Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Versuch die Metamorphose der Pflanzen zu erklären. Gotha, 1790.

Bild:
<< vorherige Seite

§. 70.

Wir finden den Griffel sehr oft aus mehreren
einzelnen Griffeln zusammengewachsen, und die
Theile aus denen er bestehet lassen sich kaum am
Ende, wo sie nicht einmal immer getrennt sind,
erkennen. Dieses Zusammenwachsen, dessen
Wirkung wir schon öfters bemerkt haben, wird
hier am meisten möglich; ja es muss geschehen,
weil die feinen Theile vor ihrer gänzlichen Ent-
wickelung in der Mitte des Blüthenstandes
zusammengedrängt sind, und sich auf das innigste
mit einander verbinden können.

§. 71.

Die nahe Verwandtschaft mit den vorherge-
henden Theilen des Blüthenstandes zeigt uns die
Natur in verschiedenen regelmässigen Fällen mehr
oder weniger deutlich. So ist z. B. das Pistill der
Iris mit feiner Narbe, in völliger Gestalt eines
Blumenblattes vor unsern Augen. Die schirm-
förmige Narbe der Saracenie zeigt sich zwar nicht
so auffallend aus mehreren Blättern zusammenge-
sezt, doch verläugnet sie sogar die grüne Farbe
nicht. Wollen wir das Mikroscop zu Hülfe


§. 70.

Wir finden den Griffel ſehr oft aus mehreren
einzelnen Griffeln zuſammengewachſen, und die
Theile aus denen er beſtehet laſſen ſich kaum am
Ende, wo ſie nicht einmal immer getrennt ſind,
erkennen. Dieſes Zuſammenwachſen, deſſen
Wirkung wir ſchon öfters bemerkt haben, wird
hier am meiſten möglich; ja es muſs geſchehen,
weil die feinen Theile vor ihrer gänzlichen Ent-
wickelung in der Mitte des Blüthenſtandes
zuſammengedrängt ſind, und ſich auf das innigſte
mit einander verbinden können.

§. 71.

Die nahe Verwandtſchaft mit den vorherge-
henden Theilen des Blüthenſtandes zeigt uns die
Natur in verſchiedenen regelmäſsigen Fällen mehr
oder weniger deutlich. So iſt z. B. das Piſtill der
Iris mit feiner Narbe, in völliger Geſtalt eines
Blumenblattes vor unſern Augen. Die ſchirm-
förmige Narbe der Saracenie zeigt ſich zwar nicht
ſo auffallend aus mehreren Blättern zuſammenge-
ſezt, doch verläugnet ſie ſogar die grüne Farbe
nicht. Wollen wir das Mikroſcop zu Hülfe

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0061" n="46"/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#c">§. 70.</hi> </head><lb/>
          <p>Wir finden den Griffel &#x017F;ehr oft aus mehreren<lb/>
einzelnen Griffeln zu&#x017F;ammengewach&#x017F;en, und die<lb/>
Theile aus denen er be&#x017F;tehet la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich kaum am<lb/>
Ende, wo &#x017F;ie nicht einmal immer getrennt &#x017F;ind,<lb/>
erkennen. Die&#x017F;es Zu&#x017F;ammenwach&#x017F;en, de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Wirkung wir &#x017F;chon öfters bemerkt haben, wird<lb/>
hier am mei&#x017F;ten möglich; ja es mu&#x017F;s ge&#x017F;chehen,<lb/>
weil die feinen Theile vor ihrer gänzlichen Ent-<lb/>
wickelung in der Mitte des Blüthen&#x017F;tandes<lb/>
zu&#x017F;ammengedrängt &#x017F;ind, und &#x017F;ich auf das innig&#x017F;te<lb/>
mit einander verbinden können.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#c">§. 71.</hi> </head><lb/>
          <p>Die nahe Verwandt&#x017F;chaft mit den vorherge-<lb/>
henden Theilen des Blüthen&#x017F;tandes zeigt uns die<lb/>
Natur in ver&#x017F;chiedenen regelmä&#x017F;sigen Fällen mehr<lb/>
oder weniger deutlich. So i&#x017F;t z. B. das Pi&#x017F;till der<lb/>
Iris mit feiner Narbe, in völliger Ge&#x017F;talt eines<lb/>
Blumenblattes vor un&#x017F;ern Augen. Die &#x017F;chirm-<lb/>
förmige Narbe der Saracenie zeigt &#x017F;ich zwar nicht<lb/>
&#x017F;o auffallend aus mehreren Blättern zu&#x017F;ammenge-<lb/>
&#x017F;ezt, doch verläugnet &#x017F;ie &#x017F;ogar die grüne Farbe<lb/>
nicht. Wollen wir das Mikro&#x017F;cop zu Hülfe<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[46/0061] §. 70. Wir finden den Griffel ſehr oft aus mehreren einzelnen Griffeln zuſammengewachſen, und die Theile aus denen er beſtehet laſſen ſich kaum am Ende, wo ſie nicht einmal immer getrennt ſind, erkennen. Dieſes Zuſammenwachſen, deſſen Wirkung wir ſchon öfters bemerkt haben, wird hier am meiſten möglich; ja es muſs geſchehen, weil die feinen Theile vor ihrer gänzlichen Ent- wickelung in der Mitte des Blüthenſtandes zuſammengedrängt ſind, und ſich auf das innigſte mit einander verbinden können. §. 71. Die nahe Verwandtſchaft mit den vorherge- henden Theilen des Blüthenſtandes zeigt uns die Natur in verſchiedenen regelmäſsigen Fällen mehr oder weniger deutlich. So iſt z. B. das Piſtill der Iris mit feiner Narbe, in völliger Geſtalt eines Blumenblattes vor unſern Augen. Die ſchirm- förmige Narbe der Saracenie zeigt ſich zwar nicht ſo auffallend aus mehreren Blättern zuſammenge- ſezt, doch verläugnet ſie ſogar die grüne Farbe nicht. Wollen wir das Mikroſcop zu Hülfe

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Es existieren zwei Drucke des "Versuchs" von 1790… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_metamorphose_1790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_metamorphose_1790/61
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Versuch die Metamorphose der Pflanzen zu erklären. Gotha, 1790, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_metamorphose_1790/61>, abgerufen am 21.11.2024.