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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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Den 30ten September

Weil der König heute auf der Jagd nach Stupinise gieng, und wir weder die Marquise
de Breuil, noch den Grafen Schulenburg auf seinem Landhause antrafen, auch
zu künfftiger Reise Bedürfniß hin und wieder chaises und andere Fuhr=
Wercke zu besichtigen hatten; so sind wir nach einer kurtzen promenade
au Valentin, woselbst die Königlichen Printzeßinnen heute spatzieren giengen,
weiter nirgend hinkommen, als Abends zu der Marquise d'Entraive,
da auch die Comtesse de Cavour, Maquise de Pallas, der Neapoli-
tanische Ambassadeur
, der Comte de Gaetano, Comte de Pron, und
andre gegenwärtig waren, weil die Wöchnerin nunmehro alle visiten
annimbt. Währender unsrer Abwesenheit war der Grand Ecuyer, Baron
de Valese zum Gegen=Besuch vor unserm quartier gewesen.

Den 1ten October

Fuhren wir gewöhnlicher maaßen nach Hofe, machten dem König aus seinem
Zimmer mit denen Anwesenden Herren die cour nach der Capelle, blieben
aber nebst denen übrigen protestantischen Herrn, nehmlich denn Graf
Schulenburg, dem Englischen ministre de Villettes, und dem Englischen Grafen
Saint Hypolite bey dem Eingang der Capelle stehen, und empfingen von dem König
eine sehr gnädige und freundliche Kopf=Neigung. Der music wurde abermal
von uns in der Sacristey zugehöret, und nachgehends bey der Rückkunft in die Königlichen
Zimmer unter andern mit dem Marchese Pallavicini von hiesiger Citadelle
vieles gesprochen, als denn wir alles, was wir darinn gesehen und angemercket,
referiren musten. Der Marquis d'Entraive nahm uns von Hofe in seinem
Wagen mit unter die ehemahls erwähnten arcaden, und, nach einem daselbst
gehaltenen spatzier Gang, zu seinem Vater, dem Gouverneur, welcher uns zum
dine gebeten hatte. Man redete mit ihm von seinem geschlechts=Nahmen Tan
und vernahm, daß er sich von dem Teutschen Geschlecht derer von der Tanne her
derivire, von denen einer vermuthlig mit unsern Kaysern in denen ehema
ligen Römer-Zügen in diese Gegend kommen, und daselbst diese branche
gestifftet. Da denn allmählig der Nahme in Tana, wie sie sich eigentlich
iezo schreiben, verwandelt worden. Sie haben auch ehemals Tann=Zapfen
im Wapen geführet, aber auch dieses allmählig verändert. In seinem Palais
auf der großen Haupt=Treppe siehet man die Statue Kaysers Friderici I.,
welcher einer von des Gouverneurs Vorfahren auf stellen, und in Lateinischer
Sprache die Nachricht darunter setzen laßen, daß gedachter Kayser bey
vorgenommener expedition nach Italien einen seiner ministerialium,
Nahmens de Tan die Reichs-Kleinodien, einem andern gleiches Nahmens
aber seinen Printzen in Verwahrung und Aufsicht gegeben habe. Die

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Den 30ten September

Weil der König heute auf der Jagd nach Stupinise gieng, und wir weder die Marquise
de Breuil, noch den Grafen Schulenburg auf seinem Landhause antrafen, auch
zu künfftiger Reise Bedürfniß hin und wieder chaises und andere Fuhr=
Wercke zu besichtigen hatten; so sind wir nach einer kurtzen promenade
au Valentin, woselbst die Königlichen Printzeßinnen heute spatzieren giengen,
weiter nirgend hinkommen, als Abends zu der Marquise d'Entraive,
da auch die Comtesse de Cavour, Maquise de Pallas, der Neapoli-
tanische Ambassadeur
, der Comte de Gaetano, Comte de Pron, und
andre gegenwärtig waren, weil die Wöchnerin nunmehro alle visiten
annimbt. Währender unsrer Abwesenheit war der Grand Ecuyer, Baron
de Valese zum Gegen=Besuch vor unserm quartier gewesen.

