Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 2: Mechanik flüssiger Körper. Prag, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite

Widerstände des Wassers in Röhren.
am Ende der Röhren abfloss, welche aus denselben Röhren bei einer kürzeren Länge
oder in der Nähe des Wasserbehälters ausgeflossen ist. Diese Beobachtung stimmte mit
einer zweiten eben so wichtigen überein, gemäss welcher die springenden Wasserstrahlen
bei weitem nicht auf die Höhe des Wasserspiegels im Behälter, woraus das Wasser durch
Röhren zu den Springbrunnen geleitet wurde, sich erhoben.

Uiber die Ursache dieser merkwürdigen Erscheinung hat uns erst am Ende des ver-
flossenen Jahrhunderts Herr du Buat in seinem Werke "Principes d' Hydraulique, veri-
fies par un grand nombre d'experiences, Paris
1786" mehr Aufklärung gegeben,
und durch eine grosse Anzahl von Erfahrungen gezeigt, dass die Ursache dieses Zurück-
bleibens des Wassers oder der Verminderung seiner Geschwindigkeit bei sehr langen
Röhrenleitungen nur dem Widerstande der Wände und der Biegung der
Röhren
beizumessen sey. Nicht so glücklich war du Buat bei der Untersuchung und
Auffindung der Gesetze, nach welchen dieser Widerstand zu bemessen und bei prakti-
schen Aufgaben über die Anlage grösserer Wasserleitungen in Rechnung zu nehmen
sey. Seine empirische Formel *) ist weder mit physischen Gründen hinlänglich un-
terstützt, und noch weniger mit jener Einfachheit dargestellt, welche man bei solchen
Gegenständen zu wünschen pflegt. Wir wollen demnach vorläufig die Grundsätze anfüh-
ren, nach welchen der Widerstand der Wände bemessen werden kann und sodann zur
Bestimmung der Grösse dieses Widerstandes, so wie es bei der Reibung der festen
Körper der Fall war, die nothwendigen Koeffizienten durch Versuche ausmitteln.

§. 129.

Wenn eine horizontale Wasserröhre von gleichem Durchmesser in ihrer ganzen Länge
mit Wasser angefüllt ist und dieses Wasser aus einem Behälter erhält, so dass dasselbe
mit einer gleichen Druckhöhe durch die Röhre fortgeleitet wird, so muss auch die Ge-
schwindigkeit des Wassers sowohl am obern als untern Ende der Röhre und überhaupt
in jedem Querschnitte dieselbe seyn. Da nämlich am untern Ende weder mehr noch
weniger Wasser abfliessen kann, als in das obere Ende der Röhrenleitung einfliesst,
durchaus aber ein gleicher Querschnitt vorhanden ist, so muss auch der Wasserabfluss
für die Sekunde und die Geschwindigkeit an jedem Orte gleich seyn. In dieser Hin-
sicht können wir das ganze Wasser in der Röhre als einen Körper betrachten, bei dem
auf gleiche Art wie bei festen Körpern alle Theile sich mit gleicher Geschwindigkeit
bewegen.

Der Widerstand des Wassers an den Röhrenwänden wird theils der Adhäsion
der Theile an die ganze Wand der Röhre
, theils auch dem Stosse beige-

*) Herr du Buat nennt v die mittlere Geschwindigkeit in pariser Zollen, welche das Wasser bei sei-
ner gleichförmigen Bewegung durch Röhren besitzt, r den mittleren Halbmesser, welcher erhalten
wird, wenn die Querschnittsfläche der Röhren (in Quad. Zollen) durch den vom Wasser berührten
Theil der Peripherie (in Zollen) dividirt wird; b ist der Nenner des Bruches, wodurch das Ver-
hältniss der Länge der Röhren zu ihrem Gefälle ausgedrückt wird; wenn nämlich das Gefäll 1 Zoll auf
1000 Zoll beträgt, so ist b = 1000. Hiernach ist v = [Formel 1] -- 0,3 (sqrtr -- 0,1).

