Man hat aus der sehr schicklich-gere- gelten Folge der sieben ersten römischen Könige schliessen wollen, dass diese Ge- schichte klüglich und absichtlich erfunden sey, welches wir dahin gestellt seyn lassen; dagegen aber bemerken dass die sieben Dich- ter, welche von dem Perser für die ersten gehalten werden, und innerhalb eines Zeit- raums von fünfhundert Jahren nach und nach erschienen, wirklich ein ethisch-poe- tisches Verhältniss gegen einander haben, welches uns erdichtet scheinen könnte, wenn nicht ihre hinterlassenen Werke von ihrem wirklichen Daseyn das Zeugniss gäben.
Betrachten wir aber dieses Siebenge- stirn genauer, wie es uns aus der Ferne vergönnt seyn mag; so finden wir dass sie alle ein fruchtbares, immer sich erneuendes Talent besassen, wodurch sie sich über die Mehrzahl sehr vorzüglicher Männer, über
Uebersicht.
Man hat aus der sehr schicklich-gere- gelten Folge der sieben ersten römischen Könige schlieſsen wollen, daſs diese Ge- schichte klüglich und absichtlich erfunden sey, welches wir dahin gestellt seyn lassen; dagegen aber bemerken daſs die sieben Dich- ter, welche von dem Perser für die ersten gehalten werden, und innerhalb eines Zeit- raums von fünfhundert Jahren nach und nach erschienen, wirklich ein ethisch-poe- tisches Verhältniſs gegen einander haben, welches uns erdichtet scheinen könnte, wenn nicht ihre hinterlassenen Werke von ihrem wirklichen Daseyn das Zeugniſs gäben.
Betrachten wir aber dieses Siebenge- stirn genauer, wie es uns aus der Ferne vergönnt seyn mag; so finden wir daſs sie alle ein fruchtbares, immer sich erneuendes Talent besaſsen, wodurch sie sich über die Mehrzahl sehr vorzüglicher Männer, über
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0330"n="320"/><divn="2"><head><hirendition="#b"><hirendition="#i"><hirendition="#g">Uebersicht.</hi></hi></hi></head><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Man hat aus der sehr schicklich-gere-<lb/>
gelten Folge der sieben ersten römischen<lb/>
Könige schlieſsen wollen, daſs diese Ge-<lb/>
schichte klüglich und absichtlich erfunden<lb/>
sey, welches wir dahin gestellt seyn lassen;<lb/>
dagegen aber bemerken daſs die sieben Dich-<lb/>
ter, welche von dem Perser für die ersten<lb/>
gehalten werden, und innerhalb eines Zeit-<lb/>
raums von fünfhundert Jahren nach und<lb/>
nach erschienen, wirklich ein ethisch-poe-<lb/>
tisches Verhältniſs gegen einander haben,<lb/>
welches uns erdichtet scheinen könnte, wenn<lb/>
nicht ihre hinterlassenen Werke von ihrem<lb/>
wirklichen Daseyn das Zeugniſs gäben.</p><lb/><p>Betrachten wir aber dieses Siebenge-<lb/>
stirn genauer, wie es uns aus der Ferne<lb/>
vergönnt seyn mag; so finden wir daſs sie<lb/>
alle ein fruchtbares, immer sich erneuendes<lb/>
Talent besaſsen, wodurch sie sich über die<lb/>
Mehrzahl sehr vorzüglicher Männer, über<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[320/0330]
Uebersicht.
Man hat aus der sehr schicklich-gere-
gelten Folge der sieben ersten römischen
Könige schlieſsen wollen, daſs diese Ge-
schichte klüglich und absichtlich erfunden
sey, welches wir dahin gestellt seyn lassen;
dagegen aber bemerken daſs die sieben Dich-
ter, welche von dem Perser für die ersten
gehalten werden, und innerhalb eines Zeit-
raums von fünfhundert Jahren nach und
nach erschienen, wirklich ein ethisch-poe-
tisches Verhältniſs gegen einander haben,
welches uns erdichtet scheinen könnte, wenn
nicht ihre hinterlassenen Werke von ihrem
wirklichen Daseyn das Zeugniſs gäben.
Betrachten wir aber dieses Siebenge-
stirn genauer, wie es uns aus der Ferne
vergönnt seyn mag; so finden wir daſs sie
alle ein fruchtbares, immer sich erneuendes
Talent besaſsen, wodurch sie sich über die
Mehrzahl sehr vorzüglicher Männer, über
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/330>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.