Goethe, Johann Wolfgang von: Versuch die Metamorphose der Pflanzen zu erklären. Gotha, 1790.eben wegen ihrer Ausartung so bekannten und beliebten Blumen, oft bemerken, dass die Samen- kapseln sich wieder in kelchähnliche Blätter ver- ändern, und dass in eben diesem Masse die aufgesezten Griffel an Länge abnehmen; ja es finden sich Nelken, an denen sich das Fruchtbehältniss in einen wirklichen vollkommenen Kelch ver- wandelt hat, indess die Einschnitte desselben an der Spitze noch zarte Ueberbleibsel der Griffel und Narben tragen, und sich aus dem Innersten dieses zweyten Kelchs, wieder eine mehr oder weniger vollständige Blätterkrone statt der Samen entwickelt. §. 76. Ferner hat uns die Natur selbst durch regel- eben wegen ihrer Auſartung ſo bekannten und beliebten Blumen, oft bemerken, daſs die Samen- kapſeln ſich wieder in kelchähnliche Blätter ver- ändern, und daſs in eben dieſem Maſse die aufgeſezten Griffel an Länge abnehmen; ja es finden ſich Nelken, an denen ſich das Fruchtbehältniſs in einen wirklichen vollkommenen Kelch ver- wandelt hat, indeſs die Einſchnitte deſſelben an der Spitze noch zarte Ueberbleibſel der Griffel und Narben tragen, und ſich aus dem Innerſten dieſes zweyten Kelchs, wieder eine mehr oder weniger vollſtändige Blätterkrone ſtatt der Samen entwickelt. §. 76. Ferner hat uns die Natur ſelbſt durch regel- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0065" n="50"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/>eben wegen ihrer Auſartung ſo bekannten und<lb/> beliebten Blumen, oft bemerken, daſs die Samen-<lb/> kapſeln ſich wieder in kelchähnliche Blätter ver-<lb/> ändern, und daſs in eben dieſem Maſse die<lb/> aufgeſezten Griffel an Länge abnehmen; ja es finden<lb/> ſich Nelken, an denen ſich das Fruchtbehältniſs<lb/> in einen wirklichen vollkommenen Kelch ver-<lb/> wandelt hat, indeſs die Einſchnitte deſſelben an<lb/> der Spitze noch zarte Ueberbleibſel der Griffel<lb/> und Narben tragen, und ſich aus dem Innerſten<lb/> dieſes zweyten Kelchs, wieder eine mehr oder<lb/> weniger vollſtändige Blätterkrone ſtatt der Samen<lb/> entwickelt.</p> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#c">§. 76.</hi> </head><lb/> <p>Ferner hat uns die Natur ſelbſt durch regel-<lb/> mäſsige und beſtändige Bildungen, auf eine ſehr<lb/> manigfaltige Weiſe die Fruchtbarkeit geoffenbart,<lb/> welche in einem Blatt verborgen liegt. So bringt<lb/> ein zwar verändertes doch noch völlig kenntliches<lb/> Blatt der Linde aus ſeiner Mittelrippe ein<lb/> Stielchen und an demſelben eine vollkommene<lb/> Blüthe und Frucht hervor. Bey dem Ruſcus iſt<lb/> die Art wie Blüthen und Früchte auf den Blättern<lb/> aufſitzen noch merkwürdiger.</p> </div><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [50/0065]
eben wegen ihrer Auſartung ſo bekannten und
beliebten Blumen, oft bemerken, daſs die Samen-
kapſeln ſich wieder in kelchähnliche Blätter ver-
ändern, und daſs in eben dieſem Maſse die
aufgeſezten Griffel an Länge abnehmen; ja es finden
ſich Nelken, an denen ſich das Fruchtbehältniſs
in einen wirklichen vollkommenen Kelch ver-
wandelt hat, indeſs die Einſchnitte deſſelben an
der Spitze noch zarte Ueberbleibſel der Griffel
und Narben tragen, und ſich aus dem Innerſten
dieſes zweyten Kelchs, wieder eine mehr oder
weniger vollſtändige Blätterkrone ſtatt der Samen
entwickelt.
§. 76.
Ferner hat uns die Natur ſelbſt durch regel-
mäſsige und beſtändige Bildungen, auf eine ſehr
manigfaltige Weiſe die Fruchtbarkeit geoffenbart,
welche in einem Blatt verborgen liegt. So bringt
ein zwar verändertes doch noch völlig kenntliches
Blatt der Linde aus ſeiner Mittelrippe ein
Stielchen und an demſelben eine vollkommene
Blüthe und Frucht hervor. Bey dem Ruſcus iſt
die Art wie Blüthen und Früchte auf den Blättern
aufſitzen noch merkwürdiger.
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