Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 1: Mechanik fester Körper. Prag, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

Versuche über Reibung.
zeigte, dass Seeschiffe bei dem Herablassen vom Stappel über eine schiefe Fläche von
selbst herablaufen, wenn dieselbe eine Neigung von 1 Zoll auf einen Fuss Länge hat.
Nun ist nach §. 123 in diesem Falle bei einer schiefen Fläche P : Q = h : 1 = 1 : 12,
demnach P = [Formel 1] , d. h. die Reibung wird schon von dem 12ten Theile des Gewichtes über-
wältigt.

Amontons war (Mem. de l' acad. des Sciences p. l' an 1699) der erste, der über die
Reibung sowohl, als auch über die Unbiegsamkeit der Seile Versuche angestellt, und sie
bei den einfachen Maschinen in Rechnung zu bringen gesucht hat. Er entdeckte zuerst
das Gesetz, dass die Reibung sich nicht nach der Grösse der Berührungsflächen, son-
dern allein nach der Grösse der Last, womit diese Flächen auf einander gedrückt wer-
den, richte. Musschenbroek fand hiebei einige Abweichungen. Camus und Desaguilliers
fanden, dass die Reibung kleiner wird, wenn die Berührungsflächen durch einen Stoss
erschüttert werden; man schloss zwar daraus, dass die Reibung im Zustande der Bewe-
gung nicht so gross seyn könne, als im Zustande der Ruhe; doch machten sie das
eigentliche Verhältniss zwischen diesen zwei Gattungen der Reibung nicht ausfindig.
Segner fand dagegen, dass die Reibung in etwas mit der Bewegung zunehme; seine
Versuche sind aber nicht entscheidend genug; darum blieben Euler, Bossut u. a.
bei dem Grundsatze des Amontons, dass nämlich die Reibung von der Geschwindigkeit
des bewegten Körpers nicht abhänge, wodurch die Rechnung viel Leichtigkeit erhält,
und meistens hinreichend ist.

Die Wichtigkeit dieses Gegenstandes veranlasste vor beiläufig 50 Jahren die Aka-
demie der Wissenschaften in Paris, einen Preis für die beste Abhandlung über die Wi-
derstände der Reibung und Unbiegsamkeit der Seile auszusetzen. Dieser Preis wurde
Hrn. Coulomb zuerkannt, welcher die Resultate seiner Versuche und die hierauf gegrün-
dete Theorie in folgender Abhandlung bekannt machte: Theorie des machines simples,
en ayant egard au frottement de leurs parties et a la roideur des Cordages. Piece
qui a remporte le prix double de l' academie des sciences pour l' annee
1781. --
Memoires de mathematique et de physique presentees a' l' academie. Tom. X. Pa-
ris
1785, p. 161 -- 332.

§. 437.

Coulomb betrachtet die Reibung in zweierlei Hinsicht, die gleitende oder dre-
hende
und die wälzende Reibung. Die erste entsteht, wenn zwei Körper auf
einander fortgeschoben werden, z. B. wenn ein Schlitten oder eine Schleife auf der Erde
fortgezogen wird, oder auch, wenn ein Körper sich um eine unbewegliche Achse dreht,
und hiebei einen andern unbeweglichen Körper berührt, wie diess z. B bei der Bewe-
gung der Zapfen in den Pfannen oder Lagern der Fall ist. Die wälzende Reibung
tritt dagegen ein, wenn ein runder Körper z. B. ein Cylinder über eine Fläche gerollt
wird.

Fig.
1.
Tab.
27.

Um die gleitende Reibung zu versuchen, liess Herr Coulomb einen sehr star-
ken horizontalen Tisch verfertigen, welcher an dem Fussboden hinlänglich befestigt
wurde. Auf der Platte dieses Tisches waren an beiden Enden Ansätze angebracht, zwi-

Versuche über Reibung.
zeigte, dass Seeschiffe bei dem Herablassen vom Stappel über eine schiefe Fläche von
selbst herablaufen, wenn dieselbe eine Neigung von 1 Zoll auf einen Fuss Länge hat.
Nun ist nach §. 123 in diesem Falle bei einer schiefen Fläche P : Q = h : 1 = 1 : 12,
demnach P = [Formel 1] , d. h. die Reibung wird schon von dem 12ten Theile des Gewichtes über-
wältigt.

