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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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Noch zu Nummer 54.
gehörig.

Vom 28 - 31 December

Unsre den 29 hujus endlich von Mayland angekommene Equipage
und die mannigfaltige Correspondentz haben uns in diesen Tagen
so occupirt, daß wir, zumal bey dem ohnedis anhaltenden Regen-
Wetter, weiter nicht auskommen, als in die Conversationes bey der Mar-
chese Crescenzi, bey dem Cardinal Acquaviva und bey denen Englischen Prin-
tzen
, als von welchen der älteste den 31 hujus seinen Geburts-Tag
mit einem großen Concert des Abends celebrirete. Der König sein
Herr Vater, der Cardinal Tencin, der Connetable Colonna mit seiner Ge-
mahlin, die Princessinnen Borghese und Landi, die Marchesen Crescenzi,
Piccolomini, Falconieri und viele andere Dames und Chapeaux
waren dabey in Gala gegenwärtig und wurden die rinfreschi
reichlich herum gegeben. Der ehemals erwehnte Praelat continuirte
sein Religions-Gespräch auch bey dieser Gelegenheit. Seine Gründe,
durch welche er dismal und vorher uns zu überzeugen gesuchet,
laßen sich kurtz auf folgende Puncte reduciren:

1.) eine sichtbare auctoritaet sey nothwendig, weil sonst so viel Re-
ligiones als Köpfe seyn würden.

2.) Die Lehre der Römischen Kirche sey iederzeit von den Aposteln her
unveränderlich geblieben; dahin gegen man die Zeit accurat
angeben könne, wenn dieser oder jener Haeresiarch Irthümer aufgebracht.

3.) Es sey nicht probable, ia unmöglich, daß die gantze Kirche über
1500 Jahr vor Luthero geirret und dieser erst die Warheit ent-
decket habe, zumalen

4.) derselbe ein so höchst lasterhafftes Werckzeug gewesen.
Unsre Antworten waren ad 1mum) daß die Erfahrung bey denen Pro-
testantischen Kirchen dieser Consequentz widerspreche, die Erfahrung bey
der catholischen Kirche hingegen unwidersprechlich darthue, wie unzulänglich
die sichtbare auctoritaet sey, den dissensum in Lehr-Puncten zu
verhüten oder demselben abzuhelffen.

ad 2dum) Wurde das Vorgeben von der unveränderten Römische Lehre
geläugnet und der Praelat disfals auf die Schrifften des Dallaei und
Basnage verwiesen, um sich daraus zu informiren wie all-
mählig sowol in der Lehre als in der Kirchen-Zucht man von
denen Apostolischen Zeiten abgewichen.

ad 3tium) Wenn dieser Einwurff gegründet wäre, so hätten die
Heyden und Juden vollkommen Recht gehabt, da sie ebnermaßen
denen ersten Christen das Abweichen von der uhralten Lehre
ihrer Vorfahren aufgerucket. Uber dieses habe es auch lange vor
Luthero an Zeugen der Warheit zu keiner Zeit gäntzlich gefehlet.

ad 4tum) Unsre Lehre sey nicht auf Lutherum, noch auf einiges Men-
schen auctoritaet, sondern bloß allein auf die Schrifft gegründet.
So viel Obligation man ihm also unsrer Seits habe, daß er dieses
principium cognoscendi in Religions-Sachen treulich angewiesen;

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Noch zu Nummer 54.
gehörig.

Vom 28 - 31 December

Unsre den 29 hujus endlich von Mayland angekommene Equipage
und die mannigfaltige Correspondentz haben uns in diesen Tagen
so occupirt, daß wir, zumal bey dem ohnedis anhaltenden Regen-
Wetter, weiter nicht auskommen, als in die Conversationes bey der Mar-
chese Crescenzi, bey dem Cardinal Acquaviva und bey denen Englischen Prin-
tzen
, als von welchen der älteste den 31 hujus seinen Geburts-Tag
mit einem großen Concert des Abends celebrirete. Der König sein
Herr Vater, der Cardinal Tencin, der Connetable Colonna mit seiner Ge-
mahlin, die Princessinnen Borghese und Landi, die Marchesen Crescenzi,
Piccolomini, Falconieri und viele andere Dames und Chapeaux
waren dabey in Gala gegenwärtig und wurden die rinfreschi
reichlich herum gegeben. Der ehemals erwehnte Praelat continuirte
sein Religions-Gespräch auch bey dieser Gelegenheit. Seine Gründe,
durch welche er dismal und vorher uns zu überzeugen gesuchet,
laßen sich kurtz auf folgende Puncte reduciren:

1.) eine sichtbare auctoritaet sey nothwendig, weil sonst so viel Re-
ligiones als Köpfe seyn würden.

2.) Die Lehre der Römischen Kirche sey iederzeit von den Aposteln her
unveränderlich geblieben; dahin gegen man die Zeit accurat
angeben könne, wenn dieser oder jener Haeresiarch Irthümer aufgebracht.

