Lib. I. Tit. III. de Legibus, Senatusconsultis et longa consuetudine.
Der gröste Theil der unter dieser Ueberschrift in un- sern Pandecten gesammleten Fragmente der römi- schen Rechtsgelehrten enthalten allgemeine Grundsätze von der Natur, Auslegung und Anwendung positiver Gese- tze, und in so weit haben wir schon in dem ersten Ti- tul unsers Commentars davon Gebrauch gemacht. Al- lein die LL. 32 -- 39. handeln vom Gewohnheits- rechte, und diese, verbunden mit dem Titel des Co- dex: quae sit longa consuetudo, machen die Quellen der jezt zu erörternden Rechtslehre aus. Auch im Canoni- schen Gesezbuche finden wir hierher gehörige Stellen, denn nicht nur die Decretalen Gregors IX. sondern auch der liber sextus Bonifacii VIII. enthält einen Titel de consuetudine. (Lib. I. Tit. 4.) Jedoch ist bey dem Gebrauch dieser Quellen eine doppelte Vorsicht nöthig; a) daß man dabey jederzeit auf teutsche Verfassung, und deren Unterschied von der römischen Rücksicht nimmt. Ohne diese Regel zu beobachten, ist es unmöglich, die- jenigen Irrthümer zu vermeiden, die wir in der Materie vom Gewohnheitsrechte nach der gewöhnlichen Vorstel- lungsart finden. Bey den Römern, wo die Gerichte öffentlich vor den Augen des Volks, in dessen Händen sich die gesezgebende Gewalt befand, gehalten wurden, und wo in der Folge die Kaisere selbst sich mit Entschei- dung der Rechtshändel beschäftigten; konnte man immer mit mehrerer Gewißheit aus der öfteren Wiederholung
gleich-
Glücks Erläut. d. Pand. 1. Th. D d
de Legibus, Senatusconſultis et longa conſuet.
Lib. I. Tit. III. de Legibus, Senatusconſultis et longa conſuetudine.
Der groͤſte Theil der unter dieſer Ueberſchrift in un- ſern Pandecten geſammleten Fragmente der roͤmi- ſchen Rechtsgelehrten enthalten allgemeine Grundſaͤtze von der Natur, Auslegung und Anwendung poſitiver Geſe- tze, und in ſo weit haben wir ſchon in dem erſten Ti- tul unſers Commentars davon Gebrauch gemacht. Al- lein die LL. 32 — 39. handeln vom Gewohnheits- rechte, und dieſe, verbunden mit dem Titel des Co- dex: quae ſit longa conſuetudo, machen die Quellen der jezt zu eroͤrternden Rechtslehre aus. Auch im Canoni- ſchen Geſezbuche finden wir hierher gehoͤrige Stellen, denn nicht nur die Decretalen Gregors IX. ſondern auch der liber ſextus Bonifacii VIII. enthaͤlt einen Titel de conſuetudine. (Lib. I. Tit. 4.) Jedoch iſt bey dem Gebrauch dieſer Quellen eine doppelte Vorſicht noͤthig; a) daß man dabey jederzeit auf teutſche Verfaſſung, und deren Unterſchied von der roͤmiſchen Ruͤckſicht nimmt. Ohne dieſe Regel zu beobachten, iſt es unmoͤglich, die- jenigen Irrthuͤmer zu vermeiden, die wir in der Materie vom Gewohnheitsrechte nach der gewoͤhnlichen Vorſtel- lungsart finden. Bey den Roͤmern, wo die Gerichte oͤffentlich vor den Augen des Volks, in deſſen Haͤnden ſich die geſezgebende Gewalt befand, gehalten wurden, und wo in der Folge die Kaiſere ſelbſt ſich mit Entſchei- dung der Rechtshaͤndel beſchaͤftigten; konnte man immer mit mehrerer Gewißheit aus der oͤfteren Wiederholung
gleich-
Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 1. Th. D d
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0435"n="415"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#aq">de Legibus, Senatusconſultis et longa conſuet.</hi></fw><lb/><divn="2"><head><hirendition="#aq">Lib. I. Tit. III.<lb/><hirendition="#g">de<lb/>
Legibus, Senatusconſultis et longa<lb/>
conſuetudine</hi>.</hi></head><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p><hirendition="#in">D</hi>er groͤſte Theil der unter dieſer Ueberſchrift in un-<lb/>ſern Pandecten geſammleten Fragmente der roͤmi-<lb/>ſchen Rechtsgelehrten enthalten allgemeine Grundſaͤtze von<lb/>
