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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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Den 15ten April.

Besahen wir unter Anführung eines Canonici der Kirchen, das Interieur der Casa
Santa auf das genaueste. Der fördere größere Theil ist mit lauter silbernen
Lampen behänget, und von dem kleinern mit einem Altar ohne Rück[unleserliches Material]enStück, und
mit einem großen Fenster Werck abgesondert, durch welches letztere man das Famo-
se Marien Bild sehen kan. In dem größern Theil ist die Haupt raritaet das Fenster,
durch welches der Engel Gabirel zur Verkündigung hinein gekommen. |: In dem klei-
nern Theil aber, deßen Wände mit Silber Blech überzogen, siehet man 1.) das
Camin der H. Jungfrau, bey denn sie gekocht, über welchen accurat in der mitte
ihre Statue in der kostbaren niche brilliret. 2.) Das Kleid der H. Jungfrau,
von rothem camelot, welches nicht nur die Statue bey der Ankunfts dieses Hau-
ses aus Dalmatien um gehabt, sondern auch sie selbst bey ihren LebZeiten
getragen. Es lieget in einem versiegelten Kästgen von Cristall, und gab der
Führer dabey als ein übergroßes miracul an, daß in so vielen Seculis keine
Motte hinein gekommen. 3.) Die Schüßel der Mariae, aus welcher sie und der Herr
Christus getruncken. So viel man erkennen kan, ist sie von blau und weißen
Töpfer Zeuge gemacht. Weil aber, der Erzehlung nach, eine hohe Standes Per-
son sie bey der Besichtigung fallen laßen, so sind die vielen Stücke durch
einen braunen Kitt wieder dergestallt zusammen geklebet, daß
man von der materie des Gefäßes selbst das wenigste vor diesen Kitt
sehen kan. Auf der auswendigen Seite ist sie, um mehrerer Festigkeit Willen,
so gar mit Silber incrustiret. Das miracul, welches uns dabey einge-
schärffet wurde, war dieses, daß das H. Gefäß immer in unverän-
derten Zustand bliebe, ohnerachtet täglich so sehr viel harte Sachen darinn
herum gerühret würden, wie denn die Priester offt 3 Stunden in ei-
nem Stück mit dieser Arbeit zu thun hätten. Wenn allenfals das miracul
nicht continuirete, so wäre der braune Kitt ein sehr bequemes Mittel, solche
continuation zu Wege zu bringen. Die Jubelen mit welchen das marien=
Bild umhänget ist, die häuffigen pur goldenen Lampen, welche vor
demselben brennen, und die goldnen Kinder, Engel und andre pre
tiosa, welche zu beyden Seiten der niche die Mauer bedecken, über-
gehen Wir mit Stillschweigen, und wird man über dem Nahmen=Register
derer Geber, welches der Canonicus wie eine Litaney herzusagen weiß,
gantz matt und müde. Gleiches wiederfähret einem bey der Be-
sichtigung des großen Schatzes in der Sacristey, der gewiß conside-
rable, das grüne Gewölbe in Dreßden aber dennoch demselben, un-
seres Erachtens, weit überlegen ist. Die in Reise=Läufern und sonst
häuffig von diesen Dingen vorhandene gedruckte Specificationes und
Nachrichten können uns in dieser taediosen Sache weiterer Mühe überheben.
Das Hertz bricht einem in Leibe, theils vor Erbarmung, theils vor Unmuth B.

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Den 15ten April.

