Werden auf diese Art Lasten aus einer unbeträchtlichen Tiefe gezogen, so geht die Maschine mit ziemlich gleichförmigen Gange fort. Ist aber die Tiefe des Füllor- tes grösser z. B. 100 oder 150 Klafter, so tritt ein Umstand ein, welcher die Ar- beit der Pferde ausserordentlich erschwert. Da nämlich bei jedem Zuge eine bedeu- tende Last (in Schemnitz 6 bis 9 Zentner Erz) in die Höhe gehoben wird, so sind hiezu sehr starke, folglich schwere Zugseile erforderlich. Das Gewicht der- selben verursacht nunmehr eine neue Last, welche die Pferde ebenfalls zu überwälti- gen haben.
Die nöthige Stärke und Schwere der Seile kann für jeden Fall nur aus Erfah- rungen bestimmt werden, wovon wir folgende, von dem Schemnitzer Bergbaue entlehnte anführen:
Nach Poda "Beschreibung der bei dem Bergbaue zu Schemnitz in Niederhungarn errichteten Maschinen, Prag 1771" Seite 2, wiegt das 206 Lachter *) lange Grubenseil beim Siegelsberger Schachte, im nassen Zustande 2884 und im trockenen 2060 Pfund, demnach eine Lachter des nassen Seiles 14 Pfund, und eine Lachter des trockenen 10 Pfund. Der Durchmesser dieses Seiles beträgt 21/4 bis 21/2 Zoll und die in den Treibsack geladene Last 9 Zentner.
Nach Delius "Anleitung zur Bergbaukunst, Wien 1773" Seite 272, wiegt die Lachter eines Treibseiles, dessen Durchmesser 21/4 bis 21/2 Zoll ist, 10 bis 11 Pfund.
Derselbe führt Seite 274 an, dass ein 150 Lachter langes Seil, wenn es trocken ist, 16 Zentner 50 Lb, folglich eine Lachter 11 Lb wiegt. Die an diesem Seile befindliche Last besteht in einem Treibsacke von 66 Lb mit einer Schurzkette von 72 Lb, worin 9 Zentner Erze befindlich sind.
Nehmen wir diesen Erfahrungen zu Folge das Gewicht einer Lachter Seil zu 10 Lb an, so wird schon bei einer Tiefe von 90 Lachtern das Gewicht des Seiles eben so viel betra- gen, als das Gewicht der Erze in der Tonne (9 Zentner). Ist aber die Tiefe grösser z. B. 150 Lachter, so wiegt das Seil 15 Zentner, die Last aber nur 9 Zentner, folglich ist das Seil weit schwerer als die Last.
Da sich die Gewichte der Tonnen beiderseits fortwährend ausgleichen, so haben die Pferde zu Anfange des Treibens nebst der Ladung noch das Gewicht des ganzen Seiles zu ziehen. Je höher die Last steigt, desto kleiner wird das Gewicht des Zugseiles (woran die Last hängt), und desto mehr wickelt sich vom Gegenseile (welches mit der leeren Tonne herabgeht) ab; die Kraft wird daher in doppelter Hinsicht geringer. Auf diese Art wird der Widerstand immer kleiner, bis er auf derjenigen Höhe = 0 wird, wo das Gewicht des abgewundenen Gegenseils eben so viel als das Gewicht der Ladung und des Zugseiles beträgt. Hierauf wird der Widerstand negativ, indem das Gewicht der Ladung und des Zugseiles kleiner als das Gewicht des abgewundenen Seiles ist; die Ma- schine würde daher durch die Uiberwucht des herabgehenden Seiles ihren Gang mit be-
*) Eine Schemnitzer Berglachter beträgt 1 Klafter 4 Zoll 101/2 Linien Wiener Maass.
28 *
Pferdegöpel.
§. 215.
Werden auf diese Art Lasten aus einer unbeträchtlichen Tiefe gezogen, so geht die Maschine mit ziemlich gleichförmigen Gange fort. Ist aber die Tiefe des Füllor- tes grösser z. B. 100 oder 150 Klafter, so tritt ein Umstand ein, welcher die Ar- beit der Pferde ausserordentlich erschwert. Da nämlich bei jedem Zuge eine bedeu- tende Last (in Schemnitz 6 bis 9 Zentner Erz) in die Höhe gehoben wird, so sind hiezu sehr starke, folglich schwere Zugseile erforderlich. Das Gewicht der- selben verursacht nunmehr eine neue Last, welche die Pferde ebenfalls zu überwälti- gen haben.
Die nöthige Stärke und Schwere der Seile kann für jeden Fall nur aus Erfah- rungen bestimmt werden, wovon wir folgende, von dem Schemnitzer Bergbaue entlehnte anführen:
Nach Poda »Beschreibung der bei dem Bergbaue zu Schemnitz in Niederhungarn errichteten Maschinen, Prag 1771« Seite 2, wiegt das 206 Lachter *) lange Grubenseil beim Siegelsberger Schachte, im nassen Zustande 2884 und im trockenen 2060 Pfund, demnach eine Lachter des nassen Seiles 14 Pfund, und eine Lachter des trockenen 10 Pfund. Der Durchmesser dieses Seiles beträgt 2¼ bis 2½ Zoll und die in den Treibsack geladene Last 9 Zentner.
Nach Delius »Anleitung zur Bergbaukunst, Wien 1773« Seite 272, wiegt die Lachter eines Treibseiles, dessen Durchmesser 2¼ bis 2½ Zoll ist, 10 bis 11 Pfund.
Derselbe führt Seite 274 an, dass ein 150 Lachter langes Seil, wenn es trocken ist, 16 Zentner 50 ℔, folglich eine Lachter 11 ℔ wiegt. Die an diesem Seile befindliche Last besteht in einem Treibsacke von 66 ℔ mit einer Schurzkette von 72 ℔, worin 9 Zentner Erze befindlich sind.
