Schema des Aguilonius, das er mit einiger Ver- änderung benutzt. Er behauptet, alle Farben seyen wahr, worin er in gewissem Sinne Recht hat, will von den andern Eintheilungen nichts wissen, worin er didactisch Unrecht hat. Genug er gründet sich darauf, daß jede Farbe, sie möge an Körpern oder sonst erscheinen, eine wahre entschiedene Ursache hinter sich habe.
Drittes Capitel. Chromatismus der Luft. Er handelt von den Farben des Himmels und des Mee- res und bringt verschiedene ältere Meynungen über die Bläue der Luft vor. Wir übersetzen die Stelle, welche seine eigenen Gedanken enthält, um den Leser urthei- len zu lassen, wie nahe er an der ächten Erklärungs- art gewesen. Denn er fühlt die Bedeutsamkeit des nicht völlig Durchsichtigen, wodurch wir ja zunächst auf die Trübe hingeleitet werden.
Warum der Himmel blau erscheint.
"Zuvörderst muß man wissen, daß unser Gesicht nichts sehen könne, als was eine Farbe hat. Weil aber das Gesicht nicht immer auf dunkle Körper oder Körper von gefärbter Oberfläche gerichtet ist, sondern auch sich in den unendlichen Luftraum und in die himmlischen durchsichtigen Fernen, welche keine Dü- sternheit haben, verliert, wie wenn wir den heiteren Himmel und entfernte hohe Gebirgsgipfel betrachten; so war, damit eine solche Handlung nicht ihres Zwe-
Schema des Aguilonius, das er mit einiger Ver- aͤnderung benutzt. Er behauptet, alle Farben ſeyen wahr, worin er in gewiſſem Sinne Recht hat, will von den andern Eintheilungen nichts wiſſen, worin er didactiſch Unrecht hat. Genug er gruͤndet ſich darauf, daß jede Farbe, ſie moͤge an Koͤrpern oder ſonſt erſcheinen, eine wahre entſchiedene Urſache hinter ſich habe.
Drittes Capitel. Chromatismus der Luft. Er handelt von den Farben des Himmels und des Mee- res und bringt verſchiedene aͤltere Meynungen uͤber die Blaͤue der Luft vor. Wir uͤberſetzen die Stelle, welche ſeine eigenen Gedanken enthaͤlt, um den Leſer urthei- len zu laſſen, wie nahe er an der aͤchten Erklaͤrungs- art geweſen. Denn er fuͤhlt die Bedeutſamkeit des nicht voͤllig Durchſichtigen, wodurch wir ja zunaͤchſt auf die Truͤbe hingeleitet werden.
Warum der Himmel blau erſcheint.
„Zuvoͤrderſt muß man wiſſen, daß unſer Geſicht nichts ſehen koͤnne, als was eine Farbe hat. Weil aber das Geſicht nicht immer auf dunkle Koͤrper oder Koͤrper von gefaͤrbter Oberflaͤche gerichtet iſt, ſondern auch ſich in den unendlichen Luftraum und in die himmliſchen durchſichtigen Fernen, welche keine Duͤ- ſternheit haben, verliert, wie wenn wir den heiteren Himmel und entfernte hohe Gebirgsgipfel betrachten; ſo war, damit eine ſolche Handlung nicht ihres Zwe-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0315"n="281"/>
Schema des Aguilonius, das er mit einiger Ver-<lb/>
aͤnderung benutzt. Er behauptet, alle Farben ſeyen<lb/>
wahr, worin er in gewiſſem Sinne Recht hat, will<lb/>
von den andern Eintheilungen nichts wiſſen, worin<lb/>
er didactiſch Unrecht hat. Genug er gruͤndet ſich<lb/>
darauf, daß jede Farbe, ſie moͤge an Koͤrpern oder<lb/>ſonſt erſcheinen, eine wahre entſchiedene Urſache hinter<lb/>ſich habe.</p><lb/><p><hirendition="#g">Drittes Capitel</hi>. Chromatismus der Luft.<lb/>
Er handelt von den Farben des Himmels und des Mee-<lb/>
res und bringt verſchiedene aͤltere Meynungen uͤber die<lb/>
Blaͤue der Luft vor. Wir uͤberſetzen die Stelle, welche<lb/>ſeine eigenen Gedanken enthaͤlt, um den Leſer urthei-<lb/>
len zu laſſen, wie nahe er an der aͤchten Erklaͤrungs-<lb/>
art geweſen. Denn er fuͤhlt die Bedeutſamkeit des<lb/>
nicht voͤllig Durchſichtigen, wodurch wir ja zunaͤchſt<lb/>
auf die Truͤbe hingeleitet werden.</p><lb/><divn="3"><head>Warum der Himmel blau erſcheint.</head><lb/><p>„Zuvoͤrderſt muß man wiſſen, daß unſer Geſicht<lb/>
nichts ſehen koͤnne, als was eine Farbe hat. Weil<lb/>
aber das Geſicht nicht immer auf dunkle Koͤrper oder<lb/>
Koͤrper von gefaͤrbter Oberflaͤche gerichtet iſt, ſondern<lb/>
auch ſich in den unendlichen Luftraum und in die<lb/>
himmliſchen durchſichtigen Fernen, welche keine Duͤ-<lb/>ſternheit haben, verliert, wie wenn wir den heiteren<lb/>
Himmel und entfernte hohe Gebirgsgipfel betrachten;<lb/>ſo war, damit eine ſolche Handlung nicht ihres Zwe-<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[281/0315]
Schema des Aguilonius, das er mit einiger Ver-
aͤnderung benutzt. Er behauptet, alle Farben ſeyen
wahr, worin er in gewiſſem Sinne Recht hat, will
von den andern Eintheilungen nichts wiſſen, worin
er didactiſch Unrecht hat. Genug er gruͤndet ſich
darauf, daß jede Farbe, ſie moͤge an Koͤrpern oder
ſonſt erſcheinen, eine wahre entſchiedene Urſache hinter
ſich habe.
Drittes Capitel. Chromatismus der Luft.
Er handelt von den Farben des Himmels und des Mee-
res und bringt verſchiedene aͤltere Meynungen uͤber die
Blaͤue der Luft vor. Wir uͤberſetzen die Stelle, welche
ſeine eigenen Gedanken enthaͤlt, um den Leſer urthei-
len zu laſſen, wie nahe er an der aͤchten Erklaͤrungs-
art geweſen. Denn er fuͤhlt die Bedeutſamkeit des
nicht voͤllig Durchſichtigen, wodurch wir ja zunaͤchſt
auf die Truͤbe hingeleitet werden.
Warum der Himmel blau erſcheint.
„Zuvoͤrderſt muß man wiſſen, daß unſer Geſicht
nichts ſehen koͤnne, als was eine Farbe hat. Weil
aber das Geſicht nicht immer auf dunkle Koͤrper oder
Koͤrper von gefaͤrbter Oberflaͤche gerichtet iſt, ſondern
auch ſich in den unendlichen Luftraum und in die
himmliſchen durchſichtigen Fernen, welche keine Duͤ-
ſternheit haben, verliert, wie wenn wir den heiteren
Himmel und entfernte hohe Gebirgsgipfel betrachten;
ſo war, damit eine ſolche Handlung nicht ihres Zwe-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/315>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.