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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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206
Nummer 44.
Den 2 September

Heute haben wir unsre mitgehabten Recommendationes abgegeben,
nehmlich einen Brief an den Lieutenant General und Commendant du
Lionnois Marquis de Rochebaron von dem Marquis d' Aubais, drey
an den hiesigen Intendant Monsieur de Pallu, nehmlich von dem Duc de
Gesvres
, Comte de Caraman und Marquis de Montbrun, einen an
den ancien Prevot des Marchands und Conseiller d' Etat Monsieur Perrichon, vom Comte de Caraman,
einen an den Chevalier du Guet Monsieur de Gayot von dem Duc de
Gesvres
, einen an den Tresorier de la ville Monsieur Nicolau von
Monsieur de la Moffon aus Montpellier; wir trafen aber Niemand,
als den Commendanten zu Hause an, welcher ein alter überaus
freundlicher Mann ist, und von historisch- und politischen materien
wohl zu sprechen weiß. Er hielt davor, daß der March derer
frantzösischen Trouppen nach Westpfalen eigentlich darauf ange-
sehen seyn werde, das Bremische dem Hause Hannover weg zu-
nehmen, und seinem alten Herrn wieder zu zustellen, ia er er-
klärete die Vermuthung einiger Politicorum nicht vor unwahr-
scheinlich, daß man so gar die Chur-Würde gedachtem Hause ab-
zunehmen, und en faveur des Königs von Preußen auf das
Braunschweigische zu bringen trachten dürfte. Auch wolte er
Nachricht haben, daß die Königin von Ungarn anfänglich geneigt
gewesen, sich auf Frankreich zu reposiren, und die Successions-
Streitigkeiten auf deßen Vermittelung ankommen zu laßen,
daß aber der Groß-Hertzog solches hintertrieben, ia die Königin
einsmals hart darüber angelaßen habe. Als wir gegen Abend
wieder nach Hause kamen, war indeßen der Intendant schon
zur Gegen-Visite da gewesen.

Den 3 September

Früh schickte der Chevalier du Guet einen von seinen Officiers,
mit vorläuffiger Entschuldigung seiner gestrigen Abwesenheit,
folgete auch bald selbst nach, und offerirete sich weil er morgen verreise, auf heute zur Begleitung
und allen Diensten. Er ist ein sehr wohlgebildeter und wohl
dressirter Jung-Geselle, in seinen besten Jahren, der überaus
angenehm zu reden, und vollkommen zu leben weiß. Wir
fuhren mit ihm in unserm Wagen 1) nach dem Intendanten,
der ein kleiner Mann ist, aber en grand Seigneur und a la
Parisienne lebet, auch vom Spiel und Spectacles beßer, als
von andern materien zu reden weiß, sodann 2) zu dem
ietzt regierendem Prevat des Marchands Monsieur de Fleurieu, welcher

206
Nummer 44.
Den 2 September

Heute haben wir unsre mitgehabten Recommendationes abgegeben,
nehmlich einen Brief an den Lieutenant General und Commendant du
Lionnois Marquis de Rochebaron von dem Marquis d‘ Aubais, drey
an den hiesigen Intendant Monsieur de Pallu, nehmlich von dem Duc de
Gesvres
, Comte de Caraman und Marquis de Montbrun, einen an
den ancien Prevôt des Marchands und Conseiller d‘ Etat Monsieur Perrichon, vom Comte de Caraman,
einen an den Chevalier du Guet Monsieur de Gayot von dem Duc de
Gesvres
, einen an den Tresorier de la ville Monsieur Nicolau von
Monsieur de la Moffon aus Montpellier; wir trafen aber Niemand,
als den Commendanten zu Hause an, welcher ein alter überaus
freundlicher Mann ist, und von historisch- und politischen materien
wohl zu sprechen weiß. Er hielt davor, daß der March derer
frantzösischen Trouppen nach Westpfalen eigentlich darauf ange-
sehen seyn werde, das Bremische dem Hause Hannover weg zu-
nehmen, und seinem alten Herrn wieder zu zustellen, ia er er-
klärete die Vermuthung einiger Politicorum nicht vor unwahr-
scheinlich, daß man so gar die Chur-Würde gedachtem Hause ab-
zunehmen, und en faveur des Königs von Preußen auf das
Braunschweigische zu bringen trachten dürfte. Auch wolte er
Nachricht haben, daß die Königin von Ungarn anfänglich geneigt
gewesen, sich auf Frankreich zu reposiren, und die Successions-
Streitigkeiten auf deßen Vermittelung ankommen zu laßen,
daß aber der Groß-Hertzog solches hintertrieben, ia die Königin
einsmals hart darüber angelaßen habe. Als wir gegen Abend
wieder nach Hause kamen, war indeßen der Intendant schon
zur Gegen-Visite da gewesen.

