Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gleim, Johann Wilhelm Ludwig: Versuch in Scherzhaften Liedern. Bd. 2. Berlin, 1745.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Flucht aus dem Lager
vor Prag.
Als ein Heer die letzten Kräfte
Auf dem Ziskaberge wagte,
Und noch Bomben oder Kugeln
In dem nahen Lager tobten;
Als ich noch der Kugel fluchte,
Die mir meinen Prinzen raubte,
Kam, mit schnellen Taubenflügeln,
Amor in mein Zelt geflogen.
Dreister, sprach der Gott der Liebe,
Dreister, kanst du hier verweilen?
Hier, wo die verwegnen Menschen
Tödten, und sich tödten lassen;
Hier, wo die erzürnten Götter,
Auch die besten Helden tödten?
Ist dein Prinz nicht schon getödtet?
Falscher, geh, dein Mädchen weinet,
Geh, eh dich die Kugeln tödten,
Geh, was machst du bei den Helden,
Geh, ich kan nicht länger sehen,
Wie dein armes Mädchen weinet!
Liebster,
Die Flucht aus dem Lager
vor Prag.
Als ein Heer die letzten Kräfte
Auf dem Ziskaberge wagte,
Und noch Bomben oder Kugeln
In dem nahen Lager tobten;
Als ich noch der Kugel fluchte,
Die mir meinen Prinzen raubte,
Kam, mit ſchnellen Taubenflügeln,
Amor in mein Zelt geflogen.
Dreiſter, ſprach der Gott der Liebe,
Dreiſter, kanſt du hier verweilen?
Hier, wo die verwegnen Menſchen
Tödten, und ſich tödten laſſen;
Hier, wo die erzürnten Götter,
Auch die beſten Helden tödten?
Iſt dein Prinz nicht ſchon getödtet?
Falſcher, geh, dein Mädchen weinet,
Geh, eh dich die Kugeln tödten,
Geh, was machſt du bei den Helden,
Geh, ich kan nicht länger ſehen,
Wie dein armes Mädchen weinet!
Liebſter,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0105" n="79"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Die Flucht aus dem Lager<lb/>
vor Prag.</hi> </head><lb/>
        <lg xml:id="pj1" type="poem" next="#pj2">
          <l><hi rendition="#in">A</hi>ls ein Heer die letzten Kräfte</l><lb/>
          <l>Auf dem Ziskaberge wagte,</l><lb/>
          <l>Und noch Bomben oder Kugeln</l><lb/>
          <l>In dem nahen Lager tobten;</l><lb/>
          <l>Als ich noch der Kugel fluchte,</l><lb/>
          <l>Die mir meinen Prinzen raubte,</l><lb/>
          <l>Kam, mit &#x017F;chnellen Taubenflügeln,</l><lb/>
          <l>Amor in mein Zelt geflogen.</l><lb/>
          <l>Drei&#x017F;ter, &#x017F;prach der Gott der Liebe,</l><lb/>
          <l>Drei&#x017F;ter, kan&#x017F;t du hier verweilen?</l><lb/>
          <l>Hier, wo die verwegnen Men&#x017F;chen</l><lb/>
          <l>Tödten, und &#x017F;ich tödten la&#x017F;&#x017F;en;</l><lb/>
          <l>Hier, wo die erzürnten Götter,</l><lb/>
          <l>Auch die be&#x017F;ten Helden tödten?</l><lb/>
          <l>I&#x017F;t dein Prinz nicht &#x017F;chon getödtet?</l><lb/>
          <l>Fal&#x017F;cher, geh, dein Mädchen weinet,</l><lb/>
          <l>Geh, eh dich die Kugeln tödten,</l><lb/>
          <l>Geh, was mach&#x017F;t du bei den Helden,</l><lb/>
          <l>Geh, ich kan nicht länger &#x017F;ehen,</l><lb/>
          <l>Wie dein armes Mädchen weinet!</l>
        </lg><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">Lieb&#x017F;ter,</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[79/0105] Die Flucht aus dem Lager vor Prag. Als ein Heer die letzten Kräfte Auf dem Ziskaberge wagte, Und noch Bomben oder Kugeln In dem nahen Lager tobten; Als ich noch der Kugel fluchte, Die mir meinen Prinzen raubte, Kam, mit ſchnellen Taubenflügeln, Amor in mein Zelt geflogen. Dreiſter, ſprach der Gott der Liebe, Dreiſter, kanſt du hier verweilen? Hier, wo die verwegnen Menſchen Tödten, und ſich tödten laſſen; Hier, wo die erzürnten Götter, Auch die beſten Helden tödten? Iſt dein Prinz nicht ſchon getödtet? Falſcher, geh, dein Mädchen weinet, Geh, eh dich die Kugeln tödten, Geh, was machſt du bei den Helden, Geh, ich kan nicht länger ſehen, Wie dein armes Mädchen weinet! Liebſter,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gleim_versuch02_1745
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gleim_versuch02_1745/105
Zitationshilfe: Gleim, Johann Wilhelm Ludwig: Versuch in Scherzhaften Liedern. Bd. 2. Berlin, 1745, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gleim_versuch02_1745/105>, abgerufen am 21.12.2024.