Daß es aber stark disperse Mittel geben soll, durch welche das Grün mehr nach oben gerückt wird, oder nach jener Terminologie zu den mehr refrangiblen Rei- hen gehört, scheint ganz unmöglich, weil die Säume ins helle Bild hinein stärker wachsen müßten, als aus dem Hellen hinaus; welches sich nicht denken läßt, da beyde Randerscheinungen sich jederzeit völlig auf gleiche Weise ausdehnen.
Was hingegen Dr. Blair gesehen haben mag, glauben wir indeß durch eine Vermuthung auslegen zu können. Er bedient sich zu diesen Versuchen seiner hoh- len Prismen. Diese sind aus Messing und Glas zu- sammengesetzt. Wahrscheinlich haben Salz- und Sal- petersäure etwas von dem Messing aufgelöst, und einen Grünspan in sich aufgenommen. Durch dieses nun- mehr grün gefärbte Mittel wurde das Grün des Spec- trums erhöht, und der violette Theil desselben depri- mirt. Ja es ist möglich, daß der äußerste zarte Theil des Saums völlig aufgehoben worden. Auf diese Weise rückt freylich das Grün scheinbar weit genug hinauf, wie man sich dieß Resultat schon durch jedes grüne Glas vergegenwärtigen kann.
ad XXII und XXIV.
Durch diese beyden Paragraphen wird jene Ver- muthung noch bestärkt: denn hier kommen Versuche vor, durch welche, nach aufgehobenen Randstrahlen, die grünen mittleren Strahlen in ihrem Werth geblieben seyn sollen. Was kann das anders heißen, als daß
Daß es aber ſtark diſperſe Mittel geben ſoll, durch welche das Gruͤn mehr nach oben geruͤckt wird, oder nach jener Terminologie zu den mehr refrangiblen Rei- hen gehoͤrt, ſcheint ganz unmoͤglich, weil die Saͤume ins helle Bild hinein ſtaͤrker wachſen muͤßten, als aus dem Hellen hinaus; welches ſich nicht denken laͤßt, da beyde Randerſcheinungen ſich jederzeit voͤllig auf gleiche Weiſe ausdehnen.
Was hingegen Dr. Blair geſehen haben mag, glauben wir indeß durch eine Vermuthung auslegen zu koͤnnen. Er bedient ſich zu dieſen Verſuchen ſeiner hoh- len Prismen. Dieſe ſind aus Meſſing und Glas zu- ſammengeſetzt. Wahrſcheinlich haben Salz- und Sal- peterſaͤure etwas von dem Meſſing aufgeloͤſt, und einen Gruͤnſpan in ſich aufgenommen. Durch dieſes nun- mehr gruͤn gefaͤrbte Mittel wurde das Gruͤn des Spec- trums erhoͤht, und der violette Theil deſſelben depri- mirt. Ja es iſt moͤglich, daß der aͤußerſte zarte Theil des Saums voͤllig aufgehoben worden. Auf dieſe Weiſe ruͤckt freylich das Gruͤn ſcheinbar weit genug hinauf, wie man ſich dieß Reſultat ſchon durch jedes gruͤne Glas vergegenwaͤrtigen kann.
ad XXII und XXIV.
Durch dieſe beyden Paragraphen wird jene Ver- muthung noch beſtaͤrkt: denn hier kommen Verſuche vor, durch welche, nach aufgehobenen Randſtrahlen, die gruͤnen mittleren Strahlen in ihrem Werth geblieben ſeyn ſollen. Was kann das anders heißen, als daß
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Daß es aber ſtark diſperſe Mittel geben ſoll, durch
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nach jener Terminologie zu den mehr refrangiblen Rei-
hen gehoͤrt, ſcheint ganz unmoͤglich, weil die Saͤume
ins helle Bild hinein ſtaͤrker wachſen muͤßten, als aus
dem Hellen hinaus; welches ſich nicht denken laͤßt, da
beyde Randerſcheinungen ſich jederzeit voͤllig auf gleiche
Weiſe ausdehnen.
Was hingegen Dr. Blair geſehen haben mag,
glauben wir indeß durch eine Vermuthung auslegen zu
koͤnnen. Er bedient ſich zu dieſen Verſuchen ſeiner hoh-
len Prismen. Dieſe ſind aus Meſſing und Glas zu-
ſammengeſetzt. Wahrſcheinlich haben Salz- und Sal-
peterſaͤure etwas von dem Meſſing aufgeloͤſt, und einen
Gruͤnſpan in ſich aufgenommen. Durch dieſes nun-
mehr gruͤn gefaͤrbte Mittel wurde das Gruͤn des Spec-
trums erhoͤht, und der violette Theil deſſelben depri-
mirt. Ja es iſt moͤglich, daß der aͤußerſte zarte Theil
des Saums voͤllig aufgehoben worden. Auf dieſe Weiſe
ruͤckt freylich das Gruͤn ſcheinbar weit genug hinauf,
wie man ſich dieß Reſultat ſchon durch jedes gruͤne
Glas vergegenwaͤrtigen kann.
ad XXII und XXIV.
Durch dieſe beyden Paragraphen wird jene Ver-
muthung noch beſtaͤrkt: denn hier kommen Verſuche
vor, durch welche, nach aufgehobenen Randſtrahlen,
die gruͤnen mittleren Strahlen in ihrem Werth geblieben
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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 662. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/696>, abgerufen am 21.11.2024.
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