Um den ersten Begriff faßlich zu machen, der selbst von einem Vieleck immer noch schwer zu abstrahiren ist, schlagen wir einen Cubus vor, dessen drey gesehene Seiten das Licht, die Mitteltinte und den Schatten, abgesondert neben einander vorstellen.
858.
Jedoch um zum Helldunkel einer zusammengesetz- tern Figur überzugehen, wählen wir das Beyspiel ei- nes aufgeschlagenen Buches, welches uns einer größern Mannigfaltigkeit näher bringt.
859.
Die antiken Statuen aus der schönen Zeit findet man zu solchen Wirkungen höchst zweckmäßig gearbeitet. Die Lichtpartieen sind einfach behandelt, die Schatten- seiten desto mehr unterbrochen, damit sie für mannigfal- tige Reflexe empfänglich würden; wobey man sich des Beyspiels vom Vieleck erinnern kann.
860.
Beyspiele antiker Malerey geben hierzu die her- kulanischen Gemälde und die aldobrandinische Hochzeit.
861.
Moderne Beyspiele finden sich in einzelnen Figu- ren Raphaels, an ganzen Gemälden Correggios, der niederländischen Schule, besonders des Rubens.
857.
Um den erſten Begriff faßlich zu machen, der ſelbſt von einem Vieleck immer noch ſchwer zu abſtrahiren iſt, ſchlagen wir einen Cubus vor, deſſen drey geſehene Seiten das Licht, die Mitteltinte und den Schatten, abgeſondert neben einander vorſtellen.
858.
Jedoch um zum Helldunkel einer zuſammengeſetz- tern Figur uͤberzugehen, waͤhlen wir das Beyſpiel ei- nes aufgeſchlagenen Buches, welches uns einer groͤßern Mannigfaltigkeit naͤher bringt.
859.
Die antiken Statuen aus der ſchoͤnen Zeit findet man zu ſolchen Wirkungen hoͤchſt zweckmaͤßig gearbeitet. Die Lichtpartieen ſind einfach behandelt, die Schatten- ſeiten deſto mehr unterbrochen, damit ſie fuͤr mannigfal- tige Reflexe empfaͤnglich wuͤrden; wobey man ſich des Beyſpiels vom Vieleck erinnern kann.
860.
Beyſpiele antiker Malerey geben hierzu die her- kulaniſchen Gemaͤlde und die aldobrandiniſche Hochzeit.
861.
Moderne Beyſpiele finden ſich in einzelnen Figu- ren Raphaels, an ganzen Gemaͤlden Correggios, der niederlaͤndiſchen Schule, beſonders des Rubens.
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857.
Um den erſten Begriff faßlich zu machen, der ſelbſt
von einem Vieleck immer noch ſchwer zu abſtrahiren iſt,
ſchlagen wir einen Cubus vor, deſſen drey geſehene
Seiten das Licht, die Mitteltinte und den Schatten,
abgeſondert neben einander vorſtellen.
858.
Jedoch um zum Helldunkel einer zuſammengeſetz-
tern Figur uͤberzugehen, waͤhlen wir das Beyſpiel ei-
nes aufgeſchlagenen Buches, welches uns einer groͤßern
Mannigfaltigkeit naͤher bringt.
859.
Die antiken Statuen aus der ſchoͤnen Zeit findet
man zu ſolchen Wirkungen hoͤchſt zweckmaͤßig gearbeitet.
Die Lichtpartieen ſind einfach behandelt, die Schatten-
ſeiten deſto mehr unterbrochen, damit ſie fuͤr mannigfal-
tige Reflexe empfaͤnglich wuͤrden; wobey man ſich des
Beyſpiels vom Vieleck erinnern kann.
860.
Beyſpiele antiker Malerey geben hierzu die her-
kulaniſchen Gemaͤlde und die aldobrandiniſche Hochzeit.
861.
Moderne Beyſpiele finden ſich in einzelnen Figu-
ren Raphaels, an ganzen Gemaͤlden Correggios, der
niederlaͤndiſchen Schule, beſonders des Rubens.
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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/372>, abgerufen am 21.11.2024.
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