Amontons war (Mem. de l’ acad. des Sciences p. l’ an 1699) der erste, der über die
Reibung sowohl, als auch über die Unbiegsamkeit der Seile Versuche angestellt, und sie
bei den einfachen Maschinen in Rechnung zu bringen gesucht hat. Er entdeckte zuerst
das Gesetz, dass die Reibung sich nicht nach der Grösse der Berührungsflächen, son-
dern allein nach der Grösse der Last, womit diese Flächen auf einander gedrückt wer-
den, richte. Musschenbroek fand hiebei einige Abweichungen. Camus und Desaguilliers
fanden, dass die Reibung kleiner wird, wenn die Berührungsflächen durch einen Stoss
erschüttert werden; man schloss zwar daraus, dass die Reibung im Zustande der Bewe-
gung nicht so gross seyn könne, als im Zustande der Ruhe; doch machten sie das
eigentliche Verhältniss zwischen diesen zwei Gattungen der Reibung nicht ausfindig.
Segner fand dagegen, dass die Reibung in etwas mit der Bewegung zunehme; seine
Versuche sind aber nicht entscheidend genug; darum blieben Euler, Bossut u. a.
bei dem Grundsatze des Amontons, dass nämlich die Reibung von der Geschwindigkeit
des bewegten Körpers nicht abhänge, wodurch die Rechnung viel Leichtigkeit erhält,
und meistens hinreichend ist.

Die Wichtigkeit dieses Gegenstandes veranlasste vor beiläufig 50 Jahren die Aka-
demie der Wissenschaften in Paris, einen Preis für die beste Abhandlung über die Wi-
derstände der Reibung und Unbiegsamkeit der Seile auszusetzen. Dieser Preis wurde
Hrn. Coulomb zuerkannt, welcher die Resultate seiner Versuche und die hierauf gegrün-
dete Theorie in folgender Abhandlung bekannt machte: Théorie des machines simples,
en ayant égard au frottement de leurs parties et à la roideur des Cordages. Pièce
qui a remporté le prix double de l’ academie des sciences pour l’ année
1781. —
Mémoires de mathematique et de physique presentées a’ l’ académie. Tom. X. Pa-
ris
1785, p. 161 — 332.

§. 437.

Coulomb betrachtet die Reibung in zweierlei Hinsicht, die gleitende oder dre-
hende
und die wälzende Reibung. Die erste entsteht, wenn zwei Körper auf
einander fortgeschoben werden, z. B. wenn ein Schlitten oder eine Schleife auf der Erde
fortgezogen wird, oder auch, wenn ein Körper sich um eine unbewegliche Achse dreht,
und hiebei einen andern unbeweglichen Körper berührt, wie diess z. B bei der Bewe-
gung der Zapfen in den Pfannen oder Lagern der Fall ist. Die wälzende Reibung
tritt dagegen ein, wenn ein runder Körper z. B. ein Cylinder über eine Fläche gerollt
wird.

Fig.
1.
Tab.
27.

