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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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2.) Ein lateinisches Evangelien=Buch, auf eben dergleichen Pergament durchaus mit goldnen Buchstaben,
iedoch ohngefehr 100 Jahre später geschrieben. Obgedachten Psalter soll der heilige Germanus selbst gebraucht
haben. Das Stück von den Episteln Pauli, welches im 4ten Seculo geschrieben, und hier vorhanden
ist, konten wir dismal nicht zu sehen bekommen, wurden aber aufs künftige vertröstet, und
von dem Bibliothecario bis an den Wagen begleitet. Im hinuntergehen erzehlten wir ihm
die Streitigkeit zwischen dem Abt und denen München des Benedictiner Klosters Münchberg,
deren im vorigen Diario bey Bamberg gedacht worden. Worüber er (1.) die general-Reflexion
machte, que cet Abbe servit mieux, de commencer pas la reforme des coeurs, parceque c'etat
la chose principale. (2) in specie aber hielt er davor, daß, wenn der Abt ihrer Abtey die Ehre
thäte, sie zu consuliren, sie ihm rathen würden, das gras bey zu behalten. Denn das beständige
maigre sey nicht nur höchst kostbar anzuschaffen, und gehe also viel Geld weg, welches denen
Armen zu Nutz kommen könnte, sondern es falle auch dem Cörper fast schwer, solches aus-
zu halten. Weil indeßen ihre hiesige Stiftung das beständige maigre erfordern, so musten
sie freylich dabey bleiben, doch würde ein iedweder bey dem geringsten verspürten Anstoß
von ihm superiore gar gerne dispensiret und ihm das Gras erlaubt.

Den 26 October

Heute sind folgende Merckwürdigkeiten besichtiget worden:
1.) la maison professe des Jesuites oder les grands Jesuites. Die Kirche hat ein sehr schönes
Portal, welches aber zu viel ornamenta hat. Inwendig ist sie etwas enge, aber nach einer
guten Architectur gebauet. Neben dem hohen Altar findet sich eine mit Marmor en
bas relief sehr prächtig ausgekleidete Capelle, über deren Eingang zwey massiv silberne
Engel in Menschen-Größe schweben, und ein verguldetes Hertz mit ihren Händen in
die Höhe halten, in welcher verguldeten Capsul das Hertz Königs Ludovici XIII verschloßen
ist. Gegen über dieser Capelle, zur lincken Hand des Altars ist noch eine dergleichen eben-
fals mit zwey silbernen Engeln versehen, welche das Hertz Königs Ludovici XIV. in
einer vollkommen gleichen Capsul verschloßen halten. Nicht weniger ist in dieser
Kirche ein Altar merckwürdig, welcher mit einer schwartz marmornen Balustrade
eingefaßt, und mit den schönsten Statuen von Bronce besetzet ist. welchenEs hat solchen ein ge-
wißer President der ehemals des großen Printzen von Conde Secretarius gewesen,
diesem seinem Herrn zum Andencken erbauen laßen. In dem Hause selbst merckten
wir an, daß neben der Thüre einer iedweden Zelle eine Tafel hing. Auf diese
Tafel war ein gedruckter Zettel geklebt, auf welchem zuöberst der Nahme des
Einwohners stund, sodann aber ein Verzeichniß derjenigen Orte folgte, an welchen
sich etwan ein iedweder abwesender befinden könnte, exempli gratia en ville, a la campagne, ches le pere
Recteur perge Neben einer ieden solchen Rubrique ist ein Loch gebohret. So bald nun einer
weggehet, streckt er den mittelst einer Schnur an dieser Tafel befestigten kleinen
Pflock neben diejenige Rubric des Orts, dahin er zu gehen gedenckt. Wie wir
denn auf sehr vielen solchen Tafeln das Pflöckgen neben der Rubric: en ville
stecken fanden. Die Bibliothec fält wegen des en fresco gemahlten Platons, wohl
in die Augen. Weil aber unser UmFührer ein Ungelehrter war, so konten wir
von denen Büchern nicht profitiren, auch des berühmten Huetii Bibliothec, welche
gleichfals in diesem Hause, nicht zu sehen bekommen.

2.) la manufacture du plomb lamine. Da man ehemals das Bley nur gießen können,
so ist durch diese in Engelland erfundene Machine es zu Wege gebracht worden,
daß es gepreßet, mithin in einer accurat egalen Dicke zugerichtet werden kann.
Wie denn die solchergestalt zugerichteten Stücke einem aufgerollten Stück Tuch nicht
unähnlich sehen. Das Bley, welches in Barren gröstentheils aus Engelland komt, wird
in einem gegoßenen eisernen Keßel geschmoltzen, und sodann vermittelst einer
Machine auf ein von Sand zugerichtetes Bette ausgegoßen, welcher Ausguß eine bleyerne
Tafel, ohngefehr von 6 Schuhen ins gevierte, und 1 Zoll dicke, formiret. Eine solche Tafel wird

