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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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Wir entretenirten uns also mit dem auch anwesenden Herrn von Gersdorf
und dem Marquis de Montbrun, welcher letztere erzehlete, daß der Duc
de Bouillon
zuverläßige Briefe empfangen, des Innhalts, daß die Köni-
gin von Ungarn
Schlesien oder wenigstens einen condifiderablen Theil
davon an Preußen abtreten, der König in Preußen aber dagegen
10 Millionen Gulden bezahlen, und eine Armee von 20/m Mann zu
oesterreichischen Diensten auf seine Kosten unterhalten, im Nothfall auch
noch andre 20/m Mann, iedoch diese letztern auf oesterreichische Kosten-
fourniren werde.

Den 2 Martii

Früh wurde einem Schwedischen Cavalier von Schwerin die Gegen-
Visite gegeben, und sodann das Montbrunische Haus besuchet, an bey-
den Orten aber war Niemand visible. Mittags speiseten wir beym
Cardinal Polignac in Gesellschaft seiner so oft gedachten Verwandten
und zweyer Jesuiten, welche bis zur Eßens-Zeit affaires mit ihm
tractiret hatten. Der Cardinal erzehlte den Todt des Regenten, Duc
d'Orleans
, also, daß er nehmlich vor dem Camin geseßen, und ihm
plötzlich so schlimm worden, daß er gesagt: ich sterbe. Ob man nun
gleich den Chirurgum und medicum herbey geholet, und ihm Ader ge-
laßen, so sey er doch bey der Venä Section schon würcklich todt gewesen.
Die Jesuiten redeten von dem ehemals beschriebenen Augen-Clavir
ihres Ordens-Bruders nicht zum Besten, und pflichteten unsrer Meinung
bey, daß das meiste in seinem Systemate arbitrair wäre.
Monsieur Liancourt, ein gelehrter Cavalier des Cardinals, sagte
Schertzweise, es könne die Invention doch wenigstens den Nutzen
haben, daß man etwan einem Tuche oder Seiden Händler, der
Waaren liefern solle, kurter und deutlicher die verlangten Far-
ben anzeigen, und Zum Exempel sagen oder schreiben könne: schickt mir
grün von der Farbe vt, re, mi perge Von Louisiana und Canada,
woselbst die Jesuiten Missionarien gewesen, erzehleten sie,
daß es daselbst Ochsen gebe, welche Wolle hätten, so, daß einem
Ochsen wohl 10 lt abgenommen werden könten, die man, gleich
andrer Wolle, verarbeitete. Der Cardinal war heute nicht gesprächig
und schien die mit denen Jesuiten tractirte Geschäfte im Gemüth
zu haben. Monsieur Rollin, zu dem wir von hier aus fuhren, war zwar
nicht zu Hause, hatte aber eine schriftliche Nachricht bey sich seinem
Domestiquen hinterlaßen, nach deren Innhalt wir übermorgen nach-
mittag zu dem Marechal d'Asfeld eingeladen wurden. Weil wir
indeßen in der Nähe des sogenannten Jardin du Roi waren, so be-
sichtigten wir das in demselben vorhandene Naturalien-Cabinet,
welches nach denen bekanten Regnis, animali, vegitabili perge sehr
wohl rangiret und ziemlich groß ist. Unter denen Thieren war uns
das merckwürdigste ein sehr großer weißer Waßer-Vogel mit
einem sehr langen Hals und langen etwas breiten Schnabel, an
deßen unterer Helfte ein ziemlich großer Sack von Haut ange-
wachsen ist, welcher sich bis an die Gurgel erstrecket und einer
Weiber-Mütze nicht unähnlich ist. Dieser Vogel wird in Egypten zum

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Wir entretenirten uns also mit dem auch anwesenden Herrn von Gersdorf
und dem Marquis de Montbrun, welcher letztere erzehlete, daß der Duc
de Bouillon
zuverläßige Briefe empfangen, des Innhalts, daß die Köni-
gin von Ungarn
Schlesien oder wenigstens einen condifiderablen Theil
davon an Preußen abtreten, der König in Preußen aber dagegen
10 Millionen Gulden bezahlen, und eine Armée von 20/m Mann zu
oesterreichischen Diensten auf seine Kosten unterhalten, im Nothfall auch
noch andre 20/m Mann, iedoch diese letztern auf oesterreichische Kosten-
fourniren werde.

