Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

Bild:
<< vorherige Seite

1. Buch. 3. Tit.
kann in solchen Fällen der Consens des Landesherrn we-
der auf künftige neue Gewohnheitsrechte, noch auf die-
ienigen alten Gewohnheiten gezogen werden, die in dem
Gesetzbuche nicht begriffen sind, sondern es sind vielmehr
solche als aufgehoben anzusehen 66).

§. 86.
Erfordernisse einer gültigen Gewohnheit.

Wir schreiten nun zur ausführlichern Erörterung
der im vorigen Paragraph aufgeworfenen erstern Frage,
und wollen ietzt zeigen, wie dieienigen Handlun-
gen beschaffen seyn müssen, durch welche
eine legale Gewohnheit eingeführt werden
soll
? Die gesetzlich bestimmten Eigenschaften solcher
Handlungen sind folgende:

I) Es werden mehrere Handlungen erfordert.
Nicht nur die Natur einer jeden Gewohnheit an sich, als
welche nur aus wiederholten Handlungen entstehen kann,
bringt dieses nothwendig mit sich, sondern die Gesetze 67)
selbst haben es auch deutlich bestimmt. Eine einzige
Handlung ist also nicht hinreichend. Denn wie könnte

man
66) Ein Beispiel davon giebt der Entwurf eines allge-
meinen Gesetzbuchs für die Preußl. Staaten

I. Th. Einleit. §. 3. -- Sogenannte Gewohnheits-
rechte, welche in diese Bücher nicht aufgenom-
men sind, sollen eben so wenig, als blose Mei-
nungen der Rechtslehrer, irgend eine gesetz-
liche Kraft haben
.
67) L. 1. C. quae sit long. consuet. L. 3. C. de aedific. privat.
Auch die Gesetze der Pandecten, welche von einer consuetu-
dine inveterata
, L. 32. §. 1. diuturna L. 33. longa consuetu-
dine, et per annos plurimos observata
L. 35. h. t.
reden, ge-
ben dieses nicht undeutlich zu verstehen.

1. Buch. 3. Tit.
kann in ſolchen Faͤllen der Conſens des Landesherrn we-
der auf kuͤnftige neue Gewohnheitsrechte, noch auf die-
ienigen alten Gewohnheiten gezogen werden, die in dem
Geſetzbuche nicht begriffen ſind, ſondern es ſind vielmehr
ſolche als aufgehoben anzuſehen 66).

§. 86.
Erforderniſſe einer guͤltigen Gewohnheit.

Wir ſchreiten nun zur ausfuͤhrlichern Eroͤrterung
der im vorigen Paragraph aufgeworfenen erſtern Frage,
und wollen ietzt zeigen, wie dieienigen Handlun-
gen beſchaffen ſeyn muͤſſen, durch welche
eine legale Gewohnheit eingefuͤhrt werden
ſoll
? Die geſetzlich beſtimmten Eigenſchaften ſolcher
Handlungen ſind folgende:

I) Es werden mehrere Handlungen erfordert.
Nicht nur die Natur einer jeden Gewohnheit an ſich, als
welche nur aus wiederholten Handlungen entſtehen kann,
bringt dieſes nothwendig mit ſich, ſondern die Geſetze 67)
ſelbſt haben es auch deutlich beſtimmt. Eine einzige
Handlung iſt alſo nicht hinreichend. Denn wie koͤnnte

man
66) Ein Beiſpiel davon giebt der Entwurf eines allge-
meinen Geſetzbuchs fuͤr die Preußl. Staaten

