Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865.Erster Abschnitt. Aus allem Diesem ergiebt sich der Inhalt des Rechts, §. 21. An der Spitze der Stadtgemeinde stehen Bürger- zu beklagen, sondern als die natürliche Entwickelung der Staats- gewalt anzuerkennen, welche jetzt ebensowenig duldet, dass ihre Functionen in die privatrechtliche Sphäre Einzelner als in die Sphäre der Gemeinden versetzt werden. Dem Rufe nach "Auto- nomie der Gemeinden" liegt nicht selten eine ganze Reihe der grössten Missverständnisse zu Grunde. -- Andere Aufgaben, welche die Gemeinde nach Aufforderung des Staats in vielen Ländern erfüllen muss, sind insbesondere folgende: sie hat die locale Armenversorgung zu leisten, für die Publication gewisser Staatsgesetze zu sorgen, die Staatssteuern einzusammeln, die Militäreinquartirung auszuführen, die Volksschule zu unterhal- ten, für Anlegung und Erhaltung von Vicinalstrassen Sorge zu tragen u. s. w. 7 Von der privatrechtlichen Stellung der Gemeindecorpora-
tion ist hier nicht zu handeln. Erster Abschnitt. Aus allem Diesem ergiebt sich der Inhalt des Rechts, §. 21. An der Spitze der Stadtgemeinde stehen Bürger- zu beklagen, sondern als die natürliche Entwickelung der Staats- gewalt anzuerkennen, welche jetzt ebensowenig duldet, dass ihre Functionen in die privatrechtliche Sphäre Einzelner als in die Sphäre der Gemeinden versetzt werden. Dem Rufe nach „Auto- nomie der Gemeinden“ liegt nicht selten eine ganze Reihe der grössten Missverständnisse zu Grunde. — Andere Aufgaben, welche die Gemeinde nach Aufforderung des Staats in vielen Ländern erfüllen muss, sind insbesondere folgende: sie hat die locale Armenversorgung zu leisten, für die Publication gewisser Staatsgesetze zu sorgen, die Staatssteuern einzusammeln, die Militäreinquartirung auszuführen, die Volksschule zu unterhal- ten, für Anlegung und Erhaltung von Vicinalstrassen Sorge zu tragen u. s. w. 7 Von der privatrechtlichen Stellung der Gemeindecorpora-
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Erster Abschnitt.
Aus allem Diesem ergiebt sich der Inhalt des Rechts,
welches dem Staate an den Gemeinden zusteht. Sie
sind selbständige öffentliche Corporationen 7 mit eigenem
Lebensberufe, aber sie gehören zu den unmittelbaren
Objecten der staatlichen Herrschaft; auch auf sie er-
streckt sich constitutionell das Gewaltrecht des Staats.
§. 21.
An der Spitze der Stadtgemeinde stehen Bürger-
meister und Rath, welche in collegialischer Form über
alle Gemeindeangelegenheiten berathen und beschliessen,
das Gemeindevermögen verwalten, auch die Gemeinde
in jeder Beziehung rechtlich vertreten. Diesem Ge-
meindevorstande gegenüber steht als Vertreter der Bür-
gerschaft ein s. g. Bürgerausschuss, auch Collegium der
Stadtverordneten genannt; sein Verhältniss zum Rathe
ist diess, dass er bei manchen Angelegenheiten zu gut-
achtlicher Aeusserung, bei anderen zur Einwilligung, bei
einzelnen wohl auch zum Mithandeln angegangen wer-
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7 Von der privatrechtlichen Stellung der Gemeindecorpora-
tion ist hier nicht zu handeln.
6 zu beklagen, sondern als die natürliche Entwickelung der Staats-
gewalt anzuerkennen, welche jetzt ebensowenig duldet, dass
ihre Functionen in die privatrechtliche Sphäre Einzelner als in die
Sphäre der Gemeinden versetzt werden. Dem Rufe nach „Auto-
nomie der Gemeinden“ liegt nicht selten eine ganze Reihe der
grössten Missverständnisse zu Grunde. — Andere Aufgaben,
welche die Gemeinde nach Aufforderung des Staats in vielen
Ländern erfüllen muss, sind insbesondere folgende: sie hat die
locale Armenversorgung zu leisten, für die Publication gewisser
Staatsgesetze zu sorgen, die Staatssteuern einzusammeln, die
Militäreinquartirung auszuführen, die Volksschule zu unterhal-
ten, für Anlegung und Erhaltung von Vicinalstrassen Sorge zu
tragen u. s. w.
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Zitationshilfe: | Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerber_staatsrecht_1865/76>, abgerufen am 01.03.2025. |