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Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 2: Mechanik flüssiger Körper. Prag, 1832.

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Geschwindigkeit der Mählsteine.
§. 268.

Ein Beispiel wird das Gesagte besser erläutern. Bei den Getreidemühlen
haben Belidor und Fabre in Frankreich, dann Wiebeking und mehrere Schriftsteller
in Deutschland über die vortheilhafteste Geschwindigkeit der Mühlsteine folgende Er-
fahrungen in ihren über den Mühlenbau herausgegebenen Schriften bekannt gemacht.
In der Mühle zu la Fere, welche aus mehreren Ursachen verdient hatte von Belidor
als Muster aufgestellt zu werden, hatte der Mühlstein 6 Fuss im Durchmesser und
machte in jeder Minute 53 Umläufe (Architecture hydraulique, T. 1, §. 656). Fabre
(Versuch über die Getreidemühlen §. 388) erhielt von einem Mühlsteine, der 5 Fuss
im Durchmesser hatte, nur gutes Mehl, wenn derselbe in jeder Minute 48 bis 61
Umgänge machte; bei 68, 81 und 95 Umgängen war die Erhitzung des Mehles immer
merklicher und das daraus gebackene Brod jederzeit schlechter. Wiebeking (Beiträge
zum praktischen Wasserbau, VI. Abschnitt, Seite 159) liefert aus seinen Beobachtungen
der besten Mühlen in Pommern und am Rhein eine Tafel, in welcher die Umläufe
der Mühlsteine sehr nahe im umgekehrten Verhältnisse ihrer Durchmesser zunehmen.
Aus diesen Beobachtungen folgt, dass die französischen Mühlsteine, welche nicht
flach, sondern etwas konisch zugehauen sich über einander bewegen, an ihrer Peripherie
eine Geschwindigkeit von 16 bis 17 pariser Fuss, oder im Mittel 17 Rheinl. Fuss, die deut-
schen flachen Mühlsteine hingegen 24 Rheinl. Fuss Geschwindigkeit haben. Am Lande in
Böhmen haben die Mühlsteine nur 21/2 bis 3 Fuss im Durchmesser und die Anzahl der
Umläufe in einer Minute ist bei kleinen Mühlsteinen 180, bei grössern 150, woraus wie-
der die Geschwindigkeit am Umfange beinahe = 24 Fuss folgt. Hierbei ist zu bemer-
ken, dass die französischen Mühlsteine nach Belidor und Fabre so behauen sind, dass
sie in der Mitte einen bedeutenden, nämlich der Grösse des zu vermahlenden Kornes
angemessenen Zwischenraum besitzen, welcher aber gegen die Peripherie hin, wo die
Steine nur die bereits zermahlenen Getreidekörner (Schrot) noch feiner zu zermahlen ha-
ben, kleiner wird. Nehmen wir in dieser Hinsicht mit Belidor und Fabre an, dass der
Schwerpunkt des Zerreibens bei den französischen Mühlsteinen auf 2/3 des Halbmessers,
bei den deutschen hingegen auf der Hälfte desselben zu setzen sey, so findet man für
diese Schwerpunkte die Geschwindigkeit sowohl für die deutschen als französischen
Mühlsteine einander beinahe gleich und für beide 12 Fuss. In der folgenden Tafel
ist die Zahl der Umläufe der Mühlsteine so berechnet worden, dass den französischen
Mühlsteinen auf der Entfernung von 2/3 ihres Halbmessers die Geschwindigkeit 12 Fuss,
den deutschen hingegen auf der Mitte ihres Halbmessers dieselbe Geschwindigkeit von
12 Rheinl. Fuss beigelegt wurde. Die Anzahl der Umläüfe, welche ein Mühlstein in
1 Minute macht, ist nämlich immer = [Formel 1] , wo C die Geschwindigkeit des Steines an
der Peripherie und r seinen Halbmesser bezeichnet.

Geschwindigkeit der Mählsteine.
§. 268.

