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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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Nummer 4.
Den 7 November

Vormittags fuhren wir zu dem Peintre ordinaire du Roi, Monsieur Oudry, welcher aux Tuilleries
wohnt, und besahen seinen Vorrath von Gemählden, welche hauptsächlich in Thieren
Desseins zu Tapeten und andern Stücken bestehet. Unter diesen letztern waren
einige so natürlich, daß wir selbst insgesamt dadurch betrogen wurden, und
gehöret in diese Classe sonderlich eine piece, welche ein bas relief von bronze auf
lapis lazuli gelegt, vorstellet, vor welches der Fürst von Lichtenstein 80 Louisd'or
geboten, Monsieur Oudry aber es unter 100 nicht verkauffen will. Etliche Vorsätze,
womit man hier im Sommer die Camine zu verdecken pfleget, waren auch
gantz excellent, sonderlich eines, darauf ein großes porcelanes Gefäß mit Waßer
angefüllet, dergestalt natürlich exprimiret war, daß, als es verwichenen Sommer
in des Königs Zimmer gestanden, ein Jagdt Hund hinzu gelauffen, und seinen
Durst daraus zu stillen wollen. Er mahlet nichts aus der Fantasie, sondern
alles und iedes nach dem Leben und nach dem vor sich habenden Original, und
ist sonsten ein recht aufgeweckter, verständiger und affabler Mann, hat
auch über die Königlichen Tapeten-Manufactur aux Gobelins in so ferne die
Aufsicht, daß er solche alle 8 Tage einmal visitiren und nachsehen muß
ob die Ouvriers nach denen gemahlten Desseins accurat arbeiten. Uns
zu Gefallen, begleitete er uns nach ietztgedachter Manufactur, woselbst
verschiedene ungemein kostbare Stücke von haute/lice vor uns aufge-
hangen wurden, als: der Einzug des zu des Louis XIV Zeiten hier gewesenen
Türckischen Ambassadeurs: die Historie von Esther: die Historie von Don Quixhotte
welche zu dem Wohn=Zimmer der Königin in Versailles destiniret ist:
einige par force Jagdten des Königs, darinn die Haupt-Personen nach
dem Leben, auch die Gegend an Ort und Stelle abgezeichnet ist, zu wel-
chen letztern Monsieur Oudry die Gemählde verfertiget hat: endlich 2 Portieren,
darinn der gantze Grund von purem Gold-Faden und das Gemählde hin-
ein gewürcket ist. Die Arbeiter sind in 2 Gallerien aufgetheilet, in
deren einer die Haute- und in der andern die base/lice fabriciret
wird. Bey dieser letztern Art lieget das Gemählde unter denen auf dem
Würck-Stuhl gezogenen wollenen Faden, und muß also alles lincks
gemahlet seyn, was in der Tapete rechts werden soll: bey der hautelice
hingegen sind die Faden perpendiculair in die Höhe gezogen, und
sitzet der Würcker zwischen dem Gemählde und ietztgedachten Faden
in der Mitten, so, daß er sich immer von Zeit zu Zeit rückwärts nach
dem Gemählde umsehen muß, um die Figuren in die vor sich habenden
Faden hinein zu würcken. Auf Befragen, welche Tapeten von diesen
beyden Arten am besten geriethen? wurden wir berichtet: daß die hautelice
in allen Stücken den Vorzug habe, ausgenommen in Gesichtern und allen
dem, was eine Rundung vorstellen solte, an welchen Stücken wir gleich-
wol in denen uns vorgezeigten Tapeten, die alle hautelice waren,
nicht den geringsten Mangel, sondern vielmehr die höchste Vollkommenheit
gefunden. Daß der bekannte Minister des Louis XIV Monsieur. Colbert diese Manu-
factur etabliret habe, ist bekannt. Die erste Erfindung derer gewürckten

