freylich erst recht im lebendigen Farbenreiche. Hier erscheinen uns an trefflich organisirten Theilen die Ele- mentarfarben in ihrer größten Reinheit und Schönheit. Sie deuten uns aber doch, daß eben diese Geschöpfe noch auf einer niedern Stufe der Organisation stehen, eben weil diese Elementarfarben noch unverarbeitet bey ihnen hervortreten können. Auch hier scheint die Hitze viel zu Ausarbeitung dieser Erscheinung beyzutragen.
648.
Wir finden Insecten, welche als ganz concentrir- ter Farbenstoff anzusehen sind, worunter besonders die Coccusarten berühmt sind; wobey wir zu bemer- ken nicht unterlassen, daß ihre Weise, sich an Vegeta- bilien anzusiedeln, ja in dieselben hineinzunisten, auch zugleich jene Auswüchse hervorbringt, welche als Bei- zen zu Befestigung der Farben so große Dienste leisten.
649.
Am auffallendsten aber zeigt sich die Farbengewalt, verbunden mit regelmäßiger Organisation, an denjeni- gen Insecten, welche eine vollkommene Metamorphose zu ihrer Entwicklung bedürfen, an Käfern, vorzüg- lich aber an Schmetterlingen.
650.
Diese letztern, die man wahrhafte Ausgeburten des Lichtes und der Luft nennen könnte, zeigen schon in ihrem Raupenzustand oft die schönsten Farben, welche, specificirt wie sie sind, auf die künftigen Farben des Schmetterlings deuten; eine Betrachtung,
freylich erſt recht im lebendigen Farbenreiche. Hier erſcheinen uns an trefflich organiſirten Theilen die Ele- mentarfarben in ihrer groͤßten Reinheit und Schoͤnheit. Sie deuten uns aber doch, daß eben dieſe Geſchoͤpfe noch auf einer niedern Stufe der Organiſation ſtehen, eben weil dieſe Elementarfarben noch unverarbeitet bey ihnen hervortreten koͤnnen. Auch hier ſcheint die Hitze viel zu Ausarbeitung dieſer Erſcheinung beyzutragen.
648.
Wir finden Inſecten, welche als ganz concentrir- ter Farbenſtoff anzuſehen ſind, worunter beſonders die Coccusarten beruͤhmt ſind; wobey wir zu bemer- ken nicht unterlaſſen, daß ihre Weiſe, ſich an Vegeta- bilien anzuſiedeln, ja in dieſelben hineinzuniſten, auch zugleich jene Auswuͤchſe hervorbringt, welche als Bei- zen zu Befeſtigung der Farben ſo große Dienſte leiſten.
649.
Am auffallendſten aber zeigt ſich die Farbengewalt, verbunden mit regelmaͤßiger Organiſation, an denjeni- gen Inſecten, welche eine vollkommene Metamorphoſe zu ihrer Entwicklung beduͤrfen, an Kaͤfern, vorzuͤg- lich aber an Schmetterlingen.
650.
Dieſe letztern, die man wahrhafte Ausgeburten des Lichtes und der Luft nennen koͤnnte, zeigen ſchon in ihrem Raupenzuſtand oft die ſchoͤnſten Farben, welche, ſpecificirt wie ſie ſind, auf die kuͤnftigen Farben des Schmetterlings deuten; eine Betrachtung,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0294"n="240"/>
freylich erſt recht im lebendigen Farbenreiche. Hier<lb/>
erſcheinen uns an trefflich organiſirten Theilen die Ele-<lb/>
mentarfarben in ihrer groͤßten Reinheit und Schoͤnheit.<lb/>
Sie deuten uns aber doch, daß eben dieſe Geſchoͤpfe<lb/>
noch auf einer niedern Stufe der Organiſation ſtehen,<lb/>
eben weil dieſe Elementarfarben noch unverarbeitet bey<lb/>
ihnen hervortreten koͤnnen. Auch hier ſcheint die Hitze<lb/>
viel zu Ausarbeitung dieſer Erſcheinung beyzutragen.</p></div><lb/><divn="4"><head>648.</head><lb/><p>Wir finden Inſecten, welche als ganz concentrir-<lb/>
ter Farbenſtoff anzuſehen ſind, worunter beſonders<lb/>
die Coccusarten beruͤhmt ſind; wobey wir zu bemer-<lb/>
ken nicht unterlaſſen, daß ihre Weiſe, ſich an Vegeta-<lb/>
bilien anzuſiedeln, ja in dieſelben hineinzuniſten, auch<lb/>
zugleich jene Auswuͤchſe hervorbringt, welche als Bei-<lb/>
zen zu Befeſtigung der Farben ſo große Dienſte leiſten.</p></div><lb/><divn="4"><head>649.</head><lb/><p>Am auffallendſten aber zeigt ſich die Farbengewalt,<lb/>
verbunden mit regelmaͤßiger Organiſation, an denjeni-<lb/>
gen Inſecten, welche eine vollkommene Metamorphoſe<lb/>
zu ihrer Entwicklung beduͤrfen, an Kaͤfern, vorzuͤg-<lb/>
lich aber an Schmetterlingen.</p></div><lb/><divn="4"><head>650.</head><lb/><p>Dieſe letztern, die man wahrhafte Ausgeburten<lb/>
des Lichtes und der Luft nennen koͤnnte, zeigen ſchon<lb/>
in ihrem Raupenzuſtand oft die ſchoͤnſten Farben,<lb/>
welche, ſpecificirt wie ſie ſind, auf die kuͤnftigen<lb/>
Farben des Schmetterlings deuten; eine Betrachtung,<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[240/0294]
freylich erſt recht im lebendigen Farbenreiche. Hier
erſcheinen uns an trefflich organiſirten Theilen die Ele-
mentarfarben in ihrer groͤßten Reinheit und Schoͤnheit.
Sie deuten uns aber doch, daß eben dieſe Geſchoͤpfe
noch auf einer niedern Stufe der Organiſation ſtehen,
eben weil dieſe Elementarfarben noch unverarbeitet bey
ihnen hervortreten koͤnnen. Auch hier ſcheint die Hitze
viel zu Ausarbeitung dieſer Erſcheinung beyzutragen.
648.
Wir finden Inſecten, welche als ganz concentrir-
ter Farbenſtoff anzuſehen ſind, worunter beſonders
die Coccusarten beruͤhmt ſind; wobey wir zu bemer-
ken nicht unterlaſſen, daß ihre Weiſe, ſich an Vegeta-
bilien anzuſiedeln, ja in dieſelben hineinzuniſten, auch
zugleich jene Auswuͤchſe hervorbringt, welche als Bei-
zen zu Befeſtigung der Farben ſo große Dienſte leiſten.
649.
Am auffallendſten aber zeigt ſich die Farbengewalt,
verbunden mit regelmaͤßiger Organiſation, an denjeni-
gen Inſecten, welche eine vollkommene Metamorphoſe
zu ihrer Entwicklung beduͤrfen, an Kaͤfern, vorzuͤg-
lich aber an Schmetterlingen.
650.
Dieſe letztern, die man wahrhafte Ausgeburten
des Lichtes und der Luft nennen koͤnnte, zeigen ſchon
in ihrem Raupenzuſtand oft die ſchoͤnſten Farben,
welche, ſpecificirt wie ſie ſind, auf die kuͤnftigen
Farben des Schmetterlings deuten; eine Betrachtung,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/294>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.