Ein Beispiel wird das Gesagte besser erläutern. Bei den Getreidemühlen
haben Belidor und Fabre in Frankreich, dann Wiebeking und mehrere Schriftsteller
in Deutschland über die vortheilhafteste Geschwindigkeit der Mühlsteine folgende Er-
fahrungen in ihren über den Mühlenbau herausgegebenen Schriften bekannt gemacht.
In der Mühle zu la Fere, welche aus mehreren Ursachen verdient hatte von Belidor
als Muster aufgestellt zu werden, hatte der Mühlstein 6 Fuss im Durchmesser und
machte in jeder Minute 53 Umläufe (Architecture hydraulique, T. 1, §. 656). Fabre
(Versuch über die Getreidemühlen §. 388) erhielt von einem Mühlsteine, der 5 Fuss
im Durchmesser hatte, nur gutes Mehl, wenn derselbe in jeder Minute 48 bis 61
Umgänge machte; bei 68, 81 und 95 Umgängen war die Erhitzung des Mehles immer
merklicher und das daraus gebackene Brod jederzeit schlechter. Wiebeking (Beiträge
zum praktischen Wasserbau, VI. Abschnitt, Seite 159) liefert aus seinen Beobachtungen
der besten Mühlen in Pommern und am Rhein eine Tafel, in welcher die Umläufe
der Mühlsteine sehr nahe im umgekehrten Verhältnisse ihrer Durchmesser zunehmen.
Aus diesen Beobachtungen folgt, dass die französischen Mühlsteine, welche nicht
flach, sondern etwas konisch zugehauen sich über einander bewegen, an ihrer Peripherie
eine Geschwindigkeit von 16 bis 17 pariser Fuss, oder im Mittel 17 Rheinl. Fuss, die deut-
schen flachen Mühlsteine hingegen 24 Rheinl. Fuss Geschwindigkeit haben. Am Lande in
Böhmen haben die Mühlsteine nur 2½ bis 3 Fuss im Durchmesser und die Anzahl der
Umläufe in einer Minute ist bei kleinen Mühlsteinen 180, bei grössern 150, woraus wie-
der die Geschwindigkeit am Umfange beinahe = 24 Fuss folgt. Hierbei ist zu bemer-
ken, dass die französischen Mühlsteine nach Belidor und Fabre so behauen sind, dass
sie in der Mitte einen bedeutenden, nämlich der Grösse des zu vermahlenden Kornes
angemessenen Zwischenraum besitzen, welcher aber gegen die Peripherie hin, wo die
Steine nur die bereits zermahlenen Getreidekörner (Schrot) noch feiner zu zermahlen ha-
ben, kleiner wird. Nehmen wir in dieser Hinsicht mit Belidor und Fabre an, dass der
Schwerpunkt des Zerreibens bei den französischen Mühlsteinen auf ⅔ des Halbmessers,
bei den deutschen hingegen auf der Hälfte desselben zu setzen sey, so findet man für
diese Schwerpunkte die Geschwindigkeit sowohl für die deutschen als französischen
Mühlsteine einander beinahe gleich und für beide 12 Fuss. In der folgenden Tafel
ist die Zahl der Umläufe der Mühlsteine so berechnet worden, dass den französischen
Mühlsteinen auf der Entfernung von ⅔ ihres Halbmessers die Geschwindigkeit 12 Fuss,
den deutschen hingegen auf der Mitte ihres Halbmessers dieselbe Geschwindigkeit von
12 Rheinl. Fuss beigelegt wurde. Die Anzahl der Umläüfe, welche ein Mühlstein in
1 Minute macht, ist nämlich immer = [Formel 1] , wo C die Geschwindigkeit des Steines an
der Peripherie und r seinen Halbmesser bezeichnet.

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[359/0377] Geschwindigkeit der Mählsteine. §. 268. Ein Beispiel wird das Gesagte besser erläutern. Bei den Getreidemühlen haben Belidor und Fabre in Frankreich, dann Wiebeking und mehrere Schriftsteller in Deutschland über die vortheilhafteste Geschwindigkeit der Mühlsteine folgende Er- fahrungen in ihren über den Mühlenbau herausgegebenen Schriften bekannt gemacht. In der Mühle zu la Fere, welche aus mehreren Ursachen verdient hatte von Belidor als Muster aufgestellt zu werden, hatte der Mühlstein 6 Fuss im Durchmesser und machte in jeder Minute 53 Umläufe (Architecture hydraulique, T. 1, §. 656). Fabre (Versuch über die Getreidemühlen §. 388) erhielt von einem Mühlsteine, der 5 Fuss im Durchmesser hatte, nur gutes Mehl, wenn derselbe in jeder Minute 48 bis 61 Umgänge machte; bei 68, 81 und 95 Umgängen war die Erhitzung des Mehles immer merklicher und das daraus gebackene Brod jederzeit schlechter. Wiebeking (Beiträge zum praktischen Wasserbau, VI. Abschnitt, Seite 159) liefert aus seinen Beobachtungen der besten Mühlen in Pommern und am Rhein eine Tafel, in welcher die Umläufe der Mühlsteine sehr nahe im umgekehrten Verhältnisse ihrer Durchmesser zunehmen. Aus diesen Beobachtungen folgt, dass die französischen Mühlsteine, welche nicht flach, sondern etwas konisch zugehauen sich über einander bewegen, an ihrer Peripherie eine Geschwindigkeit von 16 bis 17 pariser Fuss, oder im Mittel 17 Rheinl. Fuss, die deut- schen flachen Mühlsteine hingegen 24 Rheinl. Fuss Geschwindigkeit haben. Am Lande in Böhmen haben die Mühlsteine nur 2½ bis 3 Fuss im Durchmesser und die Anzahl der Umläufe in einer Minute ist bei kleinen Mühlsteinen 180, bei grössern 150, woraus wie- der die Geschwindigkeit am Umfange beinahe = 24 Fuss folgt. Hierbei ist zu bemer- ken, dass die französischen Mühlsteine nach Belidor und Fabre so behauen sind, dass sie in der Mitte einen bedeutenden, nämlich der Grösse des zu vermahlenden Kornes angemessenen Zwischenraum besitzen, welcher aber gegen die Peripherie hin, wo die Steine nur die bereits zermahlenen Getreidekörner (Schrot) noch feiner zu zermahlen ha- ben, kleiner wird. Nehmen wir in dieser Hinsicht mit Belidor und Fabre an, dass der Schwerpunkt des Zerreibens bei den französischen Mühlsteinen auf ⅔ des Halbmessers, bei den deutschen hingegen auf der Hälfte desselben zu setzen sey, so findet man für diese Schwerpunkte die Geschwindigkeit sowohl für die deutschen als französischen Mühlsteine einander beinahe gleich und für beide 12 Fuss. In der folgenden Tafel ist die Zahl der Umläufe der Mühlsteine so berechnet worden, dass den französischen Mühlsteinen auf der Entfernung von ⅔ ihres Halbmessers die Geschwindigkeit 12 Fuss, den deutschen hingegen auf der Mitte ihres Halbmessers dieselbe Geschwindigkeit von 12 Rheinl. Fuss beigelegt wurde. Die Anzahl der Umläüfe, welche ein Mühlstein in 1 Minute macht, ist nämlich immer = [FORMEL], wo C die Geschwindigkeit des Steines an der Peripherie und r seinen Halbmesser bezeichnet.

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Zitationshilfe: Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 2: Mechanik flüssiger Körper. Prag, 1832, S. 359. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik02_1832/377>, abgerufen am 18.11.2024.