Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

Bild:
<< vorherige Seite

Farbenphänomene in einer gewissen natürlichen Ver-
knüpfung nach einander aufgeführt und sich dadurch
in den Stand gesetzt hätte, eine künstliche und will-
kührliche Stellung und Entstellung derselben an-
schaulicher zu machen. Wir können uns nunmehr
auf einen natürlichen Vortrag sogleich beziehen, und
so in die größte Verwirrung und Verwicklung ein
heilsames Licht verbreiten. Dieses ganz allein ist's,
wodurch die Entscheidung eines Streites möglich
wird, der schon über hundert Jahre dauert, und
so oft er erneuert worden, von der triumphi-
renden Schule als verwegen, frech, ja als lä-
cherlich und abgeschmackt weggewiesen und unter-
drückt wurde.

7.

Wie nun eine solche Hartnäckigkeit möglich
war, wird sich unsern Lesern nach und nach
aufklären. Newton hatte durch eine künstliche
Methode seinem Werk ein dergestalt strenges An-
sehn gegeben, daß Kenner der Form es bewun-
derten und Laien davor erstaunten. Hiezu kam
noch der ehrwürdige Schein einer mathematischen
Behandlung, womit er das Ganze aufzustutzen
wußte.

Farbenphaͤnomene in einer gewiſſen natuͤrlichen Ver-
knuͤpfung nach einander aufgefuͤhrt und ſich dadurch
in den Stand geſetzt haͤtte, eine kuͤnſtliche und will-
kuͤhrliche Stellung und Entſtellung derſelben an-
ſchaulicher zu machen. Wir koͤnnen uns nunmehr
auf einen natuͤrlichen Vortrag ſogleich beziehen, und
ſo in die groͤßte Verwirrung und Verwicklung ein
heilſames Licht verbreiten. Dieſes ganz allein iſt’s,
wodurch die Entſcheidung eines Streites moͤglich
wird, der ſchon uͤber hundert Jahre dauert, und
ſo oft er erneuert worden, von der triumphi-
renden Schule als verwegen, frech, ja als laͤ-
cherlich und abgeſchmackt weggewieſen und unter-
druͤckt wurde.

7.

Wie nun eine ſolche Hartnaͤckigkeit moͤglich
war, wird ſich unſern Leſern nach und nach
aufklaͤren. Newton hatte durch eine kuͤnſtliche
Methode ſeinem Werk ein dergeſtalt ſtrenges An-
ſehn gegeben, daß Kenner der Form es bewun-
derten und Laien davor erſtaunten. Hiezu kam
noch der ehrwuͤrdige Schein einer mathematiſchen
Behandlung, womit er das Ganze aufzuſtutzen
wußte.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0413" n="359"/>
Farbenpha&#x0364;nomene in einer gewi&#x017F;&#x017F;en natu&#x0364;rlichen Ver-<lb/>
knu&#x0364;pfung nach einander aufgefu&#x0364;hrt und &#x017F;ich dadurch<lb/>
in den Stand ge&#x017F;etzt ha&#x0364;tte, eine ku&#x0364;n&#x017F;tliche und will-<lb/>
ku&#x0364;hrliche Stellung und Ent&#x017F;tellung der&#x017F;elben an-<lb/>
&#x017F;chaulicher zu machen. Wir ko&#x0364;nnen uns nunmehr<lb/>
auf einen natu&#x0364;rlichen Vortrag &#x017F;ogleich beziehen, und<lb/>
&#x017F;o in die gro&#x0364;ßte Verwirrung und Verwicklung ein<lb/>
heil&#x017F;ames Licht verbreiten. Die&#x017F;es ganz allein i&#x017F;t&#x2019;s,<lb/>
wodurch die Ent&#x017F;cheidung eines Streites mo&#x0364;glich<lb/>
wird, der &#x017F;chon u&#x0364;ber hundert Jahre dauert, und<lb/>
&#x017F;o oft er erneuert worden, von der triumphi-<lb/>
renden Schule als verwegen, frech, ja als la&#x0364;-<lb/>
cherlich und abge&#x017F;chmackt weggewie&#x017F;en und unter-<lb/>
dru&#x0364;ckt wurde.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>7.</head><lb/>
            <p>Wie nun eine &#x017F;olche Hartna&#x0364;ckigkeit mo&#x0364;glich<lb/>
war, wird &#x017F;ich un&#x017F;ern Le&#x017F;ern nach und nach<lb/>
aufkla&#x0364;ren. Newton hatte durch eine ku&#x0364;n&#x017F;tliche<lb/>
Methode &#x017F;einem Werk ein derge&#x017F;talt &#x017F;trenges An-<lb/>
&#x017F;ehn gegeben, daß Kenner der Form es bewun-<lb/>
derten und Laien davor er&#x017F;taunten. Hiezu kam<lb/>
noch der ehrwu&#x0364;rdige Schein einer mathemati&#x017F;chen<lb/>
Behandlung, womit er das Ganze aufzu&#x017F;tutzen<lb/>
wußte.</p>
          </div><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[359/0413] Farbenphaͤnomene in einer gewiſſen natuͤrlichen Ver- knuͤpfung nach einander aufgefuͤhrt und ſich dadurch in den Stand geſetzt haͤtte, eine kuͤnſtliche und will- kuͤhrliche Stellung und Entſtellung derſelben an- ſchaulicher zu machen. Wir koͤnnen uns nunmehr auf einen natuͤrlichen Vortrag ſogleich beziehen, und ſo in die groͤßte Verwirrung und Verwicklung ein heilſames Licht verbreiten. Dieſes ganz allein iſt’s, wodurch die Entſcheidung eines Streites moͤglich wird, der ſchon uͤber hundert Jahre dauert, und ſo oft er erneuert worden, von der triumphi- renden Schule als verwegen, frech, ja als laͤ- cherlich und abgeſchmackt weggewieſen und unter- druͤckt wurde. 7. Wie nun eine ſolche Hartnaͤckigkeit moͤglich war, wird ſich unſern Leſern nach und nach aufklaͤren. Newton hatte durch eine kuͤnſtliche Methode ſeinem Werk ein dergeſtalt ſtrenges An- ſehn gegeben, daß Kenner der Form es bewun- derten und Laien davor erſtaunten. Hiezu kam noch der ehrwuͤrdige Schein einer mathematiſchen Behandlung, womit er das Ganze aufzuſtutzen wußte.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/413
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 359. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/413>, abgerufen am 22.12.2024.