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2.) Ein lateinisches Evangelien=Buch, auf eben dergleichen Pergament durchaus mit goldnen Buchstaben,
iedoch ohngefehr 100 Jahre später geschrieben. Obgedachten Psalter soll der heilige Germanus selbst gebraucht
haben. Das Stück von den Episteln Pauli, welches im 4ten Seculo geschrieben, und hier vorhanden
ist, konten wir dismal nicht zu sehen bekommen, wurden aber aufs künftige vertröstet, und
von dem Bibliothecario bis an den Wagen begleitet. Im hinuntergehen erzehlten wir ihm
die Streitigkeit zwischen dem Abt und denen München des Benedictiner Klosters Münchberg,
deren im vorigen Diario bey Bamberg gedacht worden. Worüber er (1.) die general-Reflexion
machte, que cet Abbé servit mieux, de commencer pas la reforme des coeurs, parceque c’etat
la chose principale. (2) in specie aber hielt er davor, daß, wenn der Abt ihrer Abtey die Ehre
thäte, sie zu consuliren, sie ihm rathen würden, das gras bey zu behalten. Denn das beständige
maigre sey nicht nur höchst kostbar anzuschaffen, und gehe also viel Geld weg, welches denen
Armen zu Nutz kommen könnte, sondern es falle auch dem Cörper fast schwer, solches aus-
zu halten. Weil indeßen ihre hiesige Stiftung das beständige maigre erfordern, so musten
sie freylich dabey bleiben, doch würde ein iedweder bey dem geringsten verspürten Anstoß
von ihm superiore gar gerne dispensiret und ihm das Gras erlaubt.

Den 26 October

Heute sind folgende Merckwürdigkeiten besichtiget worden:
1.) la maison professe des Jesuites oder les grands Jesuites. Die Kirche hat ein sehr schönes
Portal, welches aber zu viel ornamenta hat. Inwendig ist sie etwas enge, aber nach einer
guten Architectur gebauet. Neben dem hohen Altar findet sich eine mit Marmor en
bas relief sehr prächtig ausgekleidete Capelle, über deren Eingang zwey massiv silberne
Engel in Menschen-Größe schweben, und ein verguldetes Hertz mit ihren Händen in
die Höhe halten, in welcher verguldeten Capsul das Hertz Königs Ludovici XIII verschloßen
ist. Gegen über dieser Capelle, zur lincken Hand des Altars ist noch eine dergleichen eben-
fals mit zwey silbernen Engeln versehen, welche das Hertz Königs Ludovici XIV. in
einer vollkommen gleichen Capsul verschloßen halten. Nicht weniger ist in dieser
Kirche ein Altar merckwürdig, welcher mit einer schwartz marmornen Balustrade
eingefaßt, und mit den schönsten Statuen von Bronce besetzet ist. welchenEs hat solchen ein ge-
wißer President der ehemals des großen Printzen von Condé Secretarius gewesen,
diesem seinem Herrn zum Andencken erbauen laßen. In dem Hause selbst merckten
wir an, daß neben der Thüre einer iedweden Zelle eine Tafel hing. Auf diese
Tafel war ein gedruckter Zettel geklebt, auf welchem zuöberst der Nahme des
Einwohners stund, sodann aber ein Verzeichniß derjenigen Orte folgte, an welchen
sich etwan ein iedweder abwesender befinden könnte, exempli gratia en ville, à la campagne, ches le pere
Recteur perge Neben einer ieden solchen Rubrique ist ein Loch gebohret. So bald nun einer
weggehet, streckt er den mittelst einer Schnur an dieser Tafel befestigten kleinen
Pflock neben diejenige Rubric des Orts, dahin er zu gehen gedenckt. Wie wir
denn auf sehr vielen solchen Tafeln das Pflöckgen neben der Rubric: en ville
stecken fanden. Die Bibliothec fält wegen des en fresco gemahlten Platons, wohl
in die Augen. Weil aber unser UmFührer ein Ungelehrter war, so konten wir
von denen Büchern nicht profitiren, auch des berühmten Huetii Bibliothec, welche
gleichfals in diesem Hause, nicht zu sehen bekommen.

2.) la manufacture du plomb laminé. Da man ehemals das Bley nur gießen können,
so ist durch diese in Engelland erfundene Machine es zu Wege gebracht worden,
daß es gepreßet, mithin in einer accurat egalen Dicke zugerichtet werden kann.
Wie denn die solchergestalt zugerichteten Stücke einem aufgerollten Stück Tuch nicht
unähnlich sehen. Das Bley, welches in Barren gröstentheils aus Engelland komt, wird
in einem gegoßenen eisernen Keßel geschmoltzen, und sodann vermittelst einer
Machine auf ein von Sand zugerichtetes Bette ausgegoßen, welcher Ausguß eine bleyerne
Tafel, ohngefehr von 6 Schuhen ins gevierte, und 1 Zoll dicke, formiret. Eine solche Tafel wird