Den 2 Martii

Früh wurde einem Schwedischen Cavalier von Schwerin die Gegen-
Visite gegeben, und sodann das Montbrunische Haus besuchet, an bey-
den Orten aber war Niemand visible. Mittags speiseten wir beym
Cardinal Polignac in Gesellschaft seiner so oft gedachten Verwandten
und zweyer Jesuiten, welche bis zur Eßens-Zeit affaires mit ihm
tractiret hatten. Der Cardinal erzehlte den Todt des Regenten, Duc
d’Orleans
, also, daß er nehmlich vor dem Camin geseßen, und ihm
plötzlich so schlimm worden, daß er gesagt: ich sterbe. Ob man nun
gleich den Chirurgum und medicum herbey geholet, und ihm Ader ge-
laßen, so sey er doch bey der Venä Section schon würcklich todt gewesen.
Die Jesuiten redeten von dem ehemals beschriebenen Augen-Clavir
ihres Ordens-Bruders nicht zum Besten, und pflichteten unsrer Meinung
bey, daß das meiste in seinem Systemate arbitrair wäre.
Monsieur Liancourt, ein gelehrter Cavalier des Cardinals, sagte
Schertzweise, es könne die Invention doch wenigstens den Nutzen
haben, daß man etwan einem Tuche oder Seiden Händler, der
Waaren liefern solle, kurter und deutlicher die verlangten Far-
ben anzeigen, und Zum Exempel sagen oder schreiben könne: schickt mir
grün von der Farbe vt, re, mi perge Von Louisiana und Canada,
woselbst die Jesuiten Missionarien gewesen, erzehleten sie,
daß es daselbst Ochsen gebe, welche Wolle hätten, so, daß einem
Ochsen wohl 10 lt abgenommen werden könten, die man, gleich
andrer Wolle, verarbeitete. Der Cardinal war heute nicht gesprächig
und schien die mit denen Jesuiten tractirte Geschäfte im Gemüth
zu haben. Monsieur Rollin, zu dem wir von hier aus fuhren, war zwar
nicht zu Hause, hatte aber eine schriftliche Nachricht bey sich seinem
Domestiquen hinterlaßen, nach deren Innhalt wir übermorgen nach-
mittag zu dem Marechal d’Asfeld eingeladen wurden. Weil wir
indeßen in der Nähe des sogenannten Jardin du Roi waren, so be-
sichtigten wir das in demselben vorhandene Naturalien-Cabinet,
welches nach denen bekanten Regnis, animali, vegitabili perge sehr
wohl rangiret und ziemlich groß ist. Unter denen Thieren war uns
das merckwürdigste ein sehr großer weißer Waßer-Vogel mit
einem sehr langen Hals und langen etwas breiten Schnabel, an
deßen unterer Helfte ein ziemlich großer Sack von Haut ange-
wachsen ist, welcher sich bis an die Gurgel erstrecket und einer
Weiber-Mütze nicht unähnlich ist. Dieser Vogel wird in Egypten zum

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[0188] 87 Wir entretenirten uns also mit dem auch anwesenden H. v. Gersdorf und dem Marquis de Montbrun, welcher letztere erzehlete, daß der Duc de Bouillon zuverläßige Briefe empfangen, des Innhalts, daß die Köni- gin von Ungarn Schlesien oder wenigstens einen condifiderablen Theil davon an Preußen abtreten, der König in Preußen aber dagegen 10 Millionen Gulden bezahlen, und eine Armée von 20/m Mann zu oesterreichischen Diensten auf seine Kosten unterhalten, im Nothfall auch noch andre 20/m Mann, iedoch diese letztern auf oesterreichische Kosten- fourniren werde. Den 2 Mart: Früh wurde einem Schwedischen Cavalier von Schwerin die Gegen- Visite gegeben, und sodann das Montbrunische Haus besuchet, an bey- den Orten aber war Niemand visible. Mittags speiseten wir beym Card: Polignac in Gesellschaft seiner so oft gedachten Verwandten u. zweyer Jesuiten, welche bis zur Eßens-Zeit affaires mit ihm tractiret hatten. Der Cardinal erzehlte den Todt des Regenten, Duc d’Orleans, also, daß er nehml: vor dem Camin geseßen, u. ihm plötzlich so schlimm worden, daß er gesagt: ich sterbe. Ob man nun gleich den Chirurgum und medicum herbey geholet, u. ihm Ader ge- laßen, so sey er doch bey der Venä Section schon würcklich todt gewesen. Die Jesuiten redeten von dem ehemals beschriebenen Augen-Clavir ihres Ordens-Bruders nicht zum Besten, u. pflichteten unsrer Meinung bey, daß das meiste in seinem Systemate arbitrair wäre. Mr. Liancourt, ein gelehrter Cavalier des Cardinals, sagte Schertzweise, es könne die Invention doch wenigstens den Nutzen haben, daß man etwan einem Tuche oder Seiden Händler, der Waaren liefern solle, kurter und deutlicher die verlangten Far- ben anzeigen, u. Z.E. sagen oder schreiben könne: schickt mir grün von der Farbe vt, re, mi p Von Louisiana und Canada, woselbst die Jesuiten Missionarien gewesen, erzehleten sie, daß es daselbst Ochsen gebe, welche Wolle hätten, so, daß einem Ochsen wohl 10 lt abgenommen werden könten, die man, gleich andrer Wolle, verarbeitete. Der Cardinal war heute nicht gesprächig und schien die mit denen Jesuiten tractirte Geschäfte im Gemüth zu haben. Mr. Rollin, zu dem wir von hier aus fuhren, war zwar nicht zu Hause, hatte aber eine schriftl: Nachricht bey seinem Domestiquen hinterlaßen, nach deren Innhalt wir übermorgen nach- mittag zu dem Marechal d’Asfeld eingeladen wurden. Weil wir indeßen in der Nähe des sogenannten Jardin du Roi waren, so be- sichtigten wir das in demselben vorhandene Naturalien-Cabinet, welches nach denen bekanten Regnis, animali, vegitabili p sehr wohl rangiret und ziemlich groß ist. Unter denen Thieren war uns das merckwürdigste ein sehr großer weißer Waßer-Vogel mit einem sehr langen Hals u. langen etwas breiten Schnabel, an deßen unterer Helfte ein ziemlich großer Sack von Haut ange- wachsen ist, welcher sich bis an die Gurgel erstrecket und einer Weiber-Mütze nicht unähnlich ist. Dieser Vogel wird in Egypten zum

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/188>, abgerufen am 21.11.2024.