Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

Bild:
<< vorherige Seite

skieron sey, daß wenn wir eine Farbe auf einen hellen
Gegenstand hinwerfen, es sey auf welche Weise es
wolle, wir denselben nicht beleuchten, sondern beschat-
ten. Mit solchem Schattenlicht, mit solcher Halbfinster-
niß fängt Newton sehr künstlich seinen ganzen Vortrag
an, und kein Wunder, daß er diejenigen, die ihm sein
Erstes zugeben, von nun an im Dunkeln oder Halbdun-
keln zu erhalten weiß.

26.

dieselben sind auch an Refrangibilität -- Wie
springt doch auf einmal dieses abstracte Wort hervor!
Freylich steht es schon in den Axiomen, und der auf-
merksam gläubige Schüler ist bereits von diesen Wundern
durchdrungen, und hat nicht mehr die Freyheit, dasjenige,
was ihm vorgeführt wird, mit einigem Mistrauen zu
untersuchen.

27.

verschieden -- Die Refrangibilität macht uns also
mit einem großen Geheimniß bekannt. Das Licht, je-
nes Wesen, das wir nur als eine Einheit, als einfach
wirkend gewahr werden, wird uns nun als ein Zusam-
mengesetztes, aus verschiedenartigen Theilen Bestehendes,
auf eine verschiedene Weise Wirkendes dargestellt.

Wir geben gern zu, daß sich aus einer Einheit, an
einer Einheit ein Diverses entwickeln, eine Differenz ent-
stehen könne; allein es gibt gar verschiedene Arten, wie
dieses geschehen mag. Wir wollen hier nur zweyer geden-

24 *

σκιερὸν ſey, daß wenn wir eine Farbe auf einen hellen
Gegenſtand hinwerfen, es ſey auf welche Weiſe es
wolle, wir denſelben nicht beleuchten, ſondern beſchat-
ten. Mit ſolchem Schattenlicht, mit ſolcher Halbfinſter-
niß faͤngt Newton ſehr kuͤnſtlich ſeinen ganzen Vortrag
an, und kein Wunder, daß er diejenigen, die ihm ſein
Erſtes zugeben, von nun an im Dunkeln oder Halbdun-
keln zu erhalten weiß.

26.

dieſelben ſind auch an Refrangibilitaͤt — Wie
ſpringt doch auf einmal dieſes abſtracte Wort hervor!
Freylich ſteht es ſchon in den Axiomen, und der auf-
merkſam glaͤubige Schuͤler iſt bereits von dieſen Wundern
durchdrungen, und hat nicht mehr die Freyheit, dasjenige,
was ihm vorgefuͤhrt wird, mit einigem Mistrauen zu
unterſuchen.

27.

verſchieden — Die Refrangibilitaͤt macht uns alſo
mit einem großen Geheimniß bekannt. Das Licht, je-
nes Weſen, das wir nur als eine Einheit, als einfach
wirkend gewahr werden, wird uns nun als ein Zuſam-
mengeſetztes, aus verſchiedenartigen Theilen Beſtehendes,
auf eine verſchiedene Weiſe Wirkendes dargeſtellt.

Wir geben gern zu, daß ſich aus einer Einheit, an
einer Einheit ein Diverſes entwickeln, eine Differenz ent-
ſtehen koͤnne; allein es gibt gar verſchiedene Arten, wie
dieſes geſchehen mag. Wir wollen hier nur zweyer geden-