Um die gleitende Reibung zu versuchen, liess Herr Coulomb einen sehr star-
ken horizontalen Tisch verfertigen, welcher an dem Fussboden hinlänglich befestigt
wurde. Auf der Platte dieses Tisches waren an beiden Enden Ansätze angebracht, zwi-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0522" n="490"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#i">Versuche über Reibung</hi>.</fw><lb/>
zeigte, dass Seeschiffe bei dem Herablassen vom Stappel über eine schiefe Fläche von<lb/>
selbst herablaufen, wenn dieselbe eine Neigung von 1 Zoll auf einen Fuss Länge hat.<lb/>
Nun ist nach §. 123 in diesem Falle bei einer schiefen Fläche P : Q = h : 1 = 1 : 12,<lb/>
demnach P = <formula/>, d. h. die Reibung wird schon von dem 12<hi rendition="#sup">ten</hi> Theile des Gewichtes über-<lb/>
wältigt.</p><lb/>
            <p><hi rendition="#i">Amontons</hi> war (<hi rendition="#i">Mem. de l&#x2019; acad. des Sciences p. l&#x2019; an</hi> 1699) der erste, der über die<lb/>
Reibung sowohl, als auch über die Unbiegsamkeit der Seile Versuche angestellt, und sie<lb/>
bei den einfachen Maschinen in Rechnung zu bringen gesucht hat. Er entdeckte zuerst<lb/>
das Gesetz, dass die Reibung sich nicht nach der Grösse der Berührungsflächen, son-<lb/>
dern allein nach der Grösse der Last, womit diese Flächen auf einander gedrückt wer-<lb/>
den, richte. <hi rendition="#i">Musschenbroek</hi> fand hiebei einige Abweichungen. <hi rendition="#i">Camus</hi> und <hi rendition="#i">Desaguilliers</hi><lb/>
fanden, dass die Reibung kleiner wird, wenn die Berührungsflächen durch einen Stoss<lb/>
erschüttert werden; man schloss zwar daraus, dass die Reibung im Zustande der Bewe-<lb/>
gung nicht so gross seyn könne, als im Zustande der Ruhe; doch machten sie das<lb/>
eigentliche Verhältniss zwischen diesen zwei Gattungen der Reibung nicht ausfindig.<lb/><hi rendition="#i">Segner</hi> fand dagegen, dass die Reibung in etwas mit der Bewegung zunehme; seine<lb/>
Versuche sind aber nicht entscheidend genug; darum blieben <hi rendition="#i">Euler, Bossut</hi> u. a.<lb/>
bei dem Grundsatze des <hi rendition="#i">Amontons</hi>, dass nämlich die Reibung von der Geschwindigkeit<lb/>
des bewegten Körpers nicht abhänge, wodurch die Rechnung viel Leichtigkeit erhält,<lb/>
und meistens hinreichend ist.</p><lb/>
            <p>Die Wichtigkeit dieses Gegenstandes veranlasste vor beiläufig 50 Jahren die Aka-<lb/>
demie der Wissenschaften in <hi rendition="#i">Paris</hi>, einen Preis für die beste Abhandlung über die Wi-<lb/>
derstände der Reibung und Unbiegsamkeit der Seile auszusetzen. Dieser Preis wurde<lb/>
Hrn. <hi rendition="#i">Coulomb</hi> zuerkannt, welcher die Resultate seiner Versuche und die hierauf gegrün-<lb/>
dete Theorie in folgender Abhandlung bekannt machte: <hi rendition="#i">Théorie des machines simples,<lb/>
en ayant égard au frottement de leurs parties et à la roideur des Cordages. Pièce<lb/>
qui a remporté le prix double de l&#x2019; academie des sciences pour l&#x2019; année</hi> 1781. &#x2014;<lb/><hi rendition="#i">Mémoires de mathematique et de physique presentées a&#x2019; l&#x2019; académie. Tom. X. Pa-<lb/>
ris</hi> 1785, <hi rendition="#i">p</hi>. 161 &#x2014; 332.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 437.</head><lb/>
            <p><hi rendition="#i">Coulomb</hi> betrachtet die Reibung in zweierlei Hinsicht, die <hi rendition="#g">gleitende</hi> oder <hi rendition="#g">dre-<lb/>
hende</hi> und die <hi rendition="#g">wälzende Reibung</hi>. Die erste entsteht, wenn zwei Körper auf<lb/>
einander fortgeschoben werden, z. B. wenn ein Schlitten oder eine Schleife auf der Erde<lb/>
fortgezogen wird, oder auch, wenn ein Körper sich um eine unbewegliche Achse dreht,<lb/>
und hiebei einen andern unbeweglichen Körper berührt, wie diess z. B bei der Bewe-<lb/>
gung der Zapfen in den Pfannen oder Lagern der Fall ist. Die <hi rendition="#g">wälzende Reibung</hi><lb/>