3.) Es sey nicht probable, ia unmöglich, daß die gantze Kirche über
1500 Jahr vor Luthero geirret und dieser erst die Warheit ent-
decket habe, zumalen

4.) derselbe ein so höchst lasterhafftes Werckzeug gewesen.
Unsre Antworten waren ad 1mum) daß die Erfahrung bey denen Pro-
testantischen Kirchen dieser Consequentz widerspreche, die Erfahrung bey
der catholischen Kirche hingegen unwidersprechlich darthue, wie unzulänglich
die sichtbare auctoritaet sey, den dissensum in Lehr-Puncten zu
verhüten oder demselben abzuhelffen.

ad 2dum) Wurde das Vorgeben von der unveränderten Römische Lehre
geläugnet und der Praelat disfals auf die Schrifften des Dallaei und
Basnage verwiesen, um sich daraus zu informiren wie all-
mählig sowol in der Lehre als in der Kirchen-Zucht man von
denen Apostolischen Zeiten abgewichen.

ad 3tium) Wenn dieser Einwurff gegründet wäre, so hätten die
Heyden und Juden vollkommen Recht gehabt, da sie ebnermaßen
denen ersten Christen das Abweichen von der uhralten Lehre
ihrer Vorfahren aufgerucket. Uber dieses habe es auch lange vor
Luthero an Zeugen der Warheit zu keiner Zeit gäntzlich gefehlet.

ad 4tum) Unsre Lehre sey nicht auf Lutherum, noch auf einiges Men-
schen auctoritaet, sondern bloß allein auf die Schrifft gegründet.
So viel Obligation man ihm also unsrer Seits habe, daß er dieses
principium cognoscendi in Religions-Sachen treulich angewiesen;

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[0576] 281 Noch zu No 54. gehörig. Vom 28 - 31 Dec: Unsre den 29 hujus endlich von Mayland angekommene Equipage und die mannigfaltige Correspondentz haben uns in diesen Tagen so occupirt, daß wir, zumal bey dem ohnedis anhaltenden Regen- Wetter, weiter nicht auskommen, als in die Conversationes bey der Mar- chese Crescenzi, bey dem Cardinal Acquaviva und bey denen Engl: Prin- tzen, als von welchen der älteste den 31 huj. seinen Geburts-Tag mit einem großen Concert des Abends celebrirete. Der König sein Hl: Vater, der Cardinal Tencin, der Connetable Colonna mit seiner Ge- mahlin, die Princessinnen Borghese und Landi, die Marchesen Crescenzi, Piccolomini, Falconieri und viele andere Dames und Chapeaux waren dabey in Gala gegenwärtig und wurden die rinfreschi reichlich herum gegeben. Der ehemals erwehnte Praelat continuirte sein Religions-Gespräch auch bey dieser Gelegenheit. Seine Gründe, durch welche er dismal und vorher uns zu überzeugen gesuchet, laßen sich kurtz auf folgende Puncte reduciren: 1.) eine sichtbare auctoritaet sey nothwendig, weil sonst so viel Re- ligiones als Köpfe seyn würden. 2.) Die Lehre der Röml: Kirche sey iederzeit von den Aposteln her unveränderlich geblieben; dahin gegen man die Zeit accurat angeben könne, wenn dieser oder jener Haeresiarch Irthümer aufgebracht. 3.) Es sey nicht probable, ia unmöglich, daß die gantze Kirche über 1500 Jahr vor Luthero geirret und dieser erst die Warheit ent- decket habe, zumalen 4.) derselbe ein so höchst lasterhafftes Werckzeug gewesen. Unsre Antworten waren ad 1mum) daß die Erfahrung bey denen Pro- testantischen Kirchen dieser Consequentz widerspreche, die Erfahrung bey der cathol: Kirche hingegen unwidersprechlich darthue, wie unzulänglich die sichtbare auctoritaet sey, den dissensum in Lehr-Puncten zu verhüten oder demselben abzuhelffen. ad 2dum) Wurde das Vorgeben von der unveränderten Röml. Lehre geläugnet und der Praelat disfals auf die Schrifften des Dallaei und Basnage verwiesen, um sich daraus zu informiren wie all- mählig sowol in der Lehre als in der Kirchen-Zucht man von denen Apostolischen Zeiten abgewichen. ad 3tium) Wenn dieser Einwurff gegründet wäre, so hätten die Heyden und Juden vollkommen Recht gehabt, da sie ebnermaßen denen ersten Christen das Abweichen von der uhralten Lehre ihrer Vorfahren aufgerucket. Uber dieses habe es auch lange vor Luthero an Zeugen der Warheit zu keiner Zeit gäntzlich gefehlet. ad 4tum) Unsre Lehre sey nicht auf Lutherum, noch auf einiges Men- schen auctoritaet, sondern bloß allein auf die Schrifft gegründet. So viel Obligation man ihm also unsrer Seits habe, daß er dieses principium cognoscendi in Religions-Sachen treulich angewiesen;

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/576>, abgerufen am 14.08.2024.