Nehmen wir diesen Erfahrungen zu Folge das Gewicht einer Lachter Seil zu 10 ℔ an, so wird schon bei einer Tiefe von 90 Lachtern das Gewicht des Seiles eben so viel betra- gen, als das Gewicht der Erze in der Tonne (9 Zentner). Ist aber die Tiefe grösser z. B. 150 Lachter, so wiegt das Seil 15 Zentner, die Last aber nur 9 Zentner, folglich ist das Seil weit schwerer als die Last.
Da sich die Gewichte der Tonnen beiderseits fortwährend ausgleichen, so haben die Pferde zu Anfange des Treibens nebst der Ladung noch das Gewicht des ganzen Seiles zu ziehen. Je höher die Last steigt, desto kleiner wird das Gewicht des Zugseiles (woran die Last hängt), und desto mehr wickelt sich vom Gegenseile (welches mit der leeren Tonne herabgeht) ab; die Kraft wird daher in doppelter Hinsicht geringer. Auf diese Art wird der Widerstand immer kleiner, bis er auf derjenigen Höhe = 0 wird, wo das Gewicht des abgewundenen Gegenseils eben so viel als das Gewicht der Ladung und des Zugseiles beträgt. Hierauf wird der Widerstand negativ, indem das Gewicht der Ladung und des Zugseiles kleiner als das Gewicht des abgewundenen Seiles ist; die Ma- schine würde daher durch die Uiberwucht des herabgehenden Seiles ihren Gang mit be-
*) Eine Schemnitzer Berglachter beträgt 1 Klafter 4 Zoll 10½ Linien Wiener Maass.
28 *
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Pferdegöpel.
§. 215.
Werden auf diese Art Lasten aus einer unbeträchtlichen Tiefe gezogen, so geht
die Maschine mit ziemlich gleichförmigen Gange fort. Ist aber die Tiefe des Füllor-
tes grösser z. B. 100 oder 150 Klafter, so tritt ein Umstand ein, welcher die Ar-
beit der Pferde ausserordentlich erschwert. Da nämlich bei jedem Zuge eine bedeu-
tende Last (in Schemnitz 6 bis 9 Zentner Erz) in die Höhe gehoben wird, so sind
hiezu sehr starke, folglich schwere Zugseile erforderlich. Das Gewicht der-
selben verursacht nunmehr eine neue Last, welche die Pferde ebenfalls zu überwälti-
gen haben.
Die nöthige Stärke und Schwere der Seile kann für jeden Fall nur aus Erfah-
rungen bestimmt werden, wovon wir folgende, von dem Schemnitzer Bergbaue entlehnte
anführen:
Nach Poda »Beschreibung der bei dem Bergbaue zu Schemnitz in Niederhungarn
errichteten Maschinen, Prag 1771« Seite 2, wiegt das 206 Lachter *) lange Grubenseil
beim Siegelsberger Schachte, im nassen Zustande 2884 und im trockenen 2060 Pfund,
demnach eine Lachter des nassen Seiles 14 Pfund, und eine Lachter des trockenen
10 Pfund. Der Durchmesser dieses Seiles beträgt 2¼ bis 2½ Zoll und die in den Treibsack
geladene Last 9 Zentner.
Nach Delius »Anleitung zur Bergbaukunst, Wien 1773« Seite 272, wiegt die Lachter
eines Treibseiles, dessen Durchmesser 2¼ bis 2½ Zoll ist, 10 bis 11 Pfund.
Derselbe führt Seite 274 an, dass ein 150 Lachter langes Seil, wenn es trocken ist,
16 Zentner 50 ℔, folglich eine Lachter 11 ℔ wiegt. Die an diesem Seile befindliche Last
besteht in einem Treibsacke von 66 ℔ mit einer Schurzkette von 72 ℔, worin 9 Zentner
Erze befindlich sind.
Nehmen wir diesen Erfahrungen zu Folge das Gewicht einer Lachter Seil zu 10 ℔ an,
so wird schon bei einer Tiefe von 90 Lachtern das Gewicht des Seiles eben so viel betra-
gen, als das Gewicht der Erze in der Tonne (9 Zentner). Ist aber die Tiefe grösser
z. B. 150 Lachter, so wiegt das Seil 15 Zentner, die Last aber nur 9 Zentner, folglich ist
das Seil weit schwerer als die Last.
Da sich die Gewichte der Tonnen beiderseits fortwährend ausgleichen, so haben die
Pferde zu Anfange des Treibens nebst der Ladung noch das Gewicht des ganzen Seiles
zu ziehen. Je höher die Last steigt, desto kleiner wird das Gewicht des Zugseiles
(woran die Last hängt), und desto mehr wickelt sich vom Gegenseile (welches mit der
leeren Tonne herabgeht) ab; die Kraft wird daher in doppelter Hinsicht geringer. Auf
diese Art wird der Widerstand immer kleiner, bis er auf derjenigen Höhe = 0 wird, wo
das Gewicht des abgewundenen Gegenseils eben so viel als das Gewicht der Ladung und
des Zugseiles beträgt. Hierauf wird der Widerstand negativ, indem das Gewicht der
Ladung und des Zugseiles kleiner als das Gewicht des abgewundenen Seiles ist; die Ma-
schine würde daher durch die Uiberwucht des herabgehenden Seiles ihren Gang mit be-
*) Eine Schemnitzer Berglachter beträgt 1 Klafter 4 Zoll 10½ Linien Wiener Maass.
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Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 1: Mechanik fester Körper. Prag, 1831, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik01_1831/249>, abgerufen am 18.11.2024.
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