Besahen wir unter Anführung eines Canonici der Kirchen, das Interieur der Casa
Santa auf das genaueste. Der fördere größere Theil ist mit lauter silbernen
Lampen behänget, und von dem kleinern mit einem Altar ohne Rück[unleserliches Material]enStück, und
mit einem großen Fenster Werck abgesondert, durch welches letztere man das Famo-
se Marien Bild sehen kan. In dem größern Theil ist die Haupt raritaet das Fenster,
durch welches der Engel Gabirel zur Verkündigung hinein gekommen. |: In dem klei-
nern Theil aber, deßen Wände mit Silber Blech überzogen, siehet man 1.) das
Camin der H. Jungfrau, bey denn sie gekocht, über welchen accurat in der mitte
ihre Statue in der kostbaren niche brilliret. 2.) Das Kleid der H. Jungfrau,
von rothem camelot, welches nicht nur die Statue bey der Ankunfts dieses Hau-
ses aus Dalmatien um gehabt, sondern auch sie selbst bey ihren LebZeiten
getragen. Es lieget in einem versiegelten Kästgen von Cristall, und gab der
Führer dabey als ein übergroßes miracul an, daß in so vielen Seculis keine
Motte hinein gekommen. 3.) Die Schüßel der Mariae, aus welcher sie und der Herr
Christus getruncken. So viel man erkennen kan, ist sie von blau und weißen
Töpfer Zeuge gemacht. Weil aber, der Erzehlung nach, eine hohe Standes Per-
son sie bey der Besichtigung fallen laßen, so sind die vielen Stücke durch
einen braunen Kitt wieder dergestallt zusammen geklebet, daß
man von der materie des Gefäßes selbst das wenigste vor diesen Kitt
sehen kan. Auf der auswendigen Seite ist sie, um mehrerer Festigkeit Willen,
so gar mit Silber incrustiret. Das miracul, welches uns dabey einge-
schärffet wurde, war dieses, daß das H. Gefäß immer in unverän-
derten Zustand bliebe, ohnerachtet täglich so sehr viel harte Sachen darinn
herum gerühret würden, wie denn die Priester offt 3 Stunden in ei-
nem Stück mit dieser Arbeit zu thun hätten. Wenn allenfals das miracul
nicht continuirete, so wäre der braune Kitt ein sehr bequemes Mittel, solche
continuation zu Wege zu bringen. Die Jubelen mit welchen das marien=
Bild umhänget ist, die häuffigen pur goldenen Lampen, welche vor
demselben brennen, und die goldnen Kinder, Engel und andre pre
tiosa, welche zu beyden Seiten der niche die Mauer bedecken, über-
gehen Wir mit Stillschweigen, und wird man über dem Nahmen=Register
derer Geber, welches der Canonicus wie eine Litaney herzusagen weiß,
gantz matt und müde. Gleiches wiederfähret einem bey der Be-
sichtigung des großen Schatzes in der Sacristey, der gewiß conside-
rable, das grüne Gewölbe in Dreßden aber dennoch demselben, un-
seres Erachtens, weit überlegen ist. Die in Reise=Läufern und sonst
häuffig von diesen Dingen vorhandene gedruckte Specificationes und
Nachrichten können uns in dieser taediosen Sache weiterer Mühe überheben.
Das Hertz bricht einem in Leibe, theils vor Erbarmung, theils vor Unmuth B.

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[0738] 362 Den 15ten April. Besahen wir unter Anführung eines Canonici der Kirchen, das Interieur der Casa Santa auf das genaueste. Der fördere größere Theil ist mit lauter silbernen Lampen behänget, und von dem kleinern mit einem Altar ohne RückenStück, und mit einem großen Fenster Werck abgesondert, durch welches letztere man das Famo- se Marien Bild sehen kan. In dem größern Theil ist die Haupt raritaet das Fenster, durch welches der Engel Gabirel zur Verkündigung hinein gekommen. |: In dem klei- nern Theil aber, deßen Wände mit Silber Blech überzogen, siehet man 1.) das Camin der H. Jungfrau, bey denn sie gekocht, über welchen accurat in der mitte ihre Statue in der kostbaren niche brilliret. 2.) Das Kleid der H. Jungfrau, von rothem camelot, welches nicht nur die Statue bey der Ankunfts dieses Hau- ses aus Dalmatien um gehabt, sondern auch sie selbst bey ihren LebZeiten getragen. Es lieget in einem versiegelten Kästgen von Cristall, und gab der Führer dabey als ein übergroßes miracul an, daß in so vielen Seculis keine Motte hinein gekommen. 3.) Die Schüßel der Mariae, aus welcher sie und der Herr Christus getruncken. So viel man erkennen kan, ist sie von blau und weißen Töpfer Zeuge gemacht. Weil aber, der Erzehlung nach, eine hohe Standes Per- son sie bey der Besichtigung fallen laßen, so sind die vielen Stücke durch einen braunen Kitt wieder dergestallt zusammen geklebet, daß man von der materie des Gefäßes selbst das wenigste vor diesen Kitt sehen kan. Auf der auswendigen Seite ist sie, um mehrerer Festigkeit Willen, so gar mit Silber incrustiret. Das miracul, welches uns dabey einge- schärffet wurde, war dieses, daß das H. Gefäß immer in unverän- derten Zustand bliebe, ohnerachtet täglich so sehr viel harte Sachen darinn herum gerühret würden, wie denn die Priester offt 3 Stunden in ei- nem Stück mit dieser Arbeit zu thun hätten. Wenn allenfals das miracul nicht continuirete, so wäre der braune Kitt ein sehr bequemes Mittel, solche continuation zu Wege zu bringen. Die Jubelen mit welchen das marien= Bild umhänget ist, die häuffigen pur goldenen Lampen, welche vor demselben brennen, und die goldnen Kinder, Engel und andre pre tiosa, welche zu beyden Seiten der niche die Mauer bedecken, über- gehen Wir mit Stillschweigen, und wird man über dem Nahmen=Register derer Geber, welches der Canonicus wie eine Litaney herzusagen weiß, gantz matt und müde. Gleiches wiederfähret einem bey der Be- sichtigung des großen Schatzes in der Sacristey, der gewiß conside- rable, das grüne Gewölbe in Dreßden aber dennoch demselben, un- seres Erachtens, weit überlegen ist. Die in Reise=Läufern und sonst häuffig von diesen Dingen vorhandene gedruckte Specificationes und Nachrichten können uns in dieser taediosen Sache weiterer Mühe überheben. Das Hertz bricht einem in Leibe, theils vor Erbarmung, theils vor Unmuth B.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/738>, abgerufen am 21.11.2024.