Widerstände des Wassers in Röhren.
am Ende der Röhren abfloss, welche aus denselben Röhren bei einer kürzeren Länge
oder in der Nähe des Wasserbehälters ausgeflossen ist. Diese Beobachtung stimmte mit
einer zweiten eben so wichtigen überein, gemäss welcher die springenden Wasserstrahlen
bei weitem nicht auf die Höhe des Wasserspiegels im Behälter, woraus das Wasser durch
Röhren zu den Springbrunnen geleitet wurde, sich erhoben.

Uiber die Ursache dieser merkwürdigen Erscheinung hat uns erst am Ende des ver-
flossenen Jahrhunderts Herr du Buat in seinem Werke „Principes d’ Hydraulique, véri-
fiés par un grand nombre d’expériences, Paris
1786“ mehr Aufklärung gegeben,
und durch eine grosse Anzahl von Erfahrungen gezeigt, dass die Ursache dieses Zurück-
bleibens des Wassers oder der Verminderung seiner Geschwindigkeit bei sehr langen
Röhrenleitungen nur dem Widerstande der Wände und der Biegung der
Röhren
beizumessen sey. Nicht so glücklich war du Buat bei der Untersuchung und
Auffindung der Gesetze, nach welchen dieser Widerstand zu bemessen und bei prakti-
schen Aufgaben über die Anlage grösserer Wasserleitungen in Rechnung zu nehmen
sey. Seine empirische Formel *) ist weder mit physischen Gründen hinlänglich un-
terstützt, und noch weniger mit jener Einfachheit dargestellt, welche man bei solchen
Gegenständen zu wünschen pflegt. Wir wollen demnach vorläufig die Grundsätze anfüh-
ren, nach welchen der Widerstand der Wände bemessen werden kann und sodann zur
Bestimmung der Grösse dieses Widerstandes, so wie es bei der Reibung der festen
Körper der Fall war, die nothwendigen Koeffizienten durch Versuche ausmitteln.

§. 129.

Wenn eine horizontale Wasserröhre von gleichem Durchmesser in ihrer ganzen Länge
mit Wasser angefüllt ist und dieses Wasser aus einem Behälter erhält, so dass dasselbe
mit einer gleichen Druckhöhe durch die Röhre fortgeleitet wird, so muss auch die Ge-
schwindigkeit des Wassers sowohl am obern als untern Ende der Röhre und überhaupt
in jedem Querschnitte dieselbe seyn. Da nämlich am untern Ende weder mehr noch
weniger Wasser abfliessen kann, als in das obere Ende der Röhrenleitung einfliesst,
durchaus aber ein gleicher Querschnitt vorhanden ist, so muss auch der Wasserabfluss
für die Sekunde und die Geschwindigkeit an jedem Orte gleich seyn. In dieser Hin-
sicht können wir das ganze Wasser in der Röhre als einen Körper betrachten, bei dem
auf gleiche Art wie bei festen Körpern alle Theile sich mit gleicher Geschwindigkeit
bewegen.

Der Widerstand des Wassers an den Röhrenwänden wird theils der Adhäsion
der Theile an die ganze Wand der Röhre
, theils auch dem Stosse beige-