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Nummer 4.
Den 7 November

Vormittags fuhren wir zu dem Peintre ordinaire du Roi, Monsieur Oudry, welcher aux Tuilleries
wohnt, und besahen seinen Vorrath von Gemählden, welche hauptsächlich in Thieren
Desseins zu Tapeten und andern Stücken bestehet. Unter diesen letztern waren
einige so natürlich, daß wir selbst insgesamt dadurch betrogen wurden, und
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lapis lazuli gelegt, vorstellet, vor welches der Fürst von Lichtenstein 80 Louisd’or
geboten, Monsieur Oudry aber es unter 100 nicht verkauffen will. Etliche Vorsätze,
womit man hier im Sommer die Camine zu verdecken pfleget, waren auch
gantz excellent, sonderlich eines, darauf ein großes porcelanes Gefäß mit Waßer
angefüllet, dergestalt natürlich exprimiret war, daß, als es verwichenen Sommer
in des Königs Zimmer gestanden, ein Jagdt Hund hinzu gelauffen, und seinen
Durst daraus zu stillen wollen. Er mahlet nichts aus der Fantasie, sondern
alles und iedes nach dem Leben und nach dem vor sich habenden Original, und
ist sonsten ein recht aufgeweckter, verständiger und affabler Mann, hat
auch über die Königlichen Tapeten-Manufactur aux Gobelins in so ferne die
Aufsicht, daß er solche alle 8 Tage einmal visitiren und nachsehen muß
ob die Ouvriers nach denen gemahlten Desseins accurat arbeiten. Uns
zu Gefallen, begleitete er uns nach ietztgedachter Manufactur, woselbst
verschiedene ungemein kostbare Stücke von haute/lice vor uns aufge-
hangen wurden, als: der Einzug des zu des Louis XIV Zeiten hier gewesenen
Türckischen Ambassadeurs: die Historie von Esther: die Historie von Don Quixhotte
welche zu dem Wohn=Zimmer der Königin in Versailles destiniret ist:
einige par force Jagdten des Königs, darinn die Haupt-Personen nach
dem Leben, auch die Gegend an Ort und Stelle abgezeichnet ist, zu wel-
chen letztern Monsieur Oudry die Gemählde verfertiget hat: endlich 2 Portiéren,
darinn der gantze Grund von purem Gold-Faden und das Gemählde hin-
ein gewürcket ist. Die Arbeiter sind in 2 Gallerien aufgetheilet, in
deren einer die Haute- und in der andern die base/lice fabriciret
wird. Bey dieser letztern Art lieget das Gemählde unter denen auf dem
Würck-Stuhl gezogenen wollenen Faden, und muß also alles lincks
gemahlet seyn, was in der Tapete rechts werden soll: bey der hautelice
hingegen sind die Faden perpendiculair in die Höhe gezogen, und
sitzet der Würcker zwischen dem Gemählde und ietztgedachten Faden
in der Mitten, so, daß er sich immer von Zeit zu Zeit rückwärts nach
dem Gemählde umsehen muß, um die Figuren in die vor sich habenden
Faden hinein zu würcken. Auf Befragen, welche Tapeten von diesen
beyden Arten am besten geriethen? wurden wir berichtet: daß die hautelice
in allen Stücken den Vorzug habe, ausgenommen in Gesichtern und allen
dem, was eine Rundung vorstellen solte, an welchen Stücken wir gleich-
wol in denen uns vorgezeigten Tapeten, die alle hautelice waren,
nicht den geringsten Mangel, sondern vielmehr die höchste Vollkommenheit
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[0034] 12 No 4. Den 7 Novembr: Vormittags fuhren wir zu dem Peintre ordinaire du Roi, Mr: Oudry, welcher aux Tuileries wohnt, und besahen seinen Vorrath von Gemählden, welche hauptsächlich in Thieren Desseins zu Tapeten und andern Stücken bestehet. Unter diesen letztern waren einige so natürlich, daß wir selbst insgesamt dadurch betrogen wurden, und gehöret in diese Classe sonderlich eine piece, welche ein bas relief von bronze auf lapis lazuli gelegt, vorstellet, vor welches der Fürst von Lichtenstein 80 Louisd’or geboten, Mr. Oudry aber es unter 100 nicht verkauffen will. Etliche Vorsätze, womit man hier im Sommer die Camine zu verdecken pfleget, waren auch gantz excellent, sonderlich eines, darauf ein großes porcelanes Gefäß mit Waßer angefüllet, dergestalt natürlich exprimiret war, daß, als es verwichenen Sommer in des Königs Zimmer gestanden, ein Jagdt Hund hinzu gelauffen, und seinen Durst daraus zu stillen wollen. Er mahlet nichts aus der Fantasie, sondern alles und iedes nach dem Leben und nach dem vor sich habenden Original, und ist sonsten ein recht aufgeweckter, verständiger und affabler Mann, hat auch über die Königl: Tapeten-Manufactur aux Gobelins in so ferne die Aufsicht, daß er solche alle 8 Tage einmal visitiren und nachsehen muß ob die Ouvriers nach denen gemahlten Desseins accurat arbeiten. Uns zu Gefallen, begleitete er uns nach ietztgedachter Manufactur, woselbst verschiedene ungemein kostbare Stücke von haute/lice vor uns aufge- hangen wurden, als: der Einzug des zu des Louis XIV Zeiten hier gewesenen Türckl: Ambassadeurs: die Historie von Esther: die Historie von Don Quixhotte welche zu dem Wohn=Zimmer der Königin in Versailles destiniret ist: einige par force Jagdten des Königs, darinn die Haupt-Personen nach dem Leben, auch die Gegend an Ort und Stelle abgezeichnet ist, zu wel- chen letztern Mr. Oudry die Gemählde verfertiget hat: endlich 2 Portiéren, darinn der gantze Grund von purem Gold-Faden und das Gemählde hin- ein gewürcket ist. Die Arbeiter sind in 2 Gallerien aufgetheilet, in deren einer die Haute- und in der andern die base/lice fabriciret wird. Bey dieser letztern Art lieget das Gemählde unter denen auf dem Würck-Stuhl gezogenen wollenen Faden, und muß also alles lincks gemahlet seyn, was in der Tapete rechts werden soll: bey der hautelice hingegen sind die Faden perpendiculair in die Höhe gezogen, und sitzet der Würcker zwischen dem Gemählde und ietztgedachten Faden in der Mitten, so, daß er sich immer von Zeit zu Zeit rückwärts nach dem Gemählde umsehen muß, um die Figuren in die vor sich habenden Faden hinein zu würcken. Auf Befragen, welche Tapeten von diesen beyden Arten am besten geriethen? wurden wir berichtet: daß die hautelice in allen Stücken den Vorzug habe, ausgenommen in Gesichtern und allen dem, was eine Rundung vorstellen solte, an welchen Stücken wir gleich- wol in denen uns vorgezeigten Tapeten, die alle hautelice waren, nicht den geringsten Mangel, sondern vielmehr die höchste Vollkommenheit gefunden. Daß der bekannte Minister des Louis XIV Mr. Colbert diese Manu- factur etabliret habe, ist bekannt. Die erste Erfindung derer gewürckten

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/34>, abgerufen am 21.11.2024.