I. Th. Einleit. §. 3. — Sogenannte Gewohnheits-
rechte, welche in dieſe Buͤcher nicht aufgenom-
men ſind, ſollen eben ſo wenig, als bloſe Mei-
nungen der Rechtslehrer, irgend eine geſetz-
liche Kraft haben
.
67) L. 1. C. quae ſit long. conſuet. L. 3. C. de aedific. privat.
Auch die Geſetze der Pandecten, welche von einer conſuetu-
dine inveterata
, L. 32. §. 1. diuturna L. 33. longa conſuetu-
dine, et per annos plurimos obſervata
L. 35. h. t.
reden, ge-
ben dieſes nicht undeutlich zu verſtehen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0462" n="442"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr">1. Buch. 3. Tit.</hi></fw><lb/>
kann in &#x017F;olchen Fa&#x0364;llen der Con&#x017F;ens des Landesherrn we-<lb/>
der auf ku&#x0364;nftige neue Gewohnheitsrechte, noch auf die-<lb/>
ienigen alten Gewohnheiten gezogen werden, die in dem<lb/>
Ge&#x017F;etzbuche nicht begriffen &#x017F;ind, &#x017F;ondern es &#x017F;ind vielmehr<lb/>
&#x017F;olche als aufgehoben anzu&#x017F;ehen <note place="foot" n="66)">Ein Bei&#x017F;piel davon giebt der <hi rendition="#g">Entwurf eines allge-<lb/>
meinen Ge&#x017F;etzbuchs fu&#x0364;r die Preußl. Staaten</hi><lb/><hi rendition="#aq">I.</hi> Th. Einleit. §. 3. &#x2014; <hi rendition="#g">Sogenannte Gewohnheits-<lb/>
rechte, welche in die&#x017F;e Bu&#x0364;cher nicht aufgenom-<lb/>
men &#x017F;ind, &#x017F;ollen eben &#x017F;o wenig, als blo&#x017F;e Mei-<lb/>
nungen der Rechtslehrer, irgend eine ge&#x017F;etz-<lb/>
liche Kraft haben</hi>.</note>.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 86.<lb/>
Erforderni&#x017F;&#x017F;e einer gu&#x0364;ltigen Gewohnheit.</head><lb/>
            <p>Wir &#x017F;chreiten nun zur ausfu&#x0364;hrlichern Ero&#x0364;rterung<lb/>
der im vorigen Paragraph aufgeworfenen er&#x017F;tern Frage,<lb/>
und wollen ietzt zeigen, <hi rendition="#g">wie dieienigen Handlun-<lb/>
gen be&#x017F;chaffen &#x017F;eyn mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, durch welche<lb/>
eine legale Gewohnheit eingefu&#x0364;hrt werden<lb/>
&#x017F;oll</hi>? Die ge&#x017F;etzlich be&#x017F;timmten Eigen&#x017F;chaften &#x017F;olcher<lb/>
Handlungen &#x017F;ind folgende:</p><lb/>
            <p><hi rendition="#aq">I</hi>) Es werden <hi rendition="#g">mehrere Handlungen</hi> erfordert.<lb/>
Nicht nur die Natur einer jeden Gewohnheit an &#x017F;ich, als<lb/>
welche nur aus wiederholten Handlungen ent&#x017F;tehen kann,<lb/>
bringt die&#x017F;es nothwendig mit &#x017F;ich, &#x017F;ondern die Ge&#x017F;etze <note place="foot" n="67)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 1. <hi rendition="#i">C. quae &#x017F;it long. con&#x017F;uet. L.</hi> 3. <hi rendition="#i">C. de aedific. privat.</hi></hi><lb/>
Auch die Ge&#x017F;etze der Pandecten, welche von einer <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">con&#x017F;uetu-<lb/>
dine inveterata</hi>, L. 32. §. 1. <hi rendition="#i">diuturna</hi> L. 33. <hi rendition="#i">longa con&#x017F;uetu-<lb/>
dine, et per annos plurimos ob&#x017F;ervata</hi> L. 35. h. t.</hi> reden, ge-<lb/>
ben die&#x017F;es nicht undeutlich zu ver&#x017F;tehen.</note><lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t haben es auch deutlich be&#x017F;timmt. Eine einzige<lb/>
Handlung i&#x017F;t al&#x017F;o nicht hinreichend. Denn wie ko&#x0364;nnte<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">man</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[442/0462] 1. Buch. 3. Tit. kann in ſolchen Faͤllen der Conſens des Landesherrn we- der auf kuͤnftige neue Gewohnheitsrechte, noch auf die- ienigen alten Gewohnheiten gezogen werden, die in dem Geſetzbuche nicht begriffen ſind, ſondern es ſind vielmehr ſolche als aufgehoben anzuſehen 66). §. 86. Erforderniſſe einer guͤltigen Gewohnheit. Wir ſchreiten nun zur ausfuͤhrlichern Eroͤrterung der im vorigen Paragraph aufgeworfenen erſtern Frage, und wollen ietzt zeigen, wie dieienigen Handlun- gen beſchaffen ſeyn muͤſſen, durch welche eine legale Gewohnheit eingefuͤhrt werden ſoll? Die geſetzlich beſtimmten Eigenſchaften ſolcher Handlungen ſind folgende: I) Es werden mehrere Handlungen erfordert. Nicht nur die Natur einer jeden Gewohnheit an ſich, als welche nur aus wiederholten Handlungen entſtehen kann, bringt dieſes nothwendig mit ſich, ſondern die Geſetze 67) ſelbſt haben es auch deutlich beſtimmt. Eine einzige Handlung iſt alſo nicht hinreichend. Denn wie koͤnnte man 66) Ein Beiſpiel davon giebt der Entwurf eines allge- meinen Geſetzbuchs fuͤr die Preußl. Staaten I. Th. Einleit. §. 3. — Sogenannte Gewohnheits- rechte, welche in dieſe Buͤcher nicht aufgenom- men ſind, ſollen eben ſo wenig, als bloſe Mei- nungen der Rechtslehrer, irgend eine geſetz- liche Kraft haben. 67) L. 1. C. quae ſit long. conſuet. L. 3. C. de aedific. privat. Auch die Geſetze der Pandecten, welche von einer conſuetu- dine inveterata, L. 32. §. 1. diuturna L. 33. longa conſuetu- dine, et per annos plurimos obſervata L. 35. h. t. reden, ge- ben dieſes nicht undeutlich zu verſtehen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/462
Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 442. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/462>, abgerufen am 21.12.2024.