*) Herr du Buat nennt v die mittlere Geschwindigkeit in pariser Zollen, welche das Wasser bei sei-
ner gleichförmigen Bewegung durch Röhren besitzt, r den mittleren Halbmesser, welcher erhalten
wird, wenn die Querschnittsfläche der Röhren (in Quad. Zollen) durch den vom Wasser berührten
Theil der Peripherie (in Zollen) dividirt wird; b ist der Nenner des Bruches, wodurch das Ver-
hältniss der Länge der Röhren zu ihrem Gefälle ausgedrückt wird; wenn nämlich das Gefäll 1 Zoll auf
1000 Zoll beträgt, so ist b = 1000. Hiernach ist v = [Formel 1] — 0,3 (√r — 0,1).
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0194" n="176"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#i">Widerstände des Wassers in Röhren.</hi></fw><lb/>
am Ende der Röhren abfloss, welche aus denselben Röhren bei einer kürzeren Länge<lb/>
oder in der Nähe des Wasserbehälters ausgeflossen ist. Diese Beobachtung stimmte mit<lb/>
einer zweiten eben so wichtigen überein, gemäss welcher die springenden Wasserstrahlen<lb/>
bei weitem nicht auf die Höhe des Wasserspiegels im Behälter, woraus das Wasser durch<lb/>
Röhren zu den Springbrunnen geleitet wurde, sich erhoben.</p><lb/>
            <p>Uiber die Ursache dieser merkwürdigen Erscheinung hat uns erst am Ende des ver-<lb/>
flossenen Jahrhunderts Herr <hi rendition="#i">du Buat</hi> in seinem Werke &#x201E;<hi rendition="#i">Principes d&#x2019; Hydraulique, véri-<lb/>
fiés par un grand nombre d&#x2019;expériences, Paris</hi> 1786&#x201C; mehr Aufklärung gegeben,<lb/>
und durch eine grosse Anzahl von Erfahrungen gezeigt, dass die Ursache dieses Zurück-<lb/>
bleibens des Wassers oder der Verminderung seiner Geschwindigkeit bei sehr langen<lb/>
Röhrenleitungen nur dem <hi rendition="#g">Widerstande der Wände</hi> und der <hi rendition="#g">Biegung der<lb/>
Röhren</hi> beizumessen sey. Nicht so glücklich war <hi rendition="#i">du Buat</hi> bei der Untersuchung und<lb/>
Auffindung der Gesetze, nach welchen dieser Widerstand zu bemessen und bei prakti-<lb/>
schen Aufgaben über die Anlage grösserer Wasserleitungen in Rechnung zu nehmen<lb/>
sey. Seine empirische Formel <note place="foot" n="*)">Herr <hi rendition="#i">du Buat</hi> nennt v die mittlere Geschwindigkeit in pariser Zollen, welche das Wasser bei sei-<lb/>
ner gleichförmigen Bewegung durch Röhren besitzt, r den mittleren Halbmesser, welcher erhalten<lb/>
wird, wenn die Querschnittsfläche der Röhren (in Quad. Zollen) durch den vom Wasser berührten<lb/>
Theil der Peripherie (in Zollen) dividirt wird; b ist der Nenner des Bruches, wodurch das Ver-<lb/>
hältniss der Länge der Röhren zu ihrem Gefälle ausgedrückt wird; wenn nämlich das Gefäll 1 Zoll auf<lb/>
1000 Zoll beträgt, so ist b = 1000. Hiernach ist v = <formula/> &#x2014; 0,<hi rendition="#sub">3</hi> (&#x221A;r &#x2014; 0,<hi rendition="#sub">1</hi>).</note> ist weder mit physischen Gründen hinlänglich un-<lb/>
terstützt, und noch weniger mit jener Einfachheit dargestellt, welche man bei solchen<lb/>
Gegenständen zu wünschen pflegt. Wir wollen demnach vorläufig die Grundsätze anfüh-<lb/>
ren, nach welchen der Widerstand der Wände bemessen werden kann und sodann zur<lb/>
Bestimmung der Grösse dieses Widerstandes, so wie es bei der Reibung der festen<lb/>
Körper der Fall war, die nothwendigen Koeffizienten durch Versuche ausmitteln.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 129.</head><lb/>
            <p>Wenn eine horizontale Wasserröhre von gleichem Durchmesser in ihrer ganzen Länge<lb/>
mit Wasser angefüllt ist und dieses Wasser aus einem Behälter erhält, so dass dasselbe<lb/>
mit einer gleichen Druckhöhe durch die Röhre fortgeleitet wird, so muss auch die Ge-<lb/>
schwindigkeit des Wassers sowohl am obern als untern Ende der Röhre und überhaupt<lb/>
in jedem Querschnitte dieselbe seyn. Da nämlich am untern Ende weder mehr noch<lb/>
weniger Wasser abfliessen kann, als in das obere Ende der Röhrenleitung einfliesst,<lb/>
durchaus aber ein gleicher Querschnitt vorhanden ist, so muss auch der Wasserabfluss<lb/>
