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Goethe, Johann Wolfgang von: Versuch die Metamorphose der Pflanzen zu erklären. Gotha, 1790.

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§. 30.

Man hat bemerkt, dass häufige Nahrung den
Blüthenstand einer Pflanze verhindere, mässige,
ja kärgliche Nahrung ihn beschleunige. Es zeigt
sich hierdurch die Wirkung der stammblätter,
von welcher oben die Rede gewesen, noch
deutlicher. so lange noch rohere säfte abzuführen
sind, so lange müssen sich die möglichen Organe
der Pflanze zu Werkzeugen dieses Bedürfnisses
ausbilden. Dringt übermässige Nahrung zu, so
muss jene Operation immer wiederholt werden,
und der Blüthenstand wird gleichsam unmöglich.
Entzieht man der Pflanze die Nahrung, so
erleichtert und verkürzt man dagegen jene Wirkung
der Natur; die Organe der Knoten werden ver-
feinert, die Wirkung der unverfälschten säfte
reiner und kräftiger, die Umwandlung der Theile
wird möglich, und geschieht unaufhaltsam.



§. 30.

Man hat bemerkt, daſs häufige Nahrung den
Blüthenſtand einer Pflanze verhindere, mäſsíge,
ja kärgliche Nahrung ihn beſchleunige. Es zeigt
ſich hierdurch die Wirkung der ſtammblätter,
von welcher oben die Rede geweſen, noch
deutlicher. ſo lange noch rohere ſäfte abzuführen
ſind, ſo lange müſſen ſich die möglichen Organe
der Pflanze zu Werkzeugen dieſes Bedürfniſſes
ausbilden. Dringt übermäſsige Nahrung zu, ſo
muſs jene Operation immer wiederholt werden,
und der Blüthenſtand wird gleichſam unmöglich.
Entzieht man der Pflanze die Nahrung, ſo
erleichtert und verkürzt man dagegen jene Wirkung
der Natur; die Organe der Knoten werden ver-
feinert, die Wirkung der unverfälſchten ſäfte
reiner und kräftiger, die Umwandlung der Theile
wird möglich, und geſchieht unaufhaltſam.


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[20/0035] §. 30. Man hat bemerkt, daſs häufige Nahrung den Blüthenſtand einer Pflanze verhindere, mäſsíge, ja kärgliche Nahrung ihn beſchleunige. Es zeigt ſich hierdurch die Wirkung der ſtammblätter, von welcher oben die Rede geweſen, noch deutlicher. ſo lange noch rohere ſäfte abzuführen ſind, ſo lange müſſen ſich die möglichen Organe der Pflanze zu Werkzeugen dieſes Bedürfniſſes ausbilden. Dringt übermäſsige Nahrung zu, ſo muſs jene Operation immer wiederholt werden, und der Blüthenſtand wird gleichſam unmöglich. Entzieht man der Pflanze die Nahrung, ſo erleichtert und verkürzt man dagegen jene Wirkung der Natur; die Organe der Knoten werden ver- feinert, die Wirkung der unverfälſchten ſäfte reiner und kräftiger, die Umwandlung der Theile wird möglich, und geſchieht unaufhaltſam.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Versuch die Metamorphose der Pflanzen zu erklären. Gotha, 1790, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_metamorphose_1790/35>, abgerufen am 21.11.2024.