Ersterer, Goldschmidt und Juwelen- händler, dringt mit Verstand und klugem Betragen, kostbar-kunstreiche Waaren zu seiner Empfehlung vorzeigend, an die orien- talischen Höfe und weiss sich überall zu schicken und zu finden. Er gelangt nach Indien zu den Demantgruben, und, nach einer gefahrvollen Rückreise, wird er im Westen nicht zum freundlichsten aufgenom- men. Dessen hinterlassene Schriften sind höchst belehrend, und doch wird er von seinem Landsmann, Nachfolger und Rival Chardin nicht sowohl im Lebensgange gehindert, als in der öffentlichen Meynung nachher verdunkelt. Dieser, der sich gleich zu Anfang seiner Reise durch die grössten Hindernisse durcharbeiten muss, versteht denn auch die Sinnesweise orientalischer Macht- und Geldhaber, die zwischen Gross- muth und Eigennutz schwankt, trefflich zu
Tavernier und Chardin.
Ersterer, Goldschmidt und Juwelen- händler, dringt mit Verstand und klugem Betragen, kostbar-kunstreiche Waaren zu seiner Empfehlung vorzeigend, an die orien- talischen Höfe und weiſs sich überall zu schicken und zu finden. Er gelangt nach Indien zu den Demantgruben, und, nach einer gefahrvollen Rückreise, wird er im Westen nicht zum freundlichsten aufgenom- men. Dessen hinterlassene Schriften sind höchst belehrend, und doch wird er von seinem Landsmann, Nachfolger und Rival Chardin nicht sowohl im Lebensgange gehindert, als in der öffentlichen Meynung nachher verdunkelt. Dieser, der sich gleich zu Anfang seiner Reise durch die gröſsten Hindernisse durcharbeiten muſs, versteht denn auch die Sinnesweise orientalischer Macht- und Geldhaber, die zwischen Groſs- muth und Eigennutz schwankt, trefflich zu
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0511"n="501"/><divn="2"><head><hirendition="#b"><hirendition="#i">Tavernier und Chardin</hi>.</hi></head><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Ersterer, Goldschmidt und Juwelen-<lb/>
händler, dringt mit Verstand und klugem<lb/>
Betragen, kostbar-kunstreiche Waaren zu<lb/>
seiner Empfehlung vorzeigend, an die orien-<lb/>
talischen Höfe und weiſs sich überall zu<lb/>
schicken und zu finden. Er gelangt nach<lb/>
Indien zu den Demantgruben, und, nach<lb/>
einer gefahrvollen Rückreise, wird er im<lb/>
Westen nicht zum freundlichsten aufgenom-<lb/>
men. Dessen hinterlassene Schriften sind<lb/>
höchst belehrend, und doch wird er von<lb/>
seinem Landsmann, Nachfolger und Rival<lb/><hirendition="#g">Chardin</hi> nicht sowohl im Lebensgange<lb/>
gehindert, als in der öffentlichen Meynung<lb/>
nachher verdunkelt. Dieser, der sich gleich<lb/>
zu Anfang seiner Reise durch die gröſsten<lb/>
Hindernisse durcharbeiten muſs, versteht<lb/>
denn auch die Sinnesweise orientalischer<lb/>
Macht- und Geldhaber, die zwischen Groſs-<lb/>
muth und Eigennutz schwankt, trefflich zu<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[501/0511]
Tavernier und Chardin.
Ersterer, Goldschmidt und Juwelen-
händler, dringt mit Verstand und klugem
Betragen, kostbar-kunstreiche Waaren zu
seiner Empfehlung vorzeigend, an die orien-
talischen Höfe und weiſs sich überall zu
schicken und zu finden. Er gelangt nach
Indien zu den Demantgruben, und, nach
einer gefahrvollen Rückreise, wird er im
Westen nicht zum freundlichsten aufgenom-
men. Dessen hinterlassene Schriften sind
höchst belehrend, und doch wird er von
seinem Landsmann, Nachfolger und Rival
Chardin nicht sowohl im Lebensgange
gehindert, als in der öffentlichen Meynung
nachher verdunkelt. Dieser, der sich gleich
zu Anfang seiner Reise durch die gröſsten
Hindernisse durcharbeiten muſs, versteht
denn auch die Sinnesweise orientalischer
Macht- und Geldhaber, die zwischen Groſs-
muth und Eigennutz schwankt, trefflich zu
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819, S. 501. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/511>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.