für die Sekunde und die Geschwindigkeit an jedem Orte gleich seyn. In dieser Hin-<lb/>
sicht können wir das ganze Wasser in der Röhre als einen Körper betrachten, bei dem<lb/>
auf gleiche Art wie bei festen Körpern alle Theile sich mit gleicher Geschwindigkeit<lb/>
bewegen.</p><lb/>
            <p>Der Widerstand des Wassers an den Röhrenwänden wird theils der <hi rendition="#g">Adhäsion<lb/>
der Theile an die ganze Wand der Röhre</hi>, theils auch dem <hi rendition="#g">Stosse</hi> beige-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[176/0194] Widerstände des Wassers in Röhren. am Ende der Röhren abfloss, welche aus denselben Röhren bei einer kürzeren Länge oder in der Nähe des Wasserbehälters ausgeflossen ist. Diese Beobachtung stimmte mit einer zweiten eben so wichtigen überein, gemäss welcher die springenden Wasserstrahlen bei weitem nicht auf die Höhe des Wasserspiegels im Behälter, woraus das Wasser durch Röhren zu den Springbrunnen geleitet wurde, sich erhoben. Uiber die Ursache dieser merkwürdigen Erscheinung hat uns erst am Ende des ver- flossenen Jahrhunderts Herr du Buat in seinem Werke „Principes d’ Hydraulique, véri- fiés par un grand nombre d’expériences, Paris 1786“ mehr Aufklärung gegeben, und durch eine grosse Anzahl von Erfahrungen gezeigt, dass die Ursache dieses Zurück- bleibens des Wassers oder der Verminderung seiner Geschwindigkeit bei sehr langen Röhrenleitungen nur dem Widerstande der Wände und der Biegung der Röhren beizumessen sey. Nicht so glücklich war du Buat bei der Untersuchung und Auffindung der Gesetze, nach welchen dieser Widerstand zu bemessen und bei prakti- schen Aufgaben über die Anlage grösserer Wasserleitungen in Rechnung zu nehmen sey. Seine empirische Formel *) ist weder mit physischen Gründen hinlänglich un- terstützt, und noch weniger mit jener Einfachheit dargestellt, welche man bei solchen Gegenständen zu wünschen pflegt. Wir wollen demnach vorläufig die Grundsätze anfüh- ren, nach welchen der Widerstand der Wände bemessen werden kann und sodann zur Bestimmung der Grösse dieses Widerstandes, so wie es bei der Reibung der festen Körper der Fall war, die nothwendigen Koeffizienten durch Versuche ausmitteln. §. 129. Wenn eine horizontale Wasserröhre von gleichem Durchmesser in ihrer ganzen Länge mit Wasser angefüllt ist und dieses Wasser aus einem Behälter erhält, so dass dasselbe mit einer gleichen Druckhöhe durch die Röhre fortgeleitet wird, so muss auch die Ge- schwindigkeit des Wassers sowohl am obern als untern Ende der Röhre und überhaupt in jedem Querschnitte dieselbe seyn. Da nämlich am untern Ende weder mehr noch weniger Wasser abfliessen kann, als in das obere Ende der Röhrenleitung einfliesst, durchaus aber ein gleicher Querschnitt vorhanden ist, so muss auch der Wasserabfluss für die Sekunde und die Geschwindigkeit an jedem Orte gleich seyn. In dieser Hin- sicht können wir das ganze Wasser in der Röhre als einen Körper betrachten, bei dem auf gleiche Art wie bei festen Körpern alle Theile sich mit gleicher Geschwindigkeit bewegen. Der Widerstand des Wassers an den Röhrenwänden wird theils der Adhäsion der Theile an die ganze Wand der Röhre, theils auch dem Stosse beige- *) Herr du Buat nennt v die mittlere Geschwindigkeit in pariser Zollen, welche das Wasser bei sei- ner gleichförmigen Bewegung durch Röhren besitzt, r den mittleren Halbmesser, welcher erhalten wird, wenn die Querschnittsfläche der Röhren (in Quad. Zollen) durch den vom Wasser berührten Theil der Peripherie (in Zollen) dividirt wird; b ist der Nenner des Bruches, wodurch das Ver- hältniss der Länge der Röhren zu ihrem Gefälle ausgedrückt wird; wenn nämlich das Gefäll 1 Zoll auf 1000 Zoll beträgt, so ist b = 1000. Hiernach ist v = [FORMEL] — 0,3 (√r — 0,1).

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik02_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik02_1832/194
Zitationshilfe: Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 2: Mechanik flüssiger Körper. Prag, 1832, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik02_1832/194>, abgerufen am 18.11.2024.