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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

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Schema des Aguilonius, das er mit einiger Ver-
änderung benutzt. Er behauptet, alle Farben seyen
wahr, worin er in gewissem Sinne Recht hat, will
von den andern Eintheilungen nichts wissen, worin
er didactisch Unrecht hat. Genug er gründet sich
darauf, daß jede Farbe, sie möge an Körpern oder
sonst erscheinen, eine wahre entschiedene Ursache hinter
sich habe.

Drittes Capitel. Chromatismus der Luft.
Er handelt von den Farben des Himmels und des Mee-
res und bringt verschiedene ältere Meynungen über die
Bläue der Luft vor. Wir übersetzen die Stelle, welche
seine eigenen Gedanken enthält, um den Leser urthei-
len zu lassen, wie nahe er an der ächten Erklärungs-
art gewesen. Denn er fühlt die Bedeutsamkeit des
nicht völlig Durchsichtigen, wodurch wir ja zunächst
auf die Trübe hingeleitet werden.

Warum der Himmel blau erscheint.

"Zuvörderst muß man wissen, daß unser Gesicht
nichts sehen könne, als was eine Farbe hat. Weil
aber das Gesicht nicht immer auf dunkle Körper oder
Körper von gefärbter Oberfläche gerichtet ist, sondern
auch sich in den unendlichen Luftraum und in die
himmlischen durchsichtigen Fernen, welche keine Dü-
sternheit haben, verliert, wie wenn wir den heiteren
Himmel und entfernte hohe Gebirgsgipfel betrachten;
so war, damit eine solche Handlung nicht ihres Zwe-

Schema des Aguilonius, das er mit einiger Ver-
aͤnderung benutzt. Er behauptet, alle Farben ſeyen
wahr, worin er in gewiſſem Sinne Recht hat, will
von den andern Eintheilungen nichts wiſſen, worin
er didactiſch Unrecht hat. Genug er gruͤndet ſich
darauf, daß jede Farbe, ſie moͤge an Koͤrpern oder
ſonſt erſcheinen, eine wahre entſchiedene Urſache hinter
ſich habe.

Drittes Capitel. Chromatismus der Luft.
Er handelt von den Farben des Himmels und des Mee-
res und bringt verſchiedene aͤltere Meynungen uͤber die
Blaͤue der Luft vor. Wir uͤberſetzen die Stelle, welche
ſeine eigenen Gedanken enthaͤlt, um den Leſer urthei-
len zu laſſen, wie nahe er an der aͤchten Erklaͤrungs-
art geweſen. Denn er fuͤhlt die Bedeutſamkeit des
nicht voͤllig Durchſichtigen, wodurch wir ja zunaͤchſt
auf die Truͤbe hingeleitet werden.

Warum der Himmel blau erſcheint.

„Zuvoͤrderſt muß man wiſſen, daß unſer Geſicht
nichts ſehen koͤnne, als was eine Farbe hat. Weil
aber das Geſicht nicht immer auf dunkle Koͤrper oder
Koͤrper von gefaͤrbter Oberflaͤche gerichtet iſt, ſondern
auch ſich in den unendlichen Luftraum und in die
himmliſchen durchſichtigen Fernen, welche keine Duͤ-
ſternheit haben, verliert, wie wenn wir den heiteren
Himmel und entfernte hohe Gebirgsgipfel betrachten;
ſo war, damit eine ſolche Handlung nicht ihres Zwe-

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[281/0315] Schema des Aguilonius, das er mit einiger Ver- aͤnderung benutzt. Er behauptet, alle Farben ſeyen wahr, worin er in gewiſſem Sinne Recht hat, will von den andern Eintheilungen nichts wiſſen, worin er didactiſch Unrecht hat. Genug er gruͤndet ſich darauf, daß jede Farbe, ſie moͤge an Koͤrpern oder ſonſt erſcheinen, eine wahre entſchiedene Urſache hinter ſich habe. Drittes Capitel. Chromatismus der Luft. Er handelt von den Farben des Himmels und des Mee- res und bringt verſchiedene aͤltere Meynungen uͤber die Blaͤue der Luft vor. Wir uͤberſetzen die Stelle, welche ſeine eigenen Gedanken enthaͤlt, um den Leſer urthei- len zu laſſen, wie nahe er an der aͤchten Erklaͤrungs- art geweſen. Denn er fuͤhlt die Bedeutſamkeit des nicht voͤllig Durchſichtigen, wodurch wir ja zunaͤchſt auf die Truͤbe hingeleitet werden. Warum der Himmel blau erſcheint. „Zuvoͤrderſt muß man wiſſen, daß unſer Geſicht nichts ſehen koͤnne, als was eine Farbe hat. Weil aber das Geſicht nicht immer auf dunkle Koͤrper oder Koͤrper von gefaͤrbter Oberflaͤche gerichtet iſt, ſondern auch ſich in den unendlichen Luftraum und in die himmliſchen durchſichtigen Fernen, welche keine Duͤ- ſternheit haben, verliert, wie wenn wir den heiteren Himmel und entfernte hohe Gebirgsgipfel betrachten; ſo war, damit eine ſolche Handlung nicht ihres Zwe-

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/315>, abgerufen am 21.11.2024.