der Natur, Auslegung und Anwendung poſitiver Geſe-<lb/>
tze, und in ſo weit haben wir ſchon in dem erſten Ti-<lb/>
tul unſers Commentars davon Gebrauch gemacht. Al-<lb/>
lein die <hirendition="#aq">LL.</hi> 32 — 39. handeln vom <hirendition="#g">Gewohnheits-<lb/>
rechte</hi>, und dieſe, verbunden mit dem Titel des Co-<lb/>
dex: <hirendition="#i"><hirendition="#aq">quae ſit longa conſuetudo</hi></hi>, machen die Quellen der<lb/>
jezt zu eroͤrternden Rechtslehre aus. Auch im Canoni-<lb/>ſchen Geſezbuche finden wir hierher gehoͤrige Stellen,<lb/>
denn nicht nur die Decretalen Gregors <hirendition="#aq">IX.</hi>ſondern auch<lb/>
der <hirendition="#aq">liber ſextus Bonifacii VIII.</hi> enthaͤlt einen Titel<lb/><hirendition="#aq"><hirendition="#i">de conſuetudine</hi>. (Lib. I. Tit. 4.)</hi> Jedoch iſt bey dem<lb/>
Gebrauch dieſer Quellen eine doppelte Vorſicht noͤthig;<lb/><hirendition="#aq">a</hi>) daß man dabey jederzeit auf teutſche Verfaſſung, und<lb/>
deren Unterſchied von der roͤmiſchen Ruͤckſicht nimmt.<lb/>
Ohne dieſe Regel zu beobachten, iſt es unmoͤglich, die-<lb/>
jenigen Irrthuͤmer zu vermeiden, die wir in der Materie<lb/>
vom Gewohnheitsrechte nach der gewoͤhnlichen Vorſtel-<lb/>
lungsart finden. Bey den Roͤmern, wo die Gerichte<lb/>
oͤffentlich vor den Augen des Volks, in deſſen Haͤnden<lb/>ſich die geſezgebende Gewalt befand, gehalten wurden,<lb/>
und wo in der Folge die Kaiſere ſelbſt ſich mit Entſchei-<lb/>
dung der Rechtshaͤndel beſchaͤftigten; konnte man immer<lb/>
mit mehrerer Gewißheit aus der oͤfteren Wiederholung<lb/><fwplace="bottom"type="catch">gleich-</fw><lb/><fwplace="bottom"type="sig">Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 1. Th. D d</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[415/0435]
de Legibus, Senatusconſultis et longa conſuet.
Lib. I. Tit. III.
de
Legibus, Senatusconſultis et longa
conſuetudine.
Der groͤſte Theil der unter dieſer Ueberſchrift in un-
ſern Pandecten geſammleten Fragmente der roͤmi-
ſchen Rechtsgelehrten enthalten allgemeine Grundſaͤtze von
der Natur, Auslegung und Anwendung poſitiver Geſe-
tze, und in ſo weit haben wir ſchon in dem erſten Ti-
tul unſers Commentars davon Gebrauch gemacht. Al-
lein die LL. 32 — 39. handeln vom Gewohnheits-
rechte, und dieſe, verbunden mit dem Titel des Co-
dex: quae ſit longa conſuetudo, machen die Quellen der
jezt zu eroͤrternden Rechtslehre aus. Auch im Canoni-
ſchen Geſezbuche finden wir hierher gehoͤrige Stellen,
denn nicht nur die Decretalen Gregors IX. ſondern auch
der liber ſextus Bonifacii VIII. enthaͤlt einen Titel
de conſuetudine. (Lib. I. Tit. 4.) Jedoch iſt bey dem
Gebrauch dieſer Quellen eine doppelte Vorſicht noͤthig;
a) daß man dabey jederzeit auf teutſche Verfaſſung, und
deren Unterſchied von der roͤmiſchen Ruͤckſicht nimmt.
Ohne dieſe Regel zu beobachten, iſt es unmoͤglich, die-
jenigen Irrthuͤmer zu vermeiden, die wir in der Materie
vom Gewohnheitsrechte nach der gewoͤhnlichen Vorſtel-
lungsart finden. Bey den Roͤmern, wo die Gerichte
oͤffentlich vor den Augen des Volks, in deſſen Haͤnden
ſich die geſezgebende Gewalt befand, gehalten wurden,
und wo in der Folge die Kaiſere ſelbſt ſich mit Entſchei-
dung der Rechtshaͤndel beſchaͤftigten; konnte man immer
mit mehrerer Gewißheit aus der oͤfteren Wiederholung
gleich-
Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 1. Th. D d
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 415. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/435>, abgerufen am 30.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.