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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

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an, suchen Sie ein ander Quartier, nehmen
Sie meinen Dank und die goldne Uhr als
eine kleine Erkenntlichkeit, nur verlassen Sie
mich; Ihre Gegenwart beunruhigt mich mehr
als Sie glauben.

Sie lachte ihm ins Gesicht, als er geen¬
digt hatte. Du bist ein Thor, sagte sie, du
wirst nicht klug werden. Ich weiß besser
was dir gut ist; ich werde bleiben; ich wer¬
de mich nicht von der Stelle rühren. Auf
den Dank der Männer habe ich niemals ge¬
rechnet, also auch auf deinen nicht; und
wenn ich dich lieb habe, was geht's dich an?

Sie blieb, und hatte sich bald bey dem
Pfarrer und seiner Familie eingeschmeichelt,
indem sie immer lustig war, jedem etwas zu
schenken, jedem nach dem Sinne zu reden
wußte, und dabey immer that, was sie woll¬
te. Wilhelm befand sich nicht übel; der
Chirurgus, ein unwissender, aber nicht unge¬

an, ſuchen Sie ein ander Quartier, nehmen
Sie meinen Dank und die goldne Uhr als
eine kleine Erkenntlichkeit, nur verlaſſen Sie
mich; Ihre Gegenwart beunruhigt mich mehr
als Sie glauben.

Sie lachte ihm ins Geſicht, als er geen¬
digt hatte. Du biſt ein Thor, ſagte ſie, du
wirſt nicht klug werden. Ich weiß beſſer
was dir gut iſt; ich werde bleiben; ich wer¬
de mich nicht von der Stelle rühren. Auf
den Dank der Männer habe ich niemals ge¬
rechnet, alſo auch auf deinen nicht; und
wenn ich dich lieb habe, was geht’s dich an?

Sie blieb, und hatte ſich bald bey dem
Pfarrer und ſeiner Familie eingeſchmeichelt,
indem ſie immer luſtig war, jedem etwas zu
ſchenken, jedem nach dem Sinne zu reden
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[249/0257] an, ſuchen Sie ein ander Quartier, nehmen Sie meinen Dank und die goldne Uhr als eine kleine Erkenntlichkeit, nur verlaſſen Sie mich; Ihre Gegenwart beunruhigt mich mehr als Sie glauben. Sie lachte ihm ins Geſicht, als er geen¬ digt hatte. Du biſt ein Thor, ſagte ſie, du wirſt nicht klug werden. Ich weiß beſſer was dir gut iſt; ich werde bleiben; ich wer¬ de mich nicht von der Stelle rühren. Auf den Dank der Männer habe ich niemals ge¬ rechnet, alſo auch auf deinen nicht; und wenn ich dich lieb habe, was geht’s dich an? Sie blieb, und hatte ſich bald bey dem Pfarrer und ſeiner Familie eingeſchmeichelt, indem ſie immer luſtig war, jedem etwas zu ſchenken, jedem nach dem Sinne zu reden wußte, und dabey immer that, was ſie woll¬ te. Wilhelm befand ſich nicht übel; der Chirurgus, ein unwiſſender, aber nicht unge¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795/257>, abgerufen am 21.11.2024.