Den 1ten October

Fuhren wir gewöhnlicher maaßen nach Hofe, machten dem König aus seinem
Zimmer mit denen Anwesenden Herren die cour nach der Capelle, blieben
aber nebst denen übrigen protestantischen Herrn, nehmlich denn Graf
Schulenburg, dem Englischen ministre de Villettes, und dem Englischen Grafen
Saint Hypolite bey dem Eingang der Capelle stehen, und empfingen von dem König
eine sehr gnädige und freundliche Kopf=Neigung. Der music wurde abermal
von uns in der Sacristey zugehöret, und nachgehends bey der Rückkunft in die Königlichen
Zimmer unter andern mit dem Marchese Pallavicini von hiesiger Citadelle
vieles gesprochen, als denn wir alles, was wir darinn gesehen und angemercket,
referiren musten. Der Marquis d'Entraive nahm uns von Hofe in seinem
Wagen mit unter die ehemahls erwähnten arcaden, und, nach einem daselbst
gehaltenen spatzier Gang, zu seinem Vater, dem Gouverneur, welcher uns zum
diné gebeten hatte. Man redete mit ihm von seinem geschlechts=Nahmen Tan
und vernahm, daß er sich von dem Teutschen Geschlecht derer von der Tanne her
derivire, von denen einer vermuthlig mit unsern Kaysern in denen ehema
ligen Römer-Zügen in diese Gegend kommen, und daselbst diese branche
gestifftet. Da denn allmählig der Nahme in Tana, wie sie sich eigentlich
iezo schreiben, verwandelt worden. Sie haben auch ehemals Tann=Zapfen
im Wapen geführet, aber auch dieses allmählig verändert. In seinem Palais
auf der großen Haupt=Treppe siehet man die Statue Kaysers Friderici I.,
welcher einer von des Gouverneurs Vorfahren auf stellen, und in Lateinischer
Sprache die Nachricht darunter setzen laßen, daß gedachter Kayser bey
vorgenommener expedition nach Italien einen seiner ministerialium,
Nahmens de Tan die Reichs-Kleinodien, einem andern gleiches Nahmens
aber seinen Printzen in Verwahrung und Aufsicht gegeben habe. Die

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[0468] 227 Den 30ten Sept. Weil der König heute auf der Jagd nach Stupinise gieng, und wir weder die Marquise de Breuil, noch den Grafen Schulenburg auf seinem Landhause antrafen, auch zu künfftiger Reise Bedürfniß hin und wieder chaises und andere Fuhr= Wercke zu besichtigen hatten; so sind wir nach einer kurtzen promenade au Valentin, woselbst die Königl. Printzeßinnen heute spatzieren giengen, weiter nirgend hinkommen, als Abends zu der Marquise d'Entraive, da auch die Comtesse de Cavour, Maquise de Pallas, der Neapoli- tanische Ambassadeur, der Comte de Gaetano, Comte de Pron, und andre gegenwärtig waren, weil die Wöchnerin nunmehro alle visiten annimbt. Währender unsrer Abwesenheit war der Grand Ecuyer, Baron de Valese zum Gegen=Besuch vor unserm quartier gewesen. Den 1ten Octobr. Fuhren wir gewöhnlicher maaßen nach Hofe, machten dem König aus seinem Zimmer mit denen Anwesenden Herren die cour nach der Capelle, blieben aber nebst denen übrigen protestantischen Herrn, nehml. denn Graf Schulenburg, dem Englischen ministre de Villettes, und dem Englischen Grafen St. Hypolite bey dem Eingang der Capelle stehen, und empfingen von dem König eine sehr gnädige und freundl. Kopf=Neigung. Der music wurde abermal von uns in der Sacristey zugehöret, und nachgehends bey der Rückkunft in die Königl. Zimmer unter andern mit dem Marchese Pallavicini von hiesiger Citadelle vieles gesprochen, als denn wir alles, was wir darinn gesehen und angemercket, referiren musten. Der Marquis d'Entraive nahm uns von Hofe in seinem Wagen mit unter die ehemahls erwähnten arcaden, und, nach einem daselbst gehaltenen spatzier Gang, zu seinem Vater, dem Gouverneur, welcher uns zum diné gebeten hatte. Man redete mit ihm von seinem geschlechts=Nahmen Tan und vernahm, daß er sich von dem Teutschen Geschlecht derer von der Tanne her derivire, von denen einer vermuthlig mit unsern Kaysern in denen ehema ligen Römer-Zügen in diese Gegend kommen, und daselbst diese branche gestifftet. Da denn allmählig der Nahme in Tana, wie sie sich eigentlich iezo schreiben, verwandelt worden. Sie haben auch ehemals Tann=Zapfen im Wapen geführet, aber auch dieses allmählig verändert. In seinem Palais auf der großen Haupt=Treppe siehet man die Statue Kaysers Friderici I., welcher einer von des Gouverneurs Vorfahren auf stellen, und in Lateinischer Sprache die Nachricht darunter setzen laßen, daß gedachter Kayser bey vorgenommener expedition nach Italien einen seiner ministerialium, Nahmens de Tan die Reichs-Kleinodien, einem andern gleiches Nahmens aber seinen Printzen in Verwahrung und Aufsicht gegeben habe. Die

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/468>, abgerufen am 21.11.2024.