weil es freylich seiner Lehre geradezn widerspricht (90--93).
245.
Hat man den wahren Begriff recht gefaßt, so wird man das Falsche der Newtonischen Vorstellung gleich erkennen, die wir (P. 103--110) genugsam erörtert haben. Gegenwärtig bringen wir folgendes bey. Nach Newton besteht das verlängerte Bild aus lauter in einander greifenden Kreisen, welche in dem weißen Sonnenbilde sich gleichsam deckend über einander liegen und nun, wegen ihrer diversen Refrangibilität, durch die Refraction aus einander geschoben werden. Nun kommt er auf den Gedanken, wenn man die Diameter der Kreise verkleinerte und das prismatische Bild soviel als möglich verlängerte; so würden sie nicht mehr, wie beym größren Bilde über einander greifen, sondern sich mehr von einander entfernen und aus einander treten. Um sich dieses zu versinnlichen, stelle man eine Säule von Speciesthalern und eine andere von eben soviel Groschen neben einander auf den Tisch, lege sie um, und schiebe sie in gleicher Richtung sacht aus einander, und zwar daß die Mittelpuncte der Thaler und Gro- schen jederzeit gegen einander über liegen; und man wird bald sehen, daß die Groschen schon lange von einander abgesondert sind, wenn die Peripherieen der Thaler noch über einander greifen. Auf eine so crude Weise hat sich Newton die diverse Refrangibilität seiner homogenen Strahlen gedacht, so hat er sie abgebildet;
weil es freylich ſeiner Lehre geradezn widerſpricht (90—93).
245.
Hat man den wahren Begriff recht gefaßt, ſo wird man das Falſche der Newtoniſchen Vorſtellung gleich erkennen, die wir (P. 103—110) genugſam eroͤrtert haben. Gegenwaͤrtig bringen wir folgendes bey. Nach Newton beſteht das verlaͤngerte Bild aus lauter in einander greifenden Kreiſen, welche in dem weißen Sonnenbilde ſich gleichſam deckend uͤber einander liegen und nun, wegen ihrer diverſen Refrangibilitaͤt, durch die Refraction aus einander geſchoben werden. Nun kommt er auf den Gedanken, wenn man die Diameter der Kreiſe verkleinerte und das prismatiſche Bild ſoviel als moͤglich verlaͤngerte; ſo wuͤrden ſie nicht mehr, wie beym groͤßren Bilde uͤber einander greifen, ſondern ſich mehr von einander entfernen und aus einander treten. Um ſich dieſes zu verſinnlichen, ſtelle man eine Saͤule von Speciesthalern und eine andere von eben ſoviel Groſchen neben einander auf den Tiſch, lege ſie um, und ſchiebe ſie in gleicher Richtung ſacht aus einander, und zwar daß die Mittelpuncte der Thaler und Gro- ſchen jederzeit gegen einander uͤber liegen; und man wird bald ſehen, daß die Groſchen ſchon lange von einander abgeſondert ſind, wenn die Peripherieen der Thaler noch uͤber einander greifen. Auf eine ſo crude Weiſe hat ſich Newton die diverſe Refrangibilitaͤt ſeiner homogenen Strahlen gedacht, ſo hat er ſie abgebildet;
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weil es freylich ſeiner Lehre geradezn widerſpricht
(90—93).
245.
Hat man den wahren Begriff recht gefaßt, ſo
wird man das Falſche der Newtoniſchen Vorſtellung
gleich erkennen, die wir (P. 103—110) genugſam
eroͤrtert haben. Gegenwaͤrtig bringen wir folgendes bey.
Nach Newton beſteht das verlaͤngerte Bild aus lauter
in einander greifenden Kreiſen, welche in dem weißen
Sonnenbilde ſich gleichſam deckend uͤber einander liegen
und nun, wegen ihrer diverſen Refrangibilitaͤt, durch
die Refraction aus einander geſchoben werden. Nun
kommt er auf den Gedanken, wenn man die Diameter
der Kreiſe verkleinerte und das prismatiſche Bild ſoviel
als moͤglich verlaͤngerte; ſo wuͤrden ſie nicht mehr, wie
beym groͤßren Bilde uͤber einander greifen, ſondern ſich
mehr von einander entfernen und aus einander treten.
Um ſich dieſes zu verſinnlichen, ſtelle man eine Saͤule
von Speciesthalern und eine andere von eben ſoviel
Groſchen neben einander auf den Tiſch, lege ſie um,
und ſchiebe ſie in gleicher Richtung ſacht aus einander,
und zwar daß die Mittelpuncte der Thaler und Gro-
ſchen jederzeit gegen einander uͤber liegen; und man
wird bald ſehen, daß die Groſchen ſchon lange von
einander abgeſondert ſind, wenn die Peripherieen der
Thaler noch uͤber einander greifen. Auf eine ſo crude
Weiſe hat ſich Newton die diverſe Refrangibilitaͤt ſeiner
homogenen Strahlen gedacht, ſo hat er ſie abgebildet;
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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 491. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/545>, abgerufen am 21.11.2024.
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