tritt dagegen ein, wenn ein runder Körper z. B. ein Cylinder über eine Fläche gerollt<lb/>
wird.</p><lb/>
            <note place="left">Fig.<lb/>
1.<lb/>
Tab.<lb/>
27.</note>
            <p>Um die <hi rendition="#g">gleitende Reibung</hi> zu <hi rendition="#g">versuchen</hi>, liess Herr <hi rendition="#i">Coulomb</hi> einen sehr star-<lb/>
ken horizontalen Tisch verfertigen, welcher an dem Fussboden hinlänglich befestigt<lb/>
wurde. Auf der Platte dieses Tisches waren an beiden Enden Ansätze angebracht, zwi-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[490/0522] Versuche über Reibung. zeigte, dass Seeschiffe bei dem Herablassen vom Stappel über eine schiefe Fläche von selbst herablaufen, wenn dieselbe eine Neigung von 1 Zoll auf einen Fuss Länge hat. Nun ist nach §. 123 in diesem Falle bei einer schiefen Fläche P : Q = h : 1 = 1 : 12, demnach P = [FORMEL], d. h. die Reibung wird schon von dem 12ten Theile des Gewichtes über- wältigt. Amontons war (Mem. de l’ acad. des Sciences p. l’ an 1699) der erste, der über die Reibung sowohl, als auch über die Unbiegsamkeit der Seile Versuche angestellt, und sie bei den einfachen Maschinen in Rechnung zu bringen gesucht hat. Er entdeckte zuerst das Gesetz, dass die Reibung sich nicht nach der Grösse der Berührungsflächen, son- dern allein nach der Grösse der Last, womit diese Flächen auf einander gedrückt wer- den, richte. Musschenbroek fand hiebei einige Abweichungen. Camus und Desaguilliers fanden, dass die Reibung kleiner wird, wenn die Berührungsflächen durch einen Stoss erschüttert werden; man schloss zwar daraus, dass die Reibung im Zustande der Bewe- gung nicht so gross seyn könne, als im Zustande der Ruhe; doch machten sie das eigentliche Verhältniss zwischen diesen zwei Gattungen der Reibung nicht ausfindig. Segner fand dagegen, dass die Reibung in etwas mit der Bewegung zunehme; seine Versuche sind aber nicht entscheidend genug; darum blieben Euler, Bossut u. a. bei dem Grundsatze des Amontons, dass nämlich die Reibung von der Geschwindigkeit des bewegten Körpers nicht abhänge, wodurch die Rechnung viel Leichtigkeit erhält, und meistens hinreichend ist. Die Wichtigkeit dieses Gegenstandes veranlasste vor beiläufig 50 Jahren die Aka- demie der Wissenschaften in Paris, einen Preis für die beste Abhandlung über die Wi- derstände der Reibung und Unbiegsamkeit der Seile auszusetzen. Dieser Preis wurde Hrn. Coulomb zuerkannt, welcher die Resultate seiner Versuche und die hierauf gegrün- dete Theorie in folgender Abhandlung bekannt machte: Théorie des machines simples, en ayant égard au frottement de leurs parties et à la roideur des Cordages. Pièce qui a remporté le prix double de l’ academie des sciences pour l’ année 1781. — Mémoires de mathematique et de physique presentées a’ l’ académie. Tom. X. Pa- ris 1785, p. 161 — 332. §. 437. Coulomb betrachtet die Reibung in zweierlei Hinsicht, die gleitende oder dre- hende und die wälzende Reibung. Die erste entsteht, wenn zwei Körper auf einander fortgeschoben werden, z. B. wenn ein Schlitten oder eine Schleife auf der Erde fortgezogen wird, oder auch, wenn ein Körper sich um eine unbewegliche Achse dreht, und hiebei einen andern unbeweglichen Körper berührt, wie diess z. B bei der Bewe- gung der Zapfen in den Pfannen oder Lagern der Fall ist. Die wälzende Reibung tritt dagegen ein, wenn ein runder Körper z. B. ein Cylinder über eine Fläche gerollt wird. Um die gleitende Reibung zu versuchen, liess Herr Coulomb einen sehr star- ken horizontalen Tisch verfertigen, welcher an dem Fussboden hinlänglich befestigt wurde. Auf der Platte dieses Tisches waren an beiden Enden Ansätze angebracht, zwi-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik01_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik01_1831/522
Zitationshilfe: Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 1: Mechanik fester Körper. Prag, 1831, S. 490. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik01_1831/522>, abgerufen am 18.11.2024.