen. §. 114.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Versuch die Metamorphose der Pflanzen zu erklären. Gotha, 1790, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_metamorphose_1790/95>, abgerufen am 21.11.2024.