Den 3 September

Früh schickte der Chevalier du Guet einen von seinen Officiers,
mit vorläuffiger Entschuldigung seiner gestrigen Abwesenheit,
folgete auch bald selbst nach, und offerirete sich weil er morgen verreise, auf heute zur Begleitung
und allen Diensten. Er ist ein sehr wohlgebildeter und wohl
dressirter Jung-Geselle, in seinen besten Jahren, der überaus
angenehm zu reden, und vollkommen zu leben weiß. Wir
fuhren mit ihm in unserm Wagen 1) nach dem Intendanten,
der ein kleiner Mann ist, aber en grand Seigneur und a la
Parisienne lebet, auch vom Spiel und Spectacles beßer, als
von andern materien zu reden weiß, sodann 2) zu dem
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[0426] 206 No 44. Den 2 Septembr: Heute haben wir unsre mitgehabten Recommendationes abgegeben, nehmlich einen Brief an den Lieutenant General und Commendant du Lionnois Marquis de Rochebaron von dem Marquis d‘ Aubais, drey an den hiesigen Intendant Mr. de Pallu, nehml: von dem Duc de Gesvres, Comte de Caraman und Marquis de Montbrun, einen an den ancien Prevôt des Marchands und Conseiller d‘ Etat Mr. Perrichon, vom Comte de Caraman, einen an den Chevalier du Guet Mr. de Gayot von dem Duc de Gesvres, einen an den Tresorier de la ville Mr. Nicolau von Mr. de la Moffon aus Montpellier; wir trafen aber Niemand, als den Commendanten zu Hause an, welcher ein alter überaus freundlicher Mann ist, und von historisch- und politischen materien wohl zu sprechen weiß. Er hielt davor, daß der March derer frantzösischen Trouppen nach Westpfalen eigentlich darauf ange- sehen seyn werde, das Bremische dem Hause Hannover weg zu- nehmen, und seinem alten Herrn wieder zu zustellen, ia er er- klärete die Vermuthung einiger Politicorum nicht vor unwahr- scheinlich, daß man so gar die Chur-Würde gedachtem Hause ab- zunehmen, und en faveur des Königs von Preußen auf das Braunschweigische zu bringen trachten dürfte. Auch wolte er Nachricht haben, daß die Königin von Ungarn anfänglich geneigt gewesen, sich auf Frankreich zu reposiren, und die Successions- Streitigkeiten auf deßen Vermittelung ankommen zu laßen, daß aber der Groß-Hertzog solches hintertrieben, ia die Königin einsmals hart darüber angelaßen habe. Als wir gegen Abend wieder nach Hause kamen, war indeßen der Intendant schon zur Gegen-Visite da gewesen. Den 3 Sept: Früh schickte der Chevalier du Guet einen von seinen Officiers, mit vorläuffiger Entschuldigung seiner gestrigen Abwesenheit, folgete auch bald selbst nach, und offerirete sich weil er morgen verreise, auf heute zur Begleitung und allen Diensten. Er ist ein sehr wohlgebildeter und wohl dressirter Jung-Geselle, in seinen besten Jahren, der überaus angenehm zu reden, und vollkommen zu leben weiß. Wir fuhren mit ihm in unserm Wagen 1) nach dem Intendanten, der ein kleiner Mann ist, aber en grand Seigneur und a la Parisienne lebet, auch vom Spiel und Spectacles beßer, als von andern materien zu reden weiß, sodann 2) zu dem ietzt regierendem Prevât des Marchands Mr. de Fleurieu, welcher

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/426>, abgerufen am 21.11.2024.