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[0024] 7 2.) Ein lateinisches Evangelien=Buch, auf eben dergleichen Pergament durchaus mit goldnen Buchstaben, iedoch ohngefehr 100 Jahre später geschrieben. Obgedachten Psalter soll der heil: Germanus selbst gebraucht haben. Das Stück von den Episteln Pauli, welches im 4ten Seculo geschrieben, und hier vorhanden ist, konten wir dismal nicht zu sehen bekommen, wurden aber aufs künftige vertröstet, und von dem Bibliothecario bis an den Wagen begleitet. Im hinuntergehen erzehlten wir ihm die Streitigkeit zwischen dem Abt und denen München des Benedictiner Klosters Münchberg, deren im vorigen Diario bey Bamberg gedacht worden. Worüber er (1.) die general-Reflexion machte, que cet Abbé servit mieux, de commencer pas la reforme des coeurs, parceque c’etat la chose principale. (2) in specie aber hielt er davor, daß, wenn der Abt ihrer Abtey die Ehre thäte, sie zu consuliren, sie ihm rathen würden, das gras bey zu behalten. Denn das beständige maigre sey nicht nur höchst kostbar anzuschaffen, und gehe also viel Geld weg, welches denen Armen zu Nutz kommen könnte, sondern es falle auch dem Cörper fast schwer, solches aus- zu halten. Weil indeßen ihre hiesige Stiftung das beständige maigre erfordern, so musten sie freylich dabey bleiben, doch würde ein iedweder bey dem geringsten verspürten Anstoß von ihm superiore gar gerne dispensiret und ihm das Gras erlaubt. Den 26 Octobr: Heute sind folgende Merckwürdigkeiten besichtiget worden: 1.) la maison professe des Jesuites oder les grands Jesuites. Die Kirche hat ein sehr schönes Portal, welches aber zu viel ornamenta hat. Inwendig ist sie etwas enge, aber nach einer guten Architectur gebauet. Neben dem hohen Altar findet sich eine mit Marmor en bas relief sehr prächtig ausgekleidete Capelle, über deren Eingang zwey massiv silberne Engel in Menschen-Größe schweben, und ein verguldetes Hertz mit ihren Händen in die Höhe halten, in welcher verguldeten Capsul das Hertz Königs Ludovici XIII verschloßen ist. Gegen über dieser Capelle, zur lincken Hand des Altars ist noch eine dergleichen eben- fals mit zwey silbernen Engeln versehen, welche das Hertz Königs Lud: XIV. in einer vollkommen gleichen Capsul verschloßen halten. Nicht weniger ist in dieser Kirche ein Altar merckwürdig, welcher mit einer schwartz marmornen Balustrade eingefaßt, und mit den schönsten Statuen von Bronce besetzet ist. Es hat solchen ein ge- wißer President der ehemals des großen Printzen von Condé Secretarius gewesen, diesem seinem Herrn zum Andencken erbauen laßen. In dem Hause selbst merckten wir an, daß neben der Thüre einer iedweden Zelle eine Tafel hing. Auf diese Tafel war ein gedruckter Zettel geklebt, auf welchem zuöberst der Nahme des Einwohners stund, sodann aber ein Verzeichniß derjenigen Orte folgte, an welchen sich etwan ein iedweder abwesender befinden könnte, e.g. en ville, à la campagne, ches le pere Recteur p Neben einer ieden solchen Rubrique ist ein Loch gebohret. So bald nun einer weggehet, streckt er den mittelst einer Schnur an dieser Tafel befestigten kleinen Pflock neben diejenige Rubric des Orts, dahin er zu gehen gedenckt. Wie wir denn auf sehr vielen solchen Tafeln das Pflöckgen neben der Rubric: en ville stecken fanden. Die Bibliothec fält wegen des en fresco gemahlten Platons, wohl in die Augen. Weil aber unser Führer ein Ungelehrter war, so konten wir von denen Büchern nicht profitiren, auch des berühmten Huetii Bibliothec, welche gleichfals in diesem Hause, nicht zu sehen bekommen. 2.) la manufacture du plomb laminé. Da man ehemals das Bley nur gießen können, so ist durch diese in Engelland erfundene Machine es zu Wege gebracht worden, daß es gepreßet, mithin in einer accurat egalen Dicke zugerichtet werden kann. Wie denn die solchergestalt zugerichteten Stücke einem aufgerollten Stück Tuch nicht unähnlich sehen. Das Bley, welches in Barren gröstentheils aus Engelland komt, wird in einem gegoßenen eisernen Keßel geschmoltzen, und sodann vermittelst einer Machine auf ein von Sand zugerichtetes Bette ausgegoßen, welcher Ausguß eine bleyerne Tafel, ohngefehr von 6 Schuhen ins gevierte, u 1 Zoll dicke, formiret. Eine solche Tafel wird

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/24>, abgerufen am 14.08.2024.