24 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0425" n="371"/>
&#x03C3;&#x03BA;&#x03B9;&#x03B5;&#x03C1;&#x1F78;&#x03BD; &#x017F;ey, daß wenn wir eine Farbe auf einen hellen<lb/>
Gegen&#x017F;tand hinwerfen, es &#x017F;ey auf welche Wei&#x017F;e es<lb/>
wolle, wir den&#x017F;elben nicht beleuchten, &#x017F;ondern be&#x017F;chat-<lb/>
ten. Mit &#x017F;olchem Schattenlicht, mit &#x017F;olcher Halbfin&#x017F;ter-<lb/>
niß fa&#x0364;ngt Newton &#x017F;ehr ku&#x0364;n&#x017F;tlich &#x017F;einen ganzen Vortrag<lb/>
an, und kein Wunder, daß er diejenigen, die ihm &#x017F;ein<lb/>
Er&#x017F;tes zugeben, von nun an im Dunkeln oder Halbdun-<lb/>
keln zu erhalten weiß.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>26.</head><lb/>
              <p>die&#x017F;elben &#x017F;ind auch an Refrangibilita&#x0364;t &#x2014; Wie<lb/>
&#x017F;pringt doch auf einmal die&#x017F;es ab&#x017F;tracte Wort hervor!<lb/>
Freylich &#x017F;teht es &#x017F;chon in den Axiomen, und der auf-<lb/>
merk&#x017F;am gla&#x0364;ubige Schu&#x0364;ler i&#x017F;t bereits von die&#x017F;en Wundern<lb/>
durchdrungen, und hat nicht mehr die Freyheit, dasjenige,<lb/>
was ihm vorgefu&#x0364;hrt wird, mit einigem Mistrauen zu<lb/>
unter&#x017F;uchen.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>27.</head><lb/>
              <p>ver&#x017F;chieden &#x2014; Die Refrangibilita&#x0364;t macht uns al&#x017F;o<lb/>
mit einem großen Geheimniß bekannt. Das Licht, je-<lb/>
nes We&#x017F;en, das wir nur als eine Einheit, als einfach<lb/>
wirkend gewahr werden, wird uns nun als ein Zu&#x017F;am-<lb/>
menge&#x017F;etztes, aus ver&#x017F;chiedenartigen Theilen Be&#x017F;tehendes,<lb/>
auf eine ver&#x017F;chiedene Wei&#x017F;e Wirkendes darge&#x017F;tellt.</p><lb/>
              <p>Wir geben gern zu, daß &#x017F;ich aus einer Einheit, an<lb/>
einer Einheit ein Diver&#x017F;es entwickeln, eine Differenz ent-<lb/>
&#x017F;tehen ko&#x0364;nne; allein es gibt gar ver&#x017F;chiedene Arten, wie<lb/>
die&#x017F;es ge&#x017F;chehen mag. Wir wollen hier nur zweyer geden-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">24 *</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[371/0425] σκιερὸν ſey, daß wenn wir eine Farbe auf einen hellen Gegenſtand hinwerfen, es ſey auf welche Weiſe es wolle, wir denſelben nicht beleuchten, ſondern beſchat- ten. Mit ſolchem Schattenlicht, mit ſolcher Halbfinſter- niß faͤngt Newton ſehr kuͤnſtlich ſeinen ganzen Vortrag an, und kein Wunder, daß er diejenigen, die ihm ſein Erſtes zugeben, von nun an im Dunkeln oder Halbdun- keln zu erhalten weiß. 26. dieſelben ſind auch an Refrangibilitaͤt — Wie ſpringt doch auf einmal dieſes abſtracte Wort hervor! Freylich ſteht es ſchon in den Axiomen, und der auf- merkſam glaͤubige Schuͤler iſt bereits von dieſen Wundern durchdrungen, und hat nicht mehr die Freyheit, dasjenige, was ihm vorgefuͤhrt wird, mit einigem Mistrauen zu unterſuchen. 27. verſchieden — Die Refrangibilitaͤt macht uns alſo mit einem großen Geheimniß bekannt. Das Licht, je- nes Weſen, das wir nur als eine Einheit, als einfach wirkend gewahr werden, wird uns nun als ein Zuſam- mengeſetztes, aus verſchiedenartigen Theilen Beſtehendes, auf eine verſchiedene Weiſe Wirkendes dargeſtellt. Wir geben gern zu, daß ſich aus einer Einheit, an einer Einheit ein Diverſes entwickeln, eine Differenz ent- ſtehen koͤnne; allein es gibt gar verſchiedene Arten, wie dieſes geſchehen mag. Wir wollen hier nur zweyer geden- 24 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/425
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/425>